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Facebook-Whistleblowerin warnt EUNeue Internet-Gesetze auf dem Weg

Frances Haugen ist zu Besuch bei der EU-Kommission, um vor Facebook zu warnen. Die Whistleblowerin wird ernst genommen.

Whistleblowerin Haugen zu Besuch in Brüssel am 8. November Foto: Geert Vanden Wijngaert/ap

Brüssel taz | Ist Facebook noch zu bändigen – und wenn ja, wie? Die amerikanische Whistleblowerin Frances Haugen hat die Europäische Union aufgefordert, strengere Regeln für Facebook und andere Online-Konzerne zu erlassen. Die EU könne einen neuen „Goldstandard“ für das Internet prägen, sagte sie am Montag bei einer Anhörung im Europaparlament in Brüssel. „Sie können der Welt zeigen, wie es geht“, dies sei „die Chance einer Generation“.

Facebook müsse mehr Sicherheitsmechanismen einbauen und diese auch öffentlich und transparent machen, sagte die ehemalige Mitarbeiterin des Konzerns. Nur so lasse sich die Ausbreitung von Hass, Extremismus und Falschinformationen eindämmen. Der Online-Gigant habe es zwar nicht auf die Spaltung der Gesellschaft angelegt, sein Geschäftsmodell profitiere jedoch von spalterischen Botschaften.

Haugen traf sich auch mit EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton. „Wir meinen es mit der Regulierung ernst, wir wollen keinen digitalen Wilden Westen“, sagte Breton nach dem Vier-Augen-Gespräch mit Haugen. Die digitale Welt brauche endlich verbindliche Regeln. Die EU-Kommission werde daher alles daran setzen, dass zwei neue europäische Internet-Gesetze für digitale Dienste und Märkte (DSA und DMA) schnell verabschiedet werden, so der Franzose.

Die geplanten EU-Gesetze sollen verhindern, dass „Big Tech“-Konzerne wie Facebook ihre marktbeherrschende Stellung ausnutzen. Außerdem will Brüssel die Konzerne darauf verpflichten, mehr gegen Desinformation, Fake News und Hate Speech zu tun. Genau für diesen Bereich war Haugen bei Facebook zuständig – bis sie die Brocken hinwarf und interne Dokumente an die Presse leakte.

Zur Begründung verwies sie darauf, dass der Konzern zu wenig gegen die Verbreitung von Desinformation unternehme und auch dafür zu wenig Personal einstelle. Die Verbreitung von Krawall-Nachrichten gehöre zum Geschäftsmodell von Facebook, kritisierte sie nach ihrem Abgang aus dem Konzern, wo sie in der Abteilung „Civic Integrity“ gearbeitet hatte. Damit wolle sie nicht mehr zu tun haben.

Haugen ist damit die ideale Gesprächspartnerin für das Europaparlament, wo sich die Abgeordneten derzeit auf Beratungen über die geplanten neuen Internet-Gesetze vorbereiten. „Mit tausenden internen Dokumenten hat Whistleblowerin Frances Haugen Beweise dafür vorgelegt, was wir jahrelang schon vermutet haben: Facebook nimmt wissentlich Schaden in Kauf für Profite“, erklärte die Chefin des Binnenmarkt-Ausschusses, Anna Cavazzini.

Die EU müsse personalisierte Werbung verbieten, „die der Kern des Geschäftsmodells der Plattformen sind“, fordert die grüne EU-Politikerin. Ähnlich äußerte sich der Ko-Vorsitzende der Linksfraktion, Martin Schirdewan. Facebook suche Aufmerksamkeit um jeden Preis und tue zu wenig gegen Hassrede, sagte er. Deshalb müsse „das auf ‚Engagement‘ basierende Ranking gestoppt werden und ein Verbot von personalisierter Werbung her.“

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3 Kommentare

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  • Man sollte das jetzt nicht so positiv darstellen.

    Hier ein besserer Artikel:



    www.heise.de/meinu...ament-6258420.html

  • Wir brauchen ein www dessen Nutzung je App etwas kostet und dafür ohne Datensammlung.



    Es war einer der größten Fehler der Menschheit zu glauben man könne umsonst eine neue Technikwelt betreten. Billig ist selten gut, alles hat seinen Preis...irgendwann.

    • @Tom Farmer:

      Da ist was Wahres dran, und der Preis ist um Zehnerpotenzen höher als wenn man dafür bezahlt hätte.



      Der durch Facebook verursachte Schaden dürfte die Marktkapitalisierung der Aktie übersteigen. Im Gegensatz zu Google, was uns doch die ein oder andere Errungenschaft gebracht hat, lebt Facebook einzig und allein davon Aufmerksamkeit zu rauben, positiver Nutzen geht gegen Null.