Fachkräftemangel in Berlin: Kein Bock auf Ausbeutung
Im Berliner Betriebspanel beklagen Arbeitgeber steigenden Fachkräftemangel. Dabei liegt es in ihrer Hand, die Arbeitsbedingungen zu verbessern.
A lle Jahre wieder beklagen Unternehmen einen angeblichen Fachkräftemangel und dass sie Schwierigkeiten haben, neues Personal zu finden. So auch in der Arbeitgeber*innenbefragung von 2021, dem Berliner Betriebspanel, das in dieser Woche vorgestellt wurde. Danach konnten 38 Prozent der ausgeschriebenen Stellen nicht besetzt werden. Das klingt auf den ersten Blick dramatisch, auf den zweiten Blick wird allerdings klar: Die Unternehmen haben sich dieses Grab selbst geschaufelt.
Schon der von der Kapitalseite verwendete Begriff „Fachkräftemangel“ verdreht die Tatsachen und verstellt den Blick auf die Ursachen der Misere: Es gibt weniger einen Mangel an qualifizierten Arbeitskräften als vielmehr einen Mangel an guten Arbeitsbedingungen. Spätestens seit der Corona-Pandemie hat sich der Wind gedreht, und viele Menschen sind nicht länger bereit, sich für wenig Geld maximal ausbeuten zu lassen – nur um am Ende kurz vor dem Burn Out zu stehen und die Gasrechnung trotzdem nicht bezahlen zu können, während die Dividenden der Unternehmen munter weiter steigen.
Nicht wenige Arbeiter*innen, die in Kurzarbeit die jahrelang selbstverständlich erschienene Last der täglichen Maloche nicht mehr tragen mussten, überlegten sich am Ende zweimal, ob sie in einen Job zurückkehren, der ihnen die Lebensfreude nimmt, aber nur wenig gibt. Das Narrativ, dass wir nur genug arbeiten müssen, um am Ende ein Leben in Wohlstand zu führen, funktioniert in Zeiten, in denen die Schere zwischen Kapital und Arbeit immer weiter auseinanderklafft, nicht mehr.
So ist es wenig überraschend, dass die Branchen mit dem höchsten Fachkräftebedarf das Gesundheitswesen und der Pflegebereich sind. Hier ist die Belastung besonders hoch, von einer fairen Bezahlung kann trotz aller Lobhudeleien durch die Politik keine Rede sein. Die Folge ist eine massive Abwanderung von dringend benötigten Fachkräften, was die Situation zusätzlich verschlimmert.
Die Lösung für die Misere liegt auf der Hand: Wer im Kapitalismus ein schlechtes Produkt anbietet und deshalb keine Abnehmer*innen findet, muss das Produkt verbessern, da hilft alles Jammern nicht. Die Unternehmen haben es selbst in der Hand: Entweder eine schmalere Rendite oder ein Betrieb ohne Arbeiter*innen – ohne die sich am Ende gar kein Gewinn erwirtschaften lässt. Für das Gesundheitswesen wäre das ohnehin die bessere Lösung, denn unsere Gesundheit lässt sich nicht mit Geld aufwiegen.
Doch was tun, wenn man trotz guter Arbeitsbedingungen und auskömmlichen Löhnen kein Personal findet? Hier ist die Politik gefragt. Noch immer sind Tausende Migrant*innen zum Nichtstun verdammt, weil sie keine Arbeitserlaubnis erhalten. Dass in Berlin mittlerweile auch geduldete Menschen einer Arbeit nachgehen dürfen, ist ein Schritt in die richtige Richtung, dem allerdings weitere folgen müssen.
Alle Geflüchteten müssen arbeiten dürfen
Was für die Ukraine-Flüchtlinge gilt – sofortige Arbeitserlaubnis und Bewegungsfreiheit – muss für alle Geflüchteten gelten. Berufsabschlüsse müssen leichter anerkannt werden, damit keine syrische Ärztin oder afghanische Lehrerin ungelernte Hilfsjobs annehmen muss. Auch dass Migrant*innen mindestens Deutschkenntnisse auf Niveau B1 nachweisen müssen, ist unnötig und kontraproduktiv.
Mit Blick auf den demografischen Wandel wird Deutschland nicht ohne Einwanderer*innen auskommen können. Das darf allerdings nicht dazu führen, dass Arbeiter*innen gegeneinander ausgespielt werden. Der Kampf für bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne muss unabhängig von Herkunft und Geschlecht geführt werden – und ist angesichts steigender Preise nötiger denn je.
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