piwik no script img

Facebook und WhatsappJetzt ist aber wirklich Schluss

Unsere Autorin nutzt Facebook, Instagram und Whatsapp, obwohl sie es als Digitalredakteurin besser wissen müsste. Warum ihr das Loslassen so schwerfällt.

Eines der drei guilty pleasures darf erst einmal bleiben Foto: Reuters

E s ist mir peinlich, aber: Auf meinem Smartphone befinden sich die Apps von Facebook, Whatsapp und Instagram. Und ja, qua meines Amts als Digitalredakteurin sollte ich es besser wissen. Und nein, meine Arbeit ist nicht meine Ausrede. Warum ich die Apps immer noch nutze? Diese Frage stelle ich mir auch.

Nun also mal die harten Fakten: Ich besitze immer noch ein Facebookprofil, gleiches gilt für Instagram, und jetzt wird es ganz schmerzhaft: Ich nutze sogar immer noch Whatsapp. Eine gute Begründung habe ich dafür nicht. Ich nutze Facebook praktisch gar nicht, alle paar Wochen öffne ich die App, um sie kurze Zeit später gelangweilt zu schließen. Warum ich den Absprung noch nicht geschafft habe? Es ist mir schleierhaft.

Gleiches gilt für meine Nutzung von Whatsapp: Also ich persönlich würde ja sagen, wer spätestens nach dem letzten Update von Whatsapp sich der Problematik der App nicht bewusst ist, der hat den Schuss wirklich bewusst nicht hören wollen. Aber anstatt dass ich einige meiner Familienmitglieder davon überzeuge, sich auch Signal oder andere Messengerdienste anzuschaffen oder mir einfach eine solide SMS zu schicken, bleibe ich brav da, um ja jedes Update von Neffen, Nichten und Ur­omas nicht zu verpassen. Und seien sie noch so belanglos. Auf Instagram konsumiere ich wenigstens nicht nur den schönen Schein der anderen, sondern vor allem auch Nachrichten, informiere mich über die Arbeit von NGOs und lerne noch vieles dazu.

Menschenhandel sehe ich ja nicht

Aber scheinbar bin ich mit dieser Nicht-Loslassen-können-Problematik nicht allein. Schließlich wachsen die Apps stetig weiter. Bei Facebook beispielsweise ist die 3-Milliarden-Marke der Nut­ze­r:in­nen greifbar.

Nicht zuletzt durch die Whistleblowerin Frances Haugen wissen wir, dass wir durch Nutzung einen Konzern mit Daten und Macht füttern, den eigentlich niemand von uns mit gutem Gewissen unterstützen wollen würde. Warum tun wir es also doch? Vermutlich sind die Antworten äußerst vielschichtig und individuell. Einerseits, und ich will es mir kaum selbst eingestehen, leiden wir wohl alle in gewissem Maße an Fomo, also der Angst etwas zu verpassen. Seit dem Boom facebookähnlicher Plattformen war und ist man ja nur dabei, wenn man eben dort vertreten ist.

Gleichzeitig scheint das problematische Vorgehen des neu benannten Weltkonzerns auch meilenweit weg: Drogen – und Menschenhandel, Desinformationen und die Gefährdung der psychischen Gesundheit. Es wird suggeriert: Ich treffe doch einfach nur eine ganz persönliche Entscheidung, und im „Notfall“ bezahle ich dafür nur mit meinen eigenen Daten – den Menschenhandel sehe ich ja nicht.

Und jetzt? Wenn ich mir jetzt den traurigen Versuch einer Argumentation für eine weitere Nutzung dieser Plattformen so anschaue, kann es ja nur eine Lösung geben: jetzt ist aber wirklich Schluss. Zumindest mit Facebook und Whatsapp. Ein guilty pleasure gönne ich mir an dieser Stelle noch, bis mir auch da die schlechten Argumente ausgehen.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Malaika Rivuzumwami
Redakteurin taz zwei
Jahrgang 1994 | bei der taz seit 2016 | früher auf Deutschlandreise für taz.meinland & Editorial SEO für die taz | seit 2019 Redakteurin für Gesellschaft und Medien | spricht mit im Podcast Weißabgleich und schreibt die Kolumne Digital Naives | Interessiert sich für Datenpolitik, Fake News & Social Bots.
Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • occupy the system ob boycott the system!?!



    das kann man, in dem man neue kooperative dienste unterstützt.



    Aber auch mit dem gang durch die institutionen!



    Beides ist machbar!

    was wäre denn, wenn auf facebook oder instagram, welche man beide für nachrichten nutzen kann, FB noch viel besser als insta imho, nur idioten wären? dann würde der mainstream noch länger brauchen um aufgeklärt zu werden! Diesen punkt sollte man keineswegs die relevanz absprechen!

    FB ist ein spiegel der welt und diese welt verändert sich in dem man sie nutzt. ME eher zum guten als zum schlechten.



    Aber dh nicht, das es nicht besser geht.

    Wenn man das internet nicht mit relevanten daten füttern will, sollte man die daten gar nicht erst ans netz bringen! dann ist es auch egal, wieviel zugriff die apps haben!



    so kann man auch ungehindert alle streams beeinflussen und abgrasen, je nach bedarf.

    Man sollte in der tat die chance nutzen, das system von innen heraus zu ändern. bei whatsapp ist das wohl kaum machbar aber auch nich wirklich nötig, da man egtl volle kontrolle über die daten hat, die man teilt. wenn man es konsequent macht und darauf achtet, was man in sein handy oder PC eingibt!

    wenn man es sich leisten kann, und ohne die sozialen kontakte bei whatsapp oder die news und connections auf fb und insta verzichten kann und sie sogar durch andere konnektivitäten ersetzen kann, ist das auch gut.

    beides hat vor- und nachteile. wie so oft gelle.

