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FFF lädt R2G in Bremen ausKeine Zukunft für Parteien

Fridays for Future hat Bremens organisierte Politik vom Klimastreik am 20. September ausgeladen. Dabei findet sich die Regierung doch vorbildlich.

Der Klimaprotest bleibt lieber unvereinnahmt Foto: dpa

BREMEN taz | Die „Fridays for Future“-Bewegung (FFF) hat alle Bremer Parteien vom Klimastreik am kommenden Freitag ausgeladen. Die Begründung: „Keine entspricht in ihren Forderungen dem wissenschaftlichen Konsens oder hat einen konkreten Plan, wie das 1,5-Grad-Ziel geschafft werden soll.“ Gemeint ist damit die Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Niveau – wie es das Pariser Klimaschutzabkommen als Ziel vorsieht.

Vertreter*innen von SPD, Grünen und der Linkspartei reagieren verwundert: In einem gemeinsamen Brief an FFF weisen die die Kritik zurück und weisen auf die „großen Gemeinsamkeiten“ hin, die einander verbinde. „Ich finde es befremdlich, auch aus meinem Demokratieverständnis heraus, die Politik explizit auszuladen“, sagt die grüne Umweltsenatorin Maike Schaefer auf Nachfrage der taz. Die grünen Landesparteichefs Alexandra Werwath und Hermann Kuhn etwa haben schon ihre Teilnahme an der Demo am 20. September angekündigt.

Und auch die Linkspartei geht davon aus, „dass viele unserer Mitglieder sich an der Demonstration beteiligen werden“. Einen eigenen Block werde man aber organisieren, sagt Landessprecher Felix Pithan – ein Zugeständnis an die Ausladung durch FFF. „Alleinvertretungsansprüche helfen uns nicht weiter“, sagt die SPD-Landesvorsitzende Sascha Aulepp, die weiterhin „auch durch die Teilnahme an Großdemonstrationen“ Überzeugungsarbeit für gesellschaftliche Mehrheiten leisten will.

Schaefer verweist darauf, dass Rot-Grün-Rot für seine klimapolitischen Ambitionen von anderer Seite durchaus gelobt worden sei, Pithan führt an, dass Bremen als erstes Bundesland eine Klimanotlage ausrufe, die Innenstadt autofrei und der Nahverkehr ausgebaut werde und die Energiesparmaßnahmen an öffentlichen Gebäuden in der Stadt „massiv“ vorangetrieben würden. Zugleich habe FFF Recht, „dass die bisher vereinbarten Maßnahmen nicht ausreichen werden, um die Emissionen so stark abzusenken, wie es das 1,5 Grad-Ziel erfordert“, sagt Pithan.

Forderungen for Future

Die fünfzehn Forderungen der Fridays for Future Bremen

1. Kohlekraftwerke bis 2020 abschalten!

2. Dezentrale Solarenergienutzung ausbauen!

3. Stahlwerke: ab 2025 klimaneutral!

4. Gebäude klimaneutral bauen, Altbauten bis 2030 modernisieren!

5. Keine Flächen versiegeln!

6. Bremen und Bremerhaven ab 2030 autofrei!

7. ÖPNV ab 2021 kostenlos machen!

8. Mittel für Radverkehr bis 2022 verfünffachen!

9. Verbot von Flügen von einer Distanz geringer als 600 Kilometer vom Airport Bremen!

10. Keine Subventionen für tierische Produkte in öffentlichen Küchen mehr!

11. Mit Aktionen wie „Veggie-Tag“ oder „Fleischlose Wochen“ über nachhaltige Ernährung aufklären!

12. Über Auswirkungen von Lebensmittelverschwendung aufklären!

