Fake-Lebensläufe in der AfD: „Verpiss dich, aber schnell!!!“
Der AfD-Vorstand um Weidel und Chrupalla steht heftig in der Kritik wegen des laxen Umgangs mit der Hochstapler-Affäre. Der Ton wird deutlich rauer.
Etwaige Ordnungsmaßnahmen stehen noch aus – und der Vorstand hofft offenbar auch darauf, dass die EU-Kandidat*innen Arno Bausemer und Mary Khan-Hohloch von sich aus nach Falschangaben zu ihrem Lebenslauf von ihren Listenplätzen 10 und 14 zurücktreten.
Doch zumindest Khan-Hohloch, die auch noch mit dem Bundesschriftführer Dennis Hohloch liiert ist, sieht dazu offenbar keinen Bedarf. In einer ersten Reaktion auf Facebook räumt sie nach langer Funkstille zwar kleinlaut ein, „dass sie zum Zeitpunkt der Aufstellungsversammlung noch keinen Nachweis über ein abgeschlossenes Studium vorlegen konnte“.
Es tue ihr leid, nicht schon früher für Aufklärung gesorgt zu haben, „aber sie werde alles dafür tun, das verloren gegangene Vertrauen zurückzugewinnen“ und wolle sich weiter „für unsere Partei und unser Land“ einsetzen. Vom Verzicht auf den aussichtsreichen Listenplatz keine Spur also.
Die Basis der AFD ist sauer
Khan-Hohlochs Entschuldigung ohne ernsthafte Konsequenzen kommt in der Partei mäßig an: Der Bundestagsabgeordnete und Parteigründer Martin Renner schrieb grob beleidigend etwa auf Facebook: „Dieser letzte Post von Dir ist so ziemlich einer der abgründigsten Erklärungen und die Mitglieder voll verachtende Stellungnahme, die mir je zu Gesicht gekommen sind. Ich sage es mal ganz klar und unmissverständlich. Mädle, verpiss Dich, aber schnell“ – gefolgt von mehreren Ausrufezeichen, die sich in vielen Kommentarspalten und AfD-Chatgruppen fanden.
Die Basis bleibt sauer, auf den AfD-Kanälen ballt sich Hass und Empörung, sogar Rücktrittsforderungen gegenüber Weidel wurden laut. Die Bundessprecherin, die bei der entscheidenden Vorstandssitzung mit Abwesenheit glänzte, war ehemalige Arbeitgeberin von Khan-Hohloch und hatte sich auf dem Parteitag für sie stark gemacht.
Fragen zum Lebenslauf Khans bügelte sie schon auf dem Parteitag von Magdeburg ab mit dem Machtwort: „Angela Merkel macht Wahlen rückgängig, wir als AfD machen das nicht.“ Aber der Furor der Basis hielt an – und zwang den Vorstand schließlich zur Aufklärung.
„Der Basis ins Gesicht gespuckt!“
Bernhard Zimniok, Mitglied des Europaparlaments, schrieb in einer internen AFD-Telegram-Chatgruppe, er sei „zutiefst erschüttert“ über die Handhabung der Causa Khan und Bausemer: „Der Basis wird damit ins Gesicht gespuckt!“ Der AfD sei ein unermesslicher Schaden entstanden.
Die extrem rechte Partei wirft insbesondere jungen Politiker*innen anderer Parteien gerne „Karrierismus“ vor, hackte monatelang auf Außenministerin Annalena Baerbock herum, als sie Angaben zu ihrem Lebenslauf veränderte oder stichelt gerne gegen den SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert, der kein Studium abgeschlossen hat. Entsprechend fragt Zimniok: „Wie unterscheiden wir uns noch von den gerne durch uns kritisierten Altparteien?“
Chrupalla wich bei einem schmallippigen Statement auf der Fraktionsebene des Bundestags am Dienstag kritischen Nachfragen der Presse aus, ob es nun okay sei, in der AfD zu lügen. Weidel ließ sich dazu gar nicht erst befragen. Sie weilte währenddessen in Wien bei der FPÖ-Spitze und antwortete ebenso wenig wie Chrupalla auf Anfragen dazu.
In ihrem gemeinsamen Statement vom Dienstag hatten sie die Vorwürfe zwar bestätigt, aber keine ernsthaften Konsequenzen gezogen, sondern nur vage mögliche Ordnungsmaßnahmen angekündigt, „um dem erschütterten Vertrauen innerparteilich angemessen zu begegnen.“ Zugleich kursieren vage Drohungen des Spitzenpersonals, öffentliche Kritik als “Nestbeschmutzung“ zu stigmatisieren.
Ohne Antworten oder ernsthafte Konsequenzen dürfte es insbesondere für die Parteibasis wie Hohn klingen, wenn Weidel und Chrupalla wie in ihrer Mitteilung zur Hochstapler-Affäre schreiben: „Vertrauen, Glaubwürdigkeit und Transparenz sind maßgeblich für unsere Arbeit.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
SPD im Vorwahlkampf
Warten auf Herrn Merz
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut