FDP und Waffenlieferungen: Lindners Dilemma
Die FDP spricht sich auf ihrem Parteitag für schwere Waffen für die Ukraine aus. Eine echte Distanzierung von Kanzler Scholz und der Ampel? Wohl kaum.
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Z uweilen ist es nicht ganz einfach, Christian Lindner zu folgen. Das lag nicht an der schlechten Übertragung seiner Rede beim FDP-Bundesparteitag – coronabedingt musste der FDP-Chef aus Washington zugeschaltet werden –, sondern an seiner Widersprüchlichkeit. Lindner sprach Olaf Scholz beim Ukrainekrieg explizit sein Vertrauen aus und stärkte dem in die Kritik geratenen Bundeskanzler den Rücken.
Gleichzeitig befürwortet Lindner aber die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine – was wiederum die Kernkritik an Scholz betrifft. So richtig passt das nicht zusammen. Aber es verdeutlicht das Dilemma, in dem sich der Parteichef derzeit befindet: Er muss Regierungsverantwortung zeigen und gleichzeitig das Profil seiner Partei schärfen – schließlich stehen im Mai Landtagswahlen in NRW und Schleswig-Holstein an.
Doch in der Ampelregierung knirscht es an allen Ecken und Enden. Die Impfpflicht, die SPD und Grüne befürworteten, ist gescheitert, und das lag vor allem an der FDP. Und die Diskussion über den Sinn oder Unsinn eines Tempolimits scheint gerade zum Streit-Evergreen in der Koalition zu werden. Lindner kann es sich derzeit nicht leisten, den Koalitionsfrieden zu gefährden.
Der FDP-Chef überließ die offen geübte Kritik deshalb lieber Parteikolleg:innen – allen voran Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die derzeit mehr Aufmerksamkeit auf sich zieht als die Bundesverteidigungsministerin. Dass die FDP in einem Beschluss nun schwere Waffen fordert, mag auf den ersten Blick konfrontativ wirken – es ist aber eher ein rhetorischer Aufstand.
Der Beschluss fordert zwar „die Lieferung hochwirksamer und dabei auch schwerer Waffen“, die von der Armee sofort eingesetzt werden können, oder Schulungen von Soldat:innen „außerhalb der Ukraine“ – wie realistisch das alles ist, ist aber eine ganz andere Frage. Im Grundsatz verfolgt der Beschluss die Linie des Kanzlers: Alles soll mit den Bündnispartnern abgestimmt sein, die Verteidigungsfähigkeit darf nicht leiden, Deutschland soll nicht Kriegspartei werden.
Lindner bleibt der Ampel treu, auch weil er aus Erfahrung weiß, dass seine Klientel Oppositionsgebaren in Regierungsverantwortung auch hart bestrafen kann. Sein strategischer Hauptgegner bleibt deshalb die Union. Beide Parteien wollen im konservativ-bürgerlichen Spektrum punkten. Der Union, die gerade droht, das 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen für die Bundeswehr zu torpedieren, wirft Lindner angesichts des Kriegs unverantwortliches Handeln vor. Was er aber nicht sagt: Die Union kann diese Macht nur demonstrieren, weil die Ampel bei strittigen Themen so instabil ist.
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