13. Wochenmärkte mit regionalen Produkten fördern!

14. Die Weser renaturieren, Wälder aufwerten!

15. Klimakrise in die Lehrpläne!

In der offiziellen Antwort von Rot-Grün-Rot steht dagegen, man könne „natürlich unterschiedlicher Meinung sein“, ob die vereinbarten Maßnahmen „konsequent genug“ seien. Im Übrigen verweisen die drei Parteien darauf, dass im Koalitionsvertrag steht: „Wir bekennen uns“ zu dem Ziel, die Erderwärmung „auf deutlich unter 2 Grad Celsius zu begrenzen“.

Das wiederum reicht FFF bei Weitem nicht aus. Das sei „mal wieder eine viel zu ungenaue Formulierung“, monieren die SprecherInnen von FFF: „Deutlich unter zwei Grad“ ist kein „ambitionierter Klimaschutz.“ FFF „erwartet von einer progressiven rot-grün-roten Landesregierung“ zumindest „Ambitionen“ für eine „radikale sozial-ökologische Wende“. Der Koalitionsvertrag gibt für Bremen das Ziel aus, bis 2030 die Treibhausgasemissionen gegenüber 1990 um 80 Prozent zu reduzieren. FFF findet das „unverantwortlich“ – Bremen müsse „zumindest die Grüne Null schaffen“.

Rot-Grün-Rot sieht schon in dem Betreff „Ausladung #AllefürsKlima“ einen „bemerkenswerten Widerspruch“. Die FFF-Aktivist*innen wollen den Vorwurf eines mangelhaften Demokratieverständnisses dagegen nicht gelten lassen: „Wir sehen einen weitaus größeren Widerspruch darin, dass ihr als Politiker*innen auf eine Demonstration gehen möchtet, die sich gegen eure eigene Klimapolitik richtet“, antworten sie.

Im Gespräch miteinander bleibt man trotzdem: FFF lud unter anderem Umweltsenatorin Schaefer für den 23. September zu einer Podiumsdiskussion ein – und die hat auch zugesagt.

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17 Kommentare

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  • mir soll's gleich sein ...

    ich mache um eine fff-demo einen riesigen bogen.

    warum ?

    weil ich bisher keine vorbildliche und beispielhafte alltagsaktion und -reaktion der mitläufer erlebt habe.

    vor den sommerferien machte ich ein simples experiment:

    bevor der demozug zum marktplatz kam, legte ich eine plastiktüte und einen kaffeebecher mit plastikdeckel in den weg.

    ich wollte schauen, ob sich wer bückt und die artikel aufhebt und zwei meter weiter in einen abfallkorb wirft.

    ergebnis: niemand bückte sich.

    ich habe beides anschliessend entsorgt.

    so wie ich auch oftens an der weser müll aufsammele.

    für sich sind wahre helden, kinder und jugendliche, welche bei seashepherd engagiert sind.

    • @adagiobarber:

      Ihnen ist schon bewusst, dass der Plastikmüll nun nach Asien exportiert wird, hätten Sie diesen liegen gelassen, wären weniger CO2 Emissionen entstanden und der Plastikabfall wäre nicht auf Weltreise gegangen! Ja, nicht nur die Deutschen reisen, auch deren Plastikabfall. Am deutschen Plastikwesen wird ganz offensichtlich nicht die Welt genesen!



      www.sueddeutsche.d...ufhoeren-1.4418422



      www.nabu.de/umwelt...cycling/26205.html

  • Gut so.



    R2G sollte ein anderes Podium nutzen, um seine klimapolitische Glaubwürdigkeit zu demonstrieren: einfach machen.

    • @nelly_m:

      Jepp. Its an own nose proplem.

  • Affige Selbstisolation. Schade das autonomes Sektentum bis in solche Kreise vorgedrungen ist

  • So, und wieviele der Aktiviasten können ausrechenen welche Aktivität der Stadt zu einer Einhaltung eines 1,5 Grad Zieles führen?

    • @Martin_25:

      Sie können das?



      Das hätte ich doch sehr gerne genau aufgeschlüsselt.

