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FES-Landeschef zu Indiens Regionalwahl„Modis disruptive Politik geht weiter“

Der überraschende Sieg der Regierungspartei bei der Regionalwahl sei ein Zeichen für Premier Modi, sagt, Marc Saxer, Leiter der Friedrich-Ebert-Stiftung in Delhi.

Anhänger von Modis Regierungspartei BJP bejubeln das regionale Wahlergebnis der indischen Partei Foto: dpa
Lalon Sander
Interview von Lalon Sander

taz: Herr Saxer, die hindunationalistische BJP hat in Indiens größtem Bundesstaat Uttar Pradesh fast drei Viertel der Parlamentssitze gewonnen. Hat sie das überrascht?

Marc Saxer: Ich glaube, die meisten politischen Beobachter waren überrascht. Wir waren alle von einem Kopf-an-Kopf-Rennen ausgegangen.

Ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen wem?

Uttar Pradesh ist ein wenig wie Nordrhein-Westfalen in Deutschland. Es ist mit 200 Millionen Einwohnern der größte Bundesstaat und die Landeswahl wird als Stimmungsbarometer für die nächste Bundeswahl gesehen. Die BJP stellt die Bundesregierung und hat deshalb viel investiert. Die Regierungspartei von Uttar Pradesh, die “Partei des demokratischen Sozialismus“, und die zweite Volkspartei Indiens, die Kongresspartei, hatten sich dagegen verbündet. Die Erwartung war, dass beide Seiten etwa gleich stark sein würden. Dass die BJP so deutlich siegt, ist für Premierminister Narendra Modi ein klares Zeichen.

Wenn man sich aber die Stimmanteile anschaut ist der Sieg nicht so deutlich. Die BJP hat zwar drei Viertel der Sitze aber nur 40 Prozent der Stimmen erhalten.

Das ist ein Ergebnis des Mehrheitswahlrechtes hier in Indien, aber ich denke, das Ergebnis ist dennoch eine Stärkung Modis. Er hatte zuletzt eines der größten ökonomischen Experimente der Menschheitsgeschichte gemacht und über Nacht 85 Prozent des Bargelds in Indien für ungültig erklärt. Mehrere Wochen stand alles still und die Menschen standen stundenlang an Automaten, um Geld zu bekommen. Das heißt: Jeder Wähler war von der Maßnahme persönlich betroffen und trotzdem hat die BJP gewonnen.

Wie kommt das?

Bild: FES India
Im Interview: 

Marc Saxer, 43, ist der Landesvertreter der Friedrich-Ebert-Stiftung in Indien.

Die BJP hat eine effektive Erzählung: Indien war über Jahrzehnte ökonomisch wie politisch im Morast und nun kommt der starke, saubere Mann und bringt Entwicklung. Die politischen Programme heißen entsprechend auch “Sauberes Indien“, “Saubere Energie“, “Sauberes Budget“ – überall geht es darum, dass sauber gemacht wird. Das war auch bei der Banknotenpolitik der Fall: erzählt wurde, dass so die Schwarzgeldreserven der korrupten Elite zerstört würden.

Was bedeutet dann diese richtungsweisende Wahl für die Politik in Indien?

Bis zur Bundeswahl in zwei Jahren kann noch viel passieren und Modi hat noch viel vor. In Indien müssen derzeit mehr als eine Million Arbeitsplätze pro Monat geschaffen werden – und zwar die nächsten 30 Jahre lang. Modi ist mit dem Versprechen, Jobs zu schaffen angetreten, und daran will er sich messen lassen. Nur bisher ist es ihm nicht gelungen. Nach diesem Ergebnis wird er sich weitere disruptive Schritte trauen wie die Banknotenpolitik.

Uttar Pradesh ist seit mehreren Jahren am schlimmsten von Pogromen betroffen. Was bedeutet der Sieg der Hindunationalisten für den Bundesstaat?

Alle Parteien in Indien betreiben als Teil ihres Repertoires auch Identitätspolitik, die BJP etwas virtuoser als die anderen. Meist passieren solche Ausschreitungen aber zu Wahlen und nach der jetzigen Wahl wird es vielleicht weniger Anlass geben, solche Aktionen einzusetzen.

Neben der Wahl in Uttar Pradesh gab es ja noch vier weitere und eine ist besonders interessant: In Punjab hat die Antikorruptionspartei AAP 20 von 117 Sitzen geholt.

Diese Wahl war auch für die AAP richtungsweisend. Die Partei macht der BJP ihre Erzählung streitig: Als Antikorruptionspartei behauptet sie auch für sich, Indien sauber machen zu wollen – ihr Wahlzeichen ist sogar der Besen. Und sie hat mit ihrem Sieg bei der Wahl in Delhi vor zwei Jahren der BJP eine empfindliche Niederlage zugefügt. Die meisten regionalen Parteien schaffen es nicht aus einem Bundesstaat hinaus und die Frage war, ob es die AAP schafft? Das Ergebnis ist durchaus ein Achtungserfolg.

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