Zuwanderung nach Deutschland: Runter mit den Erwartungen!

Viele TeilnehmerInnen an Integrationskursen erreichen die Sprachziele nicht. ForscherInnen schlagen vor, die Ziele bescheidener zu definieren.

Geflüchtete auf Bahnsteig

Die Sprache ist der Schlüssel, um anzukommen. Aber auch das Problem Foto: dpa

BERLIN taz | Schaffen zu viele Teilnehmende von Integrationskursen das Klassenziel nicht? Diese Annahme legt eine aktuelle Studie von zwei Mannheimer Forschungsanstalten nahe, die der taz vorliegt.

Das Goethe-Institut kommt zusammen mit dem Leibniz-Institut für Deutsche Sprache (IDS) zu dem Ergebnis, „dass der weitaus größte Teil der Untersuchten das angestrebte sprachliche Zielniveau“ nicht erreicht. Hiermit ist das Level B1 gemäß dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen (GER) gemeint.

Die Forscherinnen und Forscher hatten 38 Integrationskurse unter die Lupe genommen und untersucht, welche Deutschkenntnisse die Teilnehmenden an deren Ende besaßen. Erste Feststellung: Weniger als die Hälfte beendete den Kurs überhaupt. Davon wiederum seien lediglich 2 Prozent „klar dem B1-Niveau“ zuzurechnen. Wer diese Stufe erreicht, ist laut GER in der Lage, alltägliche Situationen zu meistern und sich über „vertraute Themen“ auszutauschen.

Sprachziel absenken

„Ziel eines Integrationskurses sollte es sein, dass ihn auch möglichst viele erfolgreich abschließen können“, sagt Dr. Ingo Schöningh, Leiter des Mannheimer Goethe-Instituts. Deswegen fordern er und sein Forscherteam, das angestrebte Sprachziel von Integrationskursen von B1 auf das niedrigschwelligere A2 zu senken. Auf diesem Niveau ist man gemäß dem GER-Standard dazu fähig, einem „einfachen und direkten Austausch“ in der deutschen Sprache beizuwohnen.

Neben Deutschland verlangen nur Dänemark und Großbritannien das Sprachniveau B1

Für Schöningh lautet die Frage, „in welcher Reihenfolge wir die Aufnahme von Migranten organisieren“. Soll heißen: Ist es nicht ausreichend, auf späteren Stufen der Integration die Anforderungen an die Sprachkenntnisse behutsam anzuheben?

Er verweist auf die Mitgliedstaaten des Europarats. Unter ihnen würden 13 Länder Sprachanforderungen für einen permanenten Aufenthaltsstatus formulieren. Der Clou: Neben Deutschland verlangen in dieser Gruppe nur Großbritannien und Dänemark das Sprachniveau B1 von den Zugewanderten.

Schwerer Vorwurf

Kritik an der Studie kommt vor allem vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf). Laut Behörde erreichte im Jahr 2018 ein Anteil von 62 Prozent der Kursteilnehmenden das Sprachniveau B1. Wie kommt diese Diskrepanz zu den Ergebnissen der IDS-Goethe-Studie zustande, die von einer Erfolgsquote in Höhe von 2 Prozent ausgeht? Konkret moniert das Bamf das Forschungsdesign der Mannheimer: Die 38 Kurse seien nicht repräsentativ, die von den Forschenden ausgewählten Themenfelder zu begrenzt.

Der zweite Schritt der Mannheimer Untersuchung hatte darin bestanden, die Absolventen der Integrationskurse einem Bewerbungsgespräch auszusetzen. Hier fielen 62 Prozent sogar unter das Niveau A2. Den fiktiven Gesprächssituationen in der Studie habe es aber an Authentizität gefehlt, bemängelte das Bamf. Daher biete die Studie nur erste Ansatzpunkte“ und habe keine darüber hinausgehende Aussagekraft.

Die Mannheimer Wissenschaftler haben eine andere Erklärung: Sie weisen daraufhin, dass das Bamf die Prüflinge gezielt auf den Abschlusstest vorbereite.

Das „Potenzial“ ist entscheidend

Die in den Blick genommenen Kurse bestanden zur Hälfte aus Menschen mit Fluchthintergrund. Die andere Hälfte setzte sich größtenteils aus EU-Ausländern zusammen. Zwei Gruppen seien laut der Untersuchung besonders benachteiligt in Sachen Spracherwerb. Zum einen nennen die Forschenden die „Spätausgewanderten“, also Menschen, die ihre „prägenden Jahre im Herkunftsland“ verbrachten. Zum anderen die „Unterprivilegierten“, welche um die 30 Jahre alt sind und keine nennenswerten Bildungs- und Arbeitserfahrungen haben. Beide Gruppierungen würden bereits ein Niveau von A2 mit sehr geringer Wahrscheinlichkeit erreichen.

Wie sollten die Kurse zusammengesetzt sein, um maximalen Lernerfolg zu garantieren? Die Antwort der IDS-Goethe-Studie: Neben den „offensichtlichen Gemeinsamkeiten“ wie dem Herkunftsland, der Erstsprache oder den gemachten Fluchterfahrungen sollte das „Potenzial“ der Geflüchteten darüber entscheiden, an welchem Kurs sie partizipieren.

Schöningh nennt die relevanten Faktoren: Bildung, Alter und Sprachbegabung. Auch der Deutsche Industrie- und Handelskammertag hatte die nicht ausreichenden Sprachkenntnisse der Kurs­absolventen kritisiert. Der Grund: Oftmals reichten sie nicht für eine Ausbildung aus.

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