FDP-Parteitag: Bangen um den schwarz-gelben Traum
Die Liberalen sind angeschlagen. Doch Christian Lindner versucht sie auf dem FDP-Parteitag als einzige Rettung vor Schwarz-Grün in Szene zu setzen.
![Christian Lindner steht nach beim Bundesparteitag der FDP vor der Bundestagswahl winkend auf der Bühne. Christian Lindner steht nach beim Bundesparteitag der FDP vor der Bundestagswahl winkend auf der Bühne.](https://taz.de/picture/7519105/14/37637065-1.jpeg)
„Es geht um mehr als Wirtschaft und Migration. Es geht um alles“, heißt es im Leitantrag. Diese Pathosformel hat einen Doppelsinn. In den Umfragen dümpelt die Partei bei 4 Prozent. Wolfgang Kubicki sieht die Liberalen vor einem Endspiel. Wenn die Partei an der Fünfprozenthürde scheitere, werde sie „über kurz oder lang aufhören zu existieren“, so der FDP-Vize in der Welt am Sonntag.
Dieses Szenario beschäftigt manche. Am Rande des Parteitags sagt ein Funktionär, anders als im Endspurt zur Bundestagswahl 2013, als die FDP aus dem Bundestag flog, hätten bislang keine Mitarbeiter im Genscher-Haus gekündigt. Immerhin.
Die Lage ist schwierig. Parteichef Christian Lindner ist geschwächt, seit Teile der Fraktionsspitze ihm bei den Migrationsanträgen im Bundestag die Gefolgschaft verweigerten. Die FDP-Spitze betont zwar, die gesamte Partei wolle eine restriktivere Einwanderungspolitik. Doch Fraktionsvize Konstantin Kuhle, Vertreter des sozialliberalen Flügels, trug den Kurs, für das Zustrombegrenzungsgesetz mit der AfD im Bundestag abzustimmen, nicht mit – wie 22 andere liberale Mitglieder des Bundestags. Gespalten in einer zentralen Frage kurz vor der Wahl – schlechtes Timing.
Merz stichelt gegen FDP
Und dann kracht es auch noch im bürgerlichen Lager. Union-Kanzlerkandidat Friedrich Merz ätzte, dass „4 Prozent 4 Prozent zu viel für die FDP“ seien – ein Frontalangriff auf die Existenz der Liberalen. In Potsdam beschwor Kristina Schröder, Ex-CDU-Familienministerin, schwarz-gelbe Gemeinsamkeiten. Union und FDP müssten zusammen „woke Deutungsmacht“ bekämpfen. Es müsse nicht so sein, dass „die FDP gewinnt, was die Union verliert“ – und vice versa. Die FDP müsse Nichtwähler mobilisieren. Doch das klang nach Wunschdenken. In der Union spielt Schröder machtpolitisch keine Rolle mehr. Im schwarz-gelben Lager herrscht zwei Woche vor der Wahl eher Krieg als Kampf.
Christian Lindner stichelt in Potsdam am Ende einer umjubelten Rede zurück. Friedrich Merz werde als Kanzler ein „Fall für betreutes Regieren“. Dass Merz Mehrheiten mit der AfD in Kauf genommen habe, zeige dessen Grenzen. Denn eine wünschenswerte härtere Migrationspolitik könne sowieso nur die neue Bundesregierung durchsetzen. „Welche Berater hat Friedrich Merz?“, fragt Lindner. Außerdem habe Merz mit den Migrationsanträgen im Bundestag dafür gesorgt, dass Migration Wirtschaft als Thema Nummer eins im Wahlkampf verdrängt habe.
Dass die FDP in der Frage im Bundestag gespalten war, erwähnte der FDP-Chef nicht. Zudem ließ der FDP-Chef die bekannten liberalen Thesen Revue passieren. Nur die FDP werde die Wirtschaft wieder in Schwung bringen. Viele würden in Deutschland „Arbeit für die lästige Unterbrechung der Freizeit“ halten. Robert Habeck, Lieblingsfeind der FDP, sei „die größte Wachstumsbremse in dem Land“.
Lindner erneuerte die Ansage, die FDP werde keinesfalls mit den Grünen regieren. Nur wer FDP wähle, verhindere eine drohende schwarz-grüne Regierung, die dem irrlichternden Merz zuzutrauen sei. „Die entscheidende Frage ist: Lindner oder Habeck im Kabinett?“, ruft Lindner in den Saal in Postdam. Die liberalen Delegierten springen begeistert auf. Mit dieser Formel scheint der FDP-Chef die Partei hinter sich zu versammeln. Dass eine schwarz-gelbe Mehrheit am 23. Februar ein Wunder wäre, interessiert in diesem Moment nicht.
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