Fanproteste in der Bundesliga: Gelbe Argumente
Fußballanhänger wehren sich gegen den Einstieg von Investoren. Mit Tennisbällen soll die DFL dazu gebracht werden, eine Abstimmung zu wiederholen.
Es gibt Protestbewegungen, denen es gelingt, einen Gegenstand zum Symbol ihrer Inhalte werden zu lassen: Die französischen „Gelbwesten“ wären hier zu nennen. Aber auch die jüngsten Fanaktionen gegen den Einstieg eines Liga-Investors, der optisch untrennbar mit Tennisbällen und Schokoladen-Münzen verbunden ist. Beides hatten die Fans auf den Platz geworfen, um medienwirksam Spielunterbrechungen herbeizuführen.
Nun scheint es, als fände der Protest immer größeren Widerhall in den Klubs. Angefangen hat Michael Welling. Der Geschäftsführer des Zweitligisten VfL Osnabrück kündigte am Dienstag an, sein Verein werde beantragen, dass es künftig keine geheimen Abstimmungen mehr auf DFL-Ebene gibt. „Nur so können wir garantieren, dass die Klubvertreter bei DFL-Abstimmungen den Vereins- und Mitgliederwillen umsetzen und gemäß der Idee von 50+1 agieren“, sagte er der Neuen Osnabrücker Zeitung.
Bei der Abstimmung im Dezember war der Investoren-Einstieg in geheimer Abstimmung mit einer Zweidrittelmehrheit der 36 Profivereine beschlossen worden. Eine einzige Stimme hatte den Ausschlag gegeben. Unwidersprochen (auch von ihm selbst) bleibt der Verdacht, dass diese von Hannover-96-Boss Martin Kind kam, obwohl der Klub beauftragt hatte, mit Nein zu stimmen. Das, so Welling, sei „in Verbindung mit dem knappen Abstimmungsergebnis nicht hilfreich für die Akzeptanz gewesen“.
Transparente Abstimmung könnte Ergebnis ändern
Das Fanbündnis „Fairness United“ warnt vor künftigen Investoren
Ähnlich argumentiert Thomas Kessen, Sprecher des Fanbündnisses „Unsere Kurve“: „Die Abstimmung muss wiederholt werden, diesmal allerdings demokratisch und offen.“ Von Fanseite, so Kessen, baue man auch darauf, „dass sich am Ende mehr Vereine dagegen entscheiden, wenn die Abstimmung offen wiederholt wird, was mittlerweile ja auch einige Vereinsvertreter fordern“.
Am Mittwoch hatte Claus Vogt, der Präsident des VfB Stuttgart, ebenfalls eine „erneute, transparente Abstimmung aller 36 Vereine“ ins Spiel gebracht. Auch Dirk Zingler, Präsident von Union Berlin, KSC-Geschäftsführer Michael Becker und Robert Marien, Vorstand von Hansa Rostock, sprachen sich für eine neue Abstimmung aus.
Zumindest Vogt will damit „auch die Situation in den Stadien beruhigen“. Auch bei anderen Vereinen hört man, dass in der Winterpause aus der Mitgliedschaft gute Argumente gegen einen Investoreneinstieg vorgebracht worden seien. Es sei ein Fehler gewesen, die Abstimmung ohne gründliche Diskussion an der Basis durchgezogen zu haben.
Umstrittene Kandidaten fürs Investment
Am vergangenen Wochenende waren die Proteste besonders heftig ausgefallen. Das Zweitligaspiel Hertha BSC Berlin gegen den HSV wurde 32 Minuten unterbrochen. Kurz zuvor hatte das aus der Anti-Katar-Bewegung hervorgegangene Bündnis „Fairness United“ unter der Überschrift „Heuschrecken, die möglichen ‚Partner‘ der DFL“ Rechercheergebnisse publik gemacht, wonach beide Kandidaten als Liga-Investor, CVC und Blackstone, auch wenig ethische Geschäftsbereiche finanzierten.
Die Vorwürfe betreffen Bereiche wie Mietwucher, dubiose Sportwetten bis hin zu Kinderarbeit. Beide Finanzunternehmer sollen zudem vom saudi-arabischen Staatsfonds unterstützt werden. „CVC & Blackstone – an euren Händen klebt Blut“, stand auf einem Transparent in der Stuttgarter Fankurve. Andere Fanszenen warnten vor „Sportswashing“ Saudi-Arabiens.
Bei dem angestrebten Deal sollen die Finanzinvestoren bis maximal 8 Prozent der Anteile einer DFL-Tochtergesellschaft, in die die kompletten Medienrechte ausgelagert werden, für 20 Jahre erwerben. Die beiden DFL-Geschäftsführer Marc Lenz und Steffen Merkel hatten derweil ausgeschlossen, dass der noch zu bestimmende Investor Einfluss auf die Spielplangestaltung bekommen kann – eine der größten Sorgen der kritischen Fanszene, die befürchtet, dass die Spieltage künftig zu weit mehr unterschiedlichen Anstoßzeiten ausgetragen werden als bisher. Gegen den Willen der Klubs können auch keine Spiele ins Ausland verlegt werden, argumentiert die DFL.
Dass nach einer Schamfrist genau dorthin der Weg gehen könne, befürchten derweil die Fanaktivisten. Schließlich fördere die Liga, wenn der Investorendeal zustande kommt, künftig selbst mit 100 Millionen Euro die Klubs, die zu Auslandsflugreisen aufbrechen. „Wenn es um eine Internationalisierung geht, die sich auch für den Investor lohnt, ist es nur logisch, schon bald möglichst viele Spiele zu unterschiedlichen Zeiten zu zeigen“, meint Kessen. „Die Büchse der Pandora ist geöffnet, wenn die DFL nicht zur Vernunft kommt.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Sport in Zeiten des Nahost-Kriegs
Die unheimliche Reise eines Basketballklubs