FDP-Krise nach „Dday“-Papier: Ex-Justizminister Buschmann wird neuer FDP-Generalsekretär
Nach dem Rücktritt von Bijan Djir-Sarai wird Ex-Justizminister Marco Buschmann neuer FDP-Generalsekretär. Seine Partei steht weiter in der Kritik.
Buschmann sagte der „Bild“-Zeitung, „ich fühle mich durch das große Vertrauen sehr geehrt“. Die FDP müsse jetzt zeigen, dass sie die besten Antworten habe, um die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen und die Freiheit jedes einzelnen Menschen vor Bürokratie und staatlicher Übergriffigkeit zu schützen. „Das ist jetzt unsere Aufgabe.“
Vordringlichste Aufgabe von Buschmann ist die Organisation des Wahlkampfs der FDP für die geplante vorgezogene Bundestagswahl. Diese soll am 23. Februar stattfinden.
FDP steht weiter in der Kritik
Die FDP befindet sich momentan in schweren Turbulenzen. Am Freitag hatten Djir-Sarai und Bundesgeschäftsführer Carsten Reymann Konsequenzen aus dem Bekanntwerden eines Strategiepapiers der Liberalen zum Ampel-Ausstieg gezogen und waren zurückgetreten. Das sogenannte „D-Day“-Papier war am Vortag bekanntgeworden. Es enthält ein detailliertes Szenario für den Ausstieg der FDP aus der Ampel mit SPD und Grünen. In ihm ist zum Beispiel davon die Rede, dass der „ideale Zeitpunkt“ für einen „avisierten Ausstieg“ aus der Koalition zur Mitte der 45. Kalenderwoche zwischen dem 4. und 10. November liegen könnte. Eine Pyramidengrafik benennt vier Phasen, die letzte davon ist betitelt: „Beginn der offenen Feldschlacht“.
Am 6. November kam es tatsächlich zum Bruch des schon lange kriselnden Bündnisses – indem Kanzler Olaf Scholz (SPD) bei einer Sitzung des Koalitionsausschusses Christian Lindner als Finanzminister entließ.
SPD und Grüne kritisierten auch am Wochenende ihren früheren Koalitionspartner FDP scharf. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte, Parteichef Lindner und seine FDP hätten die Arbeit der Ampel-Regierung über Monate hinweg „systematisch sabotiert“. „Sie wollten aktiv verhindern, dass diese Bundesregierung erfolgreich ist“, sagte Scholz bei einer Wahlkampfkonferenz der SPD am Samstag in Berlin. „So etwas darf in Deutschland nie wieder passieren.“ Grünen-Chefin Franziska Brantner bezweifelt, dass Lindner keine Kenntnis vom „D-Day“-Papier hatte.
Lindner hatte zum Arbeitspapier seiner Partei gesagt, dieses sei nie in politischen Gremien besprochen worden, und er habe davon keine Kenntnis gehabt. Den Mitarbeitern, die das Papier entworfen hätten, mache er keinen Vorwurf. „Ich trage die Gesamtverantwortung für die FDP, und zu der bekenne ich mich auch“, sagte er in den ARD-„Tagesthemen“. Die FDP muss um den Wiedereinzug in den Bundestag bangen.
Scholz griff Lindner in seiner ersten großen Wahlkampfrede vor etwa 500 SPD-Parteimitgliedern an. In ernsten Zeiten brauche Deutschland ernsthafte Politik und „keine Spieler und keine Zocker“. Die Lindner-FDP sei eine marktradikale Klientelpartei.
SPD-Chefin Saskia Esken sagte: „Aus heutiger Sicht war es möglicherweise ein Fehler, Vertrauen in die staatspolitische Verantwortung von Christian Lindner zu setzen.“ Die FDP habe den Bruch der Koalition von langer Hand geplant und inszeniert wie ein Schauspiel, um sich in eine bessere Position für die Bundestagswahl zu bringen.
Wusste Lindner wirklich nichts vom „Dday“-Papier?
Der Grünen-Parteivorsitzende Felix Banaszak äußerte Zweifel an Lindners Darstellung, nichts vom „D-Day“-Papier gewusst zu haben. Die FDP sei eine „sehr autoritär geführte Partei“, sagte Banaszak in Cottbus beim Parteitag des Brandenburger Landesverbandes der Grünen. Man müsse sich fragen, von was für „Leuten“ man regiert werden wolle, die so mit der Wahrheit und Unwahrheiten umgingen.
Lindner bekam auf FDP-Landesebene Unterstützung für seinen Kurs in der früheren Ampel. Der Landesvorsitzende der FDP in Mecklenburg, René Domke, sagte, die Liberalen hätten im vergangenen Bundestagswahlkampf und auch danach darauf bestanden, weder neue Schulden zu machen noch die Steuern zu erhöhen. Das seien die Leitplanken der FDP gewesen. „Und unsere Koalitionspartner wollten diese Leitplanken einreißen, um uns bloßzustellen, um uns zu demütigen“, sagte Domke auf einem Landesparteitag in Schwerin.
Das interne Papier sei nicht die Strategie Lindners gewesen. Domke distanzierte sich von einzelnen Formulierungen: „Wir müssen nicht über Schlachtfelder reden, wir müssen nicht über D-Day reden, und wir müssen auch nicht über einen Tag X reden.“
Lindner erwartet Nachwuchs
Unterdessen wurde bekannt, dass Christian Lindner und seine Frau, die Journalistin Franca Lehfeldt, ein erstes gemeinsames Kind erwarten. Medien beziehen sich auf Vertraute des Paares, Lindner selbst wollte sich nicht dazu äußern. Das Baby soll im frühen Frühjahr 2025 zur Welt kommen. Für beide ist es das erste Kind. Lindner und Lehfeldt, die Ende Oktober 2023 den zum Medienkonzern Axel Springer gehörenden Nachrichtensender Welt TV verließ, um als freiberufliche Publizistin zu arbeiten, hatten im Sommer 2022 auf Sylt geheiratet.
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