Fahrradmesse Eurobike: Öko-Bikes mit Tücken
Elektroräder sind im Trend. Experten sehen darin eine Alternative zum Auto. Wie nachhaltig sind die Pedelecs?
„Elektrofahrräder sind in den letzten Jahren praxistauglicher geworden“, sagt Katrin Dziekan, Verkehrsexpertin des Umweltbundesamtes. „Die Akkus haben inzwischen eine größere Reichweite und halten länger.“ Die Hersteller zeigten allerdings kein großes Interesse daran, die sogenannten Pedelecs auch nachhaltig zu produzieren.
Laut dem Freiburger Öko-Institut verschlechtert der Akku die Ökobilanz der Pedelecs am meisten. Nach spätestens fünf Jahren sei er meist nicht mehr zu gebrauchen und muss ersetzt werden. Das verführt viele Besitzer dazu, ihre Räder dann einfach wegzuschmeißen – nicht gut für die Ökobilanz. Ein weiteres Problem: „Am häufigsten werden für Elektrofahrräder Lithium-Ionen-Akkus verwendet“, sagt Tobias Schleicher vom Öko-Institut. Der Abbau der dafür nötigen Rohstoffe ist das Problem. Die Akkus enthalten Kobalt, das zu großen Teilen aus der Demokratischen Republik Kongo stammt. „Die Arbeitsbedingungen sind dramatisch, auch Kinder leiden darunter“, sagt Schleicher.
Auch Lithium steckt in den Fahrradakkus. „Etwa ein Drittel der weltweiten Förderung findet in Chile statt, vor allem in den großen Salzseen der Atacama Wüse, und führt dort zu Wasserverschmutzung und Nutzungskonflikten“, so Schleicher. Dass die weltweite Recyclingrate von Lithium-Ionen-Akkus bei bestenfalls 20 Prozent liegt, hält Schleicher deshalb aus ökologischer und sozialer Sicht für bedenklich.
Beim Recyceln der Akkus könnten Kobalt und Nickel wiedergewonnen werden. „Die Rohstoffpreise sind bisher allerdings noch nicht hoch genug, das technische Verfahren ist für die Recyclingunternehmen nicht lukrativ“, sagt Schleicher.
Von den 2,6 Millionen Fahrrädern, die 2017 in Deutschland verkauft werden, haben 540.000 laut Industrieprognose einen Elektromotor.
99 Prozent davon sind sogenannte Pedelecs. Sie haben einen Elektromotor, der nur das Treten unterstützt und sich bei Geschwindigkeiten über 25 km/h abschaltet. Bezeichnet werden sie meist als E-Bikes – obwohl es sich dabei offiziell um schnellere Elektroräder handelt, die auch ohne Treten fahren.
Er betont jedoch: „Bei der Ökobilanz ist entscheidend, mit was man die Pedelecs vergleicht.“ Wer vom Fahrrad auf das E-Bike umsteigt, verschlechtert seine Umweltbilanz. Laut Studien sind Pedelecs aber immer noch deutlich nachhaltiger als alle anderen Verkehrsmittel mit Motor. Es stellt sich also auch die Frage, ob E-Bike-Käufer ihr neues Zweirad als Ersatz für ihr konventionelles Rad oder auch für andere Verkehrsmittel sehen.
Das E-Bike ersetzt auch Autos
„Viele nutzen das E-Bike statt des Autos“, sagt Peter Beckmann, Fahrradberater des ADFC. Siegfried Neuberger, Geschäftsführer des Branchenverbands ZIV Zweirad, sieht in den Käufern der E-Bikes aber vor allem Umsteiger, die vorher „normale“ Räder gefahren sind. Belastbare Zahlen gebe es dazu nicht. Viele Untersuchungen legen nahe, dass das E-Bike für die Fahrer das Auto ersetzt. Laut einer Studie von 2015 nutzen Pedelec-Besitzer zu 41 Prozent ihr Gefährt anstatt eines Autos.
Norwegische Forscher kamen zu ähnlichen Ergebnissen. Sie stellten zufällig ausgewählten Testpersonen E-Bikes zur Verfügung. Die Anzahl ihrer täglichen Radfahrten stieg um 50 Prozent. Außerdem nutzten sie es für längere Strecken als das konventionelle Rad.
Wenn immer mehr Menschen mit E-Fahrrädern fahren, stellt das allerdings die Infrastruktur vor neue Herausforderungen. So liegt es dem ADFC zufolge an der zunehmenden Zahl der Pedelecs, dass die Unfallzahlen mit Fahrrädern momentan anstiegen. „Schwerpunktmäßig nutzen immer noch ältere Menschen Pedelecs. Leichtere Unfälle können bei ihnen schon schwere Folgen haben“, sagt Floriane Lewer vom ADFC.
Weil Radwege oft noch unterdimensioniert seien, fordert der ADFC deren Ausbau. Auf lange Sicht müsse sich laut Lewer auch die Verkehrskultur wandeln. „Vorbild sind die Niederlande“, sagt sie. „Dort nehmen Autofahrer mehr Rücksicht.“
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