FDP-Parteitag: Die Gefühle Philipp Röslers
Der gescheiterte Vorsitzende tritt von allen Ämtern zurück. Auf dem Sonderparteitag wirft Rösler der FDP vor, ihm den nötigen Rückhalt verweigert zu haben.
BERLIN taz | Beim Sonderparteitag der Liberalen in Berlin ist Philipp Rösler am Samstag wie angekündigt von allen Parteiämtern zurückgetreten. In seiner Rede wurde der Vierzigjährige durchaus gefühlig. „Das tut mir am meisten weh: dass ich Ihre Erwartungen nicht erfüllen konnte“, sagte er den Delegierten. Der Wahlabend sei „der bitterste Abend in der Geschichte der Partei“ gewesen. Wenn er heute im Bundestag „auf die ehemaligen Plätze der FDP blicke, dann tut das schon weh“.
Der Sonderparteitag war einberufen worden, um nach der Wahlniederlage der Liberalen der Partei eine neue Führung zu geben. Am 22. September war die FDP mit 4,8 Prozent an der Fünfprozenthürde gescheitert und erstmals seit ihrer Gründung aus dem Parlament ausgeschieden. Nun, beim Parteitag in Berlin-Kreuzberg, gab es ein Wiedersehen der Basis mit ihrer einstigen Führung.
Schon zuvor war klar, dass bei diesem Parteitag eine für die Liberalen neue Schonungslosigkeit Platz greifen würde. Während der designierte Bundesvorsitzende Christian Lindner in einem Interview der Süddeutschen Zeitung seiner Partei bescheinigt hatte, bei den Wählerinnen und Wählern den Eindruck „einer Wolfsgemeinschaft, eines Rudels“ hinterlassen zu haben. Auch der Schleswig-Holsteiner Wolfgang Kubicki, der als Lindners Stellvertreter kandidiert, attestierte den Liberalen in der Rheinischen Post unmittelbar vor Parteitagsbeginn „großmäuliges Auftreten“, „nicht gehaltene Versprechen“ und „das jämmerliche Bild, mit mangelnder Souveränität in den Wahlkampf zu gehen“.
In Berlin versammeln sich denn also nicht nur die Delegierten einer gedemütigten Partei, die nur noch in einem einzigen Bundesland, Sachsen, in der Regierung sitzt. Es versammeln sich auch die Teilnehmer jenes internen Umgangs, über den sich selbst Philipp Rösler in seiner Abschiedsrede beklagt. Seine halbe Stunde Redezeit, die ihm die Parteitagsregie eingeräumt hat, nutzt er nicht einmal ganz aus. „Ich hätte mich über ein bisschen mehr Rückhalt im ganzen Team gefreut“, sagt er nun. Zu oft habe er als Parteichef alleine dagestanden, ohne dass ein starkes Team ihn unterstützt hätte. Gleichwohl habe er es nicht geschafft, „aus den unterschiedlichen Charakteren ein starkes Team zu bilden“.
Inhaltlich sei es ihm nicht gelungen, einzulösen, was er 2011 bei seiner Wahl zum Parteivorsitzenden versprochen habe. „Ab heute wird geliefert“, rief er damals den Delegierten zu. „Am Ende“, sagt Rösler jetzt vor den Delegierten, „wurde dieser Satz auf eine Botschaft reduziert, intern und extern“. Im Wahlkampf sei es ihm nicht gelungen, die Partei zu motivieren und so die Kehrtwende für die Bundestagswahl zu steuern. Deshalb: „Die letzte Pflicht eines Vorsitzenden ist es, den Weg frei zu machen für eine inhaltliche Erneuerung.“
Trotzdem lässt Philipp Rösler nichts auf seine FDP kommen. Er sei nun zwanzig Jahre Liberaler, „die Hälfte meines Lebens“, sagt der Vierzigjährige. Die Partei sei seine „Heimat, mein Zuhause. Ich blicke zurück mit großer Dankbarkeit“, sagt er in den Applaus der Delegierten hinein. Seine Mundwinkel zucken schon. „Auch wenn ich jetzt weg bin, ich werde nie aus der deutschen Politik weg sein.“ Ende der Rede.
Die Delegierten bedenken jenen Mann, der sie – gemeinsam mit dem Spitzenkandidaten Rainer Brüderle – ins bundespolitische Aus geführt hat, mit einem fairen Applaus. Gut eine Minute dauert er an, die meisten erheben sich von ihren Plätzen. Rösler kämpft gegen seine Gefühle an. Er nestelt an seinem Jackettknopf, lässt sich von seinem Freund und Generalsekretär Patrick Döring in den Arm nehmen. Von Brüderle gibt's einen Händedruck. Und das war sie, die Zeit des Philipp Rösler als Vorsitzender der Freien Demokratischen Partei.
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