  • "Es wird suggeriert: Ich treffe doch nur eine individuelle Entscheidung."

    Ja.

    Aber wir leben nun mal in einem bestimmten System. KEINER von uns kann komplett OHNE fragwürdige Entscheidungen leben, es sei denn, er wird kompletter Aussteiger.

    Man könnte soziale Netzwerke oder generell Internetseiten kostenpflichtig machen. Das würden sich dann einige leisten können, andere nicht. Alternativ zahlen wir mit Daten und Werbeeinblendungen.



    Wir sind aber nun mal jetzt alle im Internet, haben alle ein Smartphone, nutzen bestimmte Dienste, um Kontakt mit Verwandten zu halten oder mit Mitschülern und Kollegen oder um unser Hobby zu teilen. Das könnten wir alles auch lassen. Aber dann würden wir wieder wie unsere Eltern oder Großeltern in den 90ern leben.



    Es muss da doch auch einen Mittelweg geben.



    Wir sind die erste "Generation", der sich ständig die Frage stellt: "Meinen Alltag erhalten oder ein guter Mensch sein und auf das meiste Gewohnte verzichten?" Und die sich dann gut fühlt, wenn sie sich einschränkt oder Schuldgefühle hat, wenn sie ihren normalen Alltag weiterlebt. Das muss doch auch anders gehen?!

    • @BlauerMond:

      Das sitzt wieder der falschen Dichotomie auf, dass es zwischen (zu) kostenpflichtig und Datenmissbrauch nichts gäbe.

      Gibt es aber, sogar reichlich.

      Es kann mir zB kaum jemand weismachen, die 1€/Monat für einen E-Mailanbieter, der meine Mails nicht mitliest (posteo.de, mailbox.org), seien zu teuer. (Immerhin ein, wenn nicht DER zentrale, wichtige Teil des Internetlebens.)



      Oder die einmalig 2,99€ o.ä. für Threema.



      Oder Dienste zu nutzen, die sich über Spenden oder Stiftungen finanzieren. (Wie zB Signal, das ja zum großen Teil vom schlechten Gewissen eines der Whatsapp-Gründer lebt.)

      Den Link von unten poste ich gern auch noch einmal: digitalcourage.de/...eidigung/fediverse

  • Was für ein Unsinn! "Menschenhandel". Leider kommt weder das Wort noch der Sachverhalt in dem genannten "Beweis"-Link vor.

    Oder ist gemeint, dass auch MenschenhändlerInnen WhatsApp benützen? So wie die Deutsche Post Briefe von Mördern, Vergewaltigern, Steuerbetrügern, usw. transportiert?

  • Für das langsame Entwöhnen und Schmackhaftmachen von Alternativen kann ich das "Privacy Redirect"-Bowser-Addon empfehlen (github.com/SimonBr.../privacy-redirect).



    Wenn ich dann zB. da oben auf twitter.com/@MalaikaRivu klicke, lande ich bei einer der "Nitter"-Instanzen (ein alternatives, datensparsames Twitter-Frontend). Für Instagram geht es wohl auch (nicht probiert, kommt in meinem Leben nicht vor), für Facebook gibt es das nicht (dito).

    Wie auch immer: Hier steht noch mehr, insbes. der Hinweis, dass man ja auch die "Guten" benutzen kann, ohne den "Bösen" gleich komplett abschwören zu müssen (-> "Crossposting") -- digitalcourage.de/...eidigung/fediverse

  • Ich hätte mal einen Gegenvorschlag: gerade bei Ihrem Job.

    Schuldgefühle helfen gar nicht. Nutzen Sie die Chance und gehen Sie in sich:

    "Vermutlich sind die Antworten äußerst vielschichtig und individuell" -- das ist ja die eine Seite, sicher nicht falsch. Viel interessanter ist die andere: welcher Mittel bedienen sich diese Konzerne, um die Menschen an sich zu binden?

    Es liegt wohl auf der Hand, dass die ein ganzes Heer von Werbepsyhchologen dazu in Lohn und Brot halten. Es sind ja schliesslich alle Werbekonzerne [0]. Gehen Sie in sich, und versuchen Sie, diese Haken zu beschreiben und mit dem zu korrelieren, was Sie sehen. Ein Bisschen wie Huxley [1]: was macht die Droge mit mir?

    Ich bin davon überzeugt, dass -- gerade in Hinblick auf junge Menschen diese Monstermaschinen unter den Kriterien von Drogen betrachtet werden sollten.

    Eine Ressource, die dabei hilfreich sein könnte ist "Center for Humane Technology" [2], ins Leben gerufen von Tristan Harris [3], ein ex-Googlianer.

    [0] Manche würden behaupten, Apple sei das nicht: ich widerspreche. Die Struktur ist dieselbe; sie tun so, als verkauften sie ein Stück Tech, aber in Wirklichkeit ist es das Lebensgefühl. Darin unterscheiden sie sich wenig von den Luxus"mode"marken, das Metier von LVMH & Co., im erweiterten Sinn sind das m.E. "in-house" Werbefirmen.



    [1] en.wikipedia.org/w...n_and_Hell_(essay)



    [2] www.humanetech.com/



    [3] en.wikipedia.org/wiki/Tristan_Harris

  • Guter Artikel, jedoch eine kleine Korrektur: Mit WhatsApp bezahlt "man" nicht bloß mit seinen Daten, sondern mit den Daten ALLER im Adressbuch des Handies verzeichneten Kontakte, und das noch völlig ohne deren Wissen....