      Und zum 1,5 grad Ziel beitragen wäre wohl treffender ;)

  • „Wir sehen einen weitaus größeren Widerspruch darin, dass ihr als Politiker auf eine Demonstration gehen möchtet, die sich gegen eure eigene Klimapolitik richtet“



    Sehr treffend formuliert!

  • In Bremen wird die Innenstadt autofrei, wie im obigen Artikel und hier erwähnt:

    www.weser-kurier.d..._arid,1840057.html

    Wann kommt das endlich für Berlin!

    • @Anna Minerva:

      Die Innenstadt ist ja auch bereits weitestgehend autofrei. Da kann man das dann fein als Maßnahme hochjubeln.

      Aber wie in dem Zusammenhang die Anbindung des ÖPNV an die Stadtteile und dem Umland verbessert werden soll, wann die Radschnellwege für Gesamtbremen kommen, darüber schweigt sich weiterhin die Koalition, wie auch die in Berlin aus.

      • @Rudolf Fissner:

        Immerhin ist Bremen da schon weiter als Berlin, München, Stuttgart, Köln und Hamburg. Und die Innenstadt in Berlin ist ja nun wirklich alles andere als weitestgehend autofrei!

  • Eine gute und konsequente Entscheidung!

    „Wir bekennen uns“ ... reicht nicht. Bei eine regierenden Koalition will man Ergebnisse sehen, Maßnahmen die umgesetzt werden.

    Insbesondere dann wenn die beteiligten Parteien sich schon seit Jahren bekennen und regieren!



    Wann kommen flächendeckend die Radschnellwege, das 365€ Ticket, die Brücken über die Weser. Warum gibt es nur klitzekleine Planungen für einen Innenstadtring? Bremen hat 88 Stadtteile!

  • Bin ich als Politiker dazu verpflichtet, mir den Segen von FFF zu holen? Ist FFF jetzt die für alle Fragen grundsätzlich legitimierte Instanz, welche vor jeder Entscheidung befragt werden muss und deren Ansichten stets richtig und alternativlos sind? FFF darf gerne vieles fordern und auf do manches aufmerksam machen, die demokratisch gewählten VolksvertreterInnen sind sie nicht.

    • 0G
      05653 (Profil gelöscht)
      @Weidle Stefan:

      "Bin ich als Politiker dazu verpflichtet, mir den Segen von FFF zu holen?

      Wenn Sie einen externen Berater brauchen, stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.

    • @Weidle Stefan:

      "...deren Ansichten stets richtig und alternativlos sind? FFF darf gerne vieles fordern ... die demokratisch gewählten VolksvertreterInnen sind sie nicht." - Hach dieser AFD Sprech hält wirklich in allen Parteien EInzug. Fakt ist: Demonstrationen auf denen Flaggen wehen sind keine freien Demonstrationen mehr sondern werden vereonnahmt. Ich finde FFF hat einen klugen Schritt unternommen. Wer etwas bewegen will MUSS sich freimachen von Abhängigkeiten - und Parteien sind eine enorme Abhängigkeit.

      • @fröhlensic:

        Fakt ist Demonstrationen auf denen Flaggen verboten sind sind keine freien Demonstrationen mehr. Hier wird versucht von oben herab den Eindruck einer einheitlichen Masse unter der Führung der Demoleitung durch zu drücken.



        Man kann nur hoffen das sich möglichst viele dieser autoritären Anmaßung widersetzen und ihre Symboliken zeigen

    • @Weidle Stefan:

      .. . nein, sind sie nicht. sie sind das volk. alle macht geht.. . ach, egal. wen kümmert's; sind ja nur kinder.

      FFF wehrt sich mit deutlichen worten gegen vereinnahmung durch parteien, die die macht hätten, die notwendigen & klar formulierten forderungen umzusetzen, es aber nicht tun. darum haben sie auf der demonstration nichts verloren. ein erscheinen im parteimantel wäre zur schau getragene heuchelei.

      sollen sie doch als privatpersonen teilnehmen, das wird ihnen sicher kein mensch absprechen.