Familie tourt durch USA: On the road für Assange
Das Auslieferungsbegehren gegen den Wikileaks-Gründer soll fallen gelassen werden. Das fordern sein Bruder und sein Vater in New York.
Während US-Präsident Joe Biden durch Europa fährt und das diplomatische Ende der Trump-Ära demonstriert, machen der Vater und Bruder von Julian Assange eine Tournee durch die USA. Auch die beiden Australier wollen einen radikalen Schnitt mit der Politik des Expräsidenten. Sie werben dafür, die Anklagen und das Auslieferungsbegehren gegen den Wikikeaksgründer fallen zu lassen. Vor elf Jahren hat seine Organisation Hunderttausende von geheimen Dokumenten über die Kriege im Irak und in Afghanistan, über das Internierungslager in Guantanamo und über den Druck der USA auf arabische, lateinamerikanische und europäische PolitikerInnen veröffentlicht. Sollte Assange in die USA ausgeliefert werden, drohen ihm dort Gefängnisstrafen von mehr als 170 Jahren.
„Die ganze Welt beneidet Sie um Ihre Verfassung – insbesondere um die Meinungsfreiheit“, sagt John Shipton, der Vater, am Donnerstagabend bei einem Auftritt in New York. Er wirkt steif in dem Raum voller AktivistInnen im People’s Forum in Manhattan. Trägt Krawatte. Und klammert sich an das Mikrofon, in das er hastig hinein flüstert. Aber er ist ein effizienter Fürsprecher.
In einfachen Worten zählt er „fünf positive Ergebnisse“ der Arbeit seines Sohns auf. Sagt, dass Enthüllungen Kriege verhindern können, dass sie zur Aufklärung von Verbrechen beitragen und dass sie die Demokratie stärken können. Die Veröffentlichung von „Collateral Murder“, das Video, das die Ermordung von elf Zivilisten in Bagdad aus einem US-Militärhubschrauber zeigt, habe den Angehörigen der Opfer geholfen.
Vor dem Vater haben einige der Prominenten gesprochen, die seit Jahren für die Freiheit von Assange trommeln. Die haitianische Aktivistin Jocelyn Gay hat ihm für die geheimen Depeschen über ihr Land gedankt, die Wikileaks 2010 „Haiti Liberté“ zur Veröffentlichung gegeben hat. Der US-amerikanische Investigativjournalist Chris Hedges hat internationale politische Analysen geliefert. Der Brite Roger Waters, Mitgründer der Band Pink Floyd, hat „Fuck You“ und „Schwachkopf“ gegen PolitikerInnen und Geschäftsleute abgesondert. Als er berichtet, dass er einen Batzen Geld von Facebook-Gründer Mark Zuckerberg abgelehnt hat, der seinen Song „A Brick in the Wall“ für Werbezwecke nutzen wollte, bekommt er Beifall vom Publikum.
Keine isolierte Aktion
Der Vater und der Bruder sind vor New York schon in Miami und in Boston aufgetreten. In dem kommenden Wochen werden sie an 14 weiteren Orten quer durch die USA für Assanges Freilassung werben. Ihre Tournee ist keine isolierte Aktion. Sie reiht sich ein in andere internationale Aktionen, die zeitgleich mit der ersten Europareise von US-Präsident Biden stattfinden.
Bei seiner Ankunft in Großbritannien haben 24 britische ParlamentarierInnen einen Appell lanciert, Biden möge auf die Verfolgung von Assange verzichten. In Genf, wo Biden am Mittwoch den russischen Präsidenten treffen wird, haben sich die grüne Bürgermeisterin Frédérique Perler, und der UN- Sonderberichterstatter über die Folter, Nils Melzer, mit der Assange-Partnerin Stella Morris zusammengetan, um das sofortige Ende seiner Haft in dem Londoner Belmarsh Gefängnis zu verlangen. „Wahrscheinlich einen der größten Justizskandale der Geschichte“, nennt der UN-Diplomat den Umgang mit Assange: „Er hat die Mächtigen herausgefordert, die Geschäfte im Verborgenen machen.“
In New York markiert die Veranstaltung mit den beiden Australiern für viele TeilnehmerInnen auch das Ende ihrer mehr als einjährigen Isolierung wegen der Pandemie. Ab kommendem Donnerstag wollen sie wieder wöchentliche Mahnwachen für Assange in der Haupthalle des Manhattaner Bahnhofs Grand Central abhalten. Auf den Stühlen für das Publikum haben sie einen Briefentwurf ausgelegt, den Assange-UnterstützerInnen an den neuen Justizminister in Washington, Merrick Garland, schicken können „Lassen Sie die Anklage gegen Julian Assange fallen“, heißt es darin. Gefolgt von der Erinnerung, dass das Auslieferungsbegehren gegen Assange ein Anliegen von Donald Trump war.
Sein Amtsvorgänger Barack Obama und der damalige Vizepräsident Biden, haben auf einen Auslieferungsantrag verzichtet. Weil sie wussten, dass eine Verfolgung von Assange für die Veröffentlichung von Informationen zugleich eine Kriegserklärung gegen die Medien insgesamt gewesen wäre, sagen die AktivistInnen.
Eine neue Hoffnung
Im Januar hat die britische Richterin Vanessa Baraitser in London das Auslieferungsbegehren der USA abgelehnt. Das wäre unvereinbar mit der psychischen Verfassung von Assange, begründete sie. Als die Trump-Regierung in Washington umgehend mit einem Berufungsantrag reagierte, entschied die Richterin, den 49-jährigen Assange weiter in dem Hochsicherheitsgefängnis zu halten. Assanges Familie hat sich lange alleingelassen gefühlt – auch von den großen Medien, die 2010 Teile der Wikileaks-Enthüllungen veröffentlicht haben.
Unter Biden schöpfen sie neue Hoffnung. „Dies kann ganz leicht gelöst werden“, ermuntert Assanges Bruder Gabriel Shipton den US-Präsidenten, „lassen Sie die Anklagen fallen. Sagen Sie der britischen Regierung, dass es reicht.“
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