Fantasy-Serie „Das Rad der Zeit“: Das fantastische Matriarchat
Die Amazon-Serie „Das Rad der Zeit“ deutet die literarische Vorlage feministisch um. Raus kommt Fantasy mit wagemutigen Heldinnen und psychotischen Männern.
Eigentlich soll der junge Rand al’Thor laut einer alten Weissagung als wiedergeborener Drache eine Art Geheimwaffe gegen alle finsteren Kräfte sein, aber bei ihm ist es wie bei allen Männern: Sobald sie Magie anwenden, rutschen sie in eine gewalttätige Psychose. In „Das Rad der Zeit“ herrschen deshalb die Frauen. Nur sie können Magie nutzen, ohne den Verstand zu verlieren.
In der dritten Staffel der Amazon-Prime-Serie, des aufwändig verfilmten 15-bändigen Opus von Robert Jordan, versuchen dunkle Mächte – wie in der Fantasy üblich – den Status Quo im fantastischen, matriarchalen Königreich der Zwei Flüsse zu zerstören, in dem der Magierinnen-Orden der Aes Sedia das eigentliche Machtzentrum ist.
In einer komplex ausufernden Geschichte folgt man Rand al’Thor und vier jungen Menschen aus der Provinz, die sich auf ihrer Wanderschaft durch das fantastische Reich inmitten des großen Krieges von Gut gegen Böse wiederfinden und plötzlich Teil machtpolitischer Grabenkämpfe werden.
Portal, Trollocs und Raumschiffe
Es geht durch magische Portale, die Wegstrecken abkürzen, vorbei an magischen Wolfsrudeln und sogenannten Trollocs, die, an Tolkiens Orcs erinnernd, ganze Landschaften brandschatzen. Ab und an zeigen Rückblenden auch eine weit entfernte Vergangenheit, in der Raumschiffe über gigantische Metropolen dahinjagen. Dem Titel gebenden „Rad der Zeit“ liegt eine im ersten Moment etwas simpel wirkende Yin-Yang-Philosophie zugrunde, die aber eine Geschichte über Jahrtausende auffächert.
Selten spielen weibliche Charaktere im Fantasy-Serien eine so zentrale Rolle wie in dieser. Rosamund Pike gibt die mächtige und wagemutige Magierin Moiraine Damodred, die in einer geheimen Mission durch die verschiedenen feudalen Reiche unterwegs ist.
Auch von den fünf Freunden, die sich mit einer frauenhassenden männlichen Religionsgemeinschaft anlegen, die in ihren weißen Gewändern an den Ku-Klux-Klan erinnert, sind die weiblichen Charaktere die handlungstreibenden Figuren.
Weibliche Charaktere selten zentral
Die Fantasy-Sparte im Film- und Serienbereich boomt zwar seit Jahren. In den meist spätmittelalterlich anmutenden Fantasy-Welten, in die Streamingdienste seit Jahren Unmengen Geld pumpen, spielen weibliche Charaktere aber selten eine zentrale Rolle. Sie müssen sich wie in „Game of Thrones“ in männlich dominierten Gesellschaften behaupten.
In der Adaption von „Das Rad der Zeit“ ist das anders. Die Heldinnen dieser Saga sind die starken Frauen, die jene Magie zu meistern und einzusetzen in der Lage sind, die die Männer einfach nur in den Wahnsinn treibt. Auch die romantischen Beziehungen der einzelnen Figuren sind in der Serie diverser, queere Liebe und Sexualität kommen im Roman nicht vor.
Es gäbe auch zeitgenössische Fantasy
Weil die literarische Vorlage, die zwischen 1990 und 2003 erschienen ist, aus heutiger Perspektive etwas altbacken wirkt und diese feministische Inszenierung in der Deutlichkeit eigentlich nicht hergibt, wurden die Verfilmung in Blogs und Foren kontrovers diskutiert.
Der streng christliche Autor Jordan hatte etwa eine männliche Erlöserfigur ins Zentrum seines Opus gestellt, in der Serie ist aber offen, ob nicht auch die weiblichen Figuren diese Rolle ausfüllen könnten.
Dass Amazon Prime die Stoffe gemäß dem sozialen Wandel anpasst, ist nachvollziehbar. Aber ist das nötig? In der zeitgenössischen Fantasy-Literatur gibt es genügend feministische Autorinnen mit kämpferischen Büchern gegen Sexismus und rechte Trolle. Vielleicht probieren es die Produktionsfirmen also mal mit den Fantasyromanen von Nnedi Okorafor oder NK Jemisin, bevor sie auf Jahrzehnte alte Stoffe zurückgreifen.
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