Familienpolitik der SPD: Kindergarten in der großen Politik
Peer Steinbrück will die Kita-Gebühren abschaffen, wenn er die Kanzlerwahl gewinnt. Vergessen hat er dabei, dass Kindergärten Ländersache sind.
BERLIN taz | Unglaubwürdig seien die Pläne der SPD zur „Kita-Frage“ und Augenwischerei, da ist sich die Union einig. Prompt reagierten CDU und CSU auf den Beschluss der SPD auf deren kleinem Parteitag am Sonntag: Im Falle eines Wahlsieges wollen die Sozialdemokraten bis 2017 die Kitagebühren abschaffen.
Diese Idee führe „das Solidarprinzip ad absurdum“, erklärte Familienministerin Kristina Schröder (CDU). Auch Wohlhabende bekämen dann den Platz umsonst. Für Dorothee Bär (CSU), familienpolitische Sprecherin der Union, ist das ein „billiger Rechentrick“.
Und CDU-Vizechefin Julia Klöckner meinte, „breite Schultern müssen mehr leisten“. Diejenigen, die mehr haben, sollten nicht entlastet werden. Klöckner plädiert dafür, Elternbeiträge nach dem Einkommen zu staffeln.
Es ist Wahlkampf und Familienpolitik darin ein bestimmendes Thema. Wenn es aber konkret um die Belange von Familien geht, fühlen sich Familien heute vielfach vom Staat allein gelassen. Wie die Parteien die Mütter und Väter ansprechen und umwerben, wird also mit dazu beitragen, wer nach der Bundestagswahl am 22. September regiert. Dabei geht es vor allem um Kitaplätze, frühkindliche Bildung, das Betreuungsgeld und das Ehegattensplitting. Und bei all diesen Themen liefern sich SPD und Union einen Wettlauf.
Nachdem die Sozialdemokraten zunächst mit der Idee eines höheren Kindergeldes nach vorn preschten, versprach die Union, nach der Wahl 28,5 Milliarden Euro für Familien- und Sozialpolitik ausgeben zu wollen. Die sozialdemokratische Replik sind nun die kostenlosen Kitas.
SPD will Ehegattensplitting abschaffen
Wie realistisch sind die familienpolitischen Wahlversprechen? Beispiel Kitaplätze: Außer in Berlin und in einigen Regionen von Rheinland-Pfalz müssen Eltern für einen Kitaplatz monatlich zwischen rund 20 und 600 Euro bezahlen. Darauf können Bundesländer wie Nordrhein-Westfalen derzeit nicht verzichten. Trotz des Kita-Rechtsanspruchs für unter Dreijährige ab 1. August fehlen dort noch viele Betreuungsplätze.
Dort soll es ab August rund 107.000 Krippenplätze und mehr als 38.000 Angebote bei Tagesmüttern geben. NRW-Familienministerin Ute Schäfer (SPD) spricht von einer Betreuungsquote von 49 Prozent. Die gehe allerdings zulasten der Qualität, kritisiert die Landes-CDU.
20 Milliarden Euro will die SPD für Familien lockermachen. Um das zu finanzieren, sollen unter anderem das Betreuungsgeld und das Ehegattensplitting abgeschafft werden. Letzteres verschlang zuletzt rund 15 Milliarden Euro im Jahr. Im Falle einer großen Koalition dürften beide Punkte allerdings zu einem Konflikt führen: Die Union will die steuerliche Sonderstellung der Ehe beibehalten und hat das Betreuungsgeld selbst eingeführt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind