FAQ zum Freihandelsabkommen Ceta: Trojanisches Pferd mit Sirup
Das EU-Parlament winkt am Mittwoch Ceta durch. Was heißt das für Trump, die Bourgeoisie und Ahornsirup?
Ein Abkommen zwischen der EU und Kanada, ist das eine Breitseite gegen Donald Trump – also America second?
Um Ceta wurde schon lange vor Trump gestritten, doch durch seine Wahl bekommt das Abkommen eine neue Bedeutung. Für die EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström ist es ein Zeichen, dass Europa dem neuen amerikanischen Protektionismus widersteht, schließlich droht Donald Trump mit neuen Zöllen; TTIP, das Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA, ist praktisch tot.
Umso wichtiger ist Brüssel jetzt Ceta. Wenn die USA nicht mehr mitspielen, dann werde eben die EU die Regeln für die Handel in der globalisierten Welt setzen, heißt es dort. Ganz ähnlich argumentieren die Sozialdemokraten im Europaparlament – in deren Fraktion einige Abgeordnete Ceta nach wie vor ablehnen. Bei Ceta gehe es nicht um ein klassisches, sondern um ein modernes, faires und soziales Abkommen, behaupten die Befürworter. Deshalb sei Ceta „auch ein Zeichen gegen Trump.“
Allerdings dürfte sich der US-Präsident davon kaum beeindrucken lassen. Kritiker fürchten, dass Ceta den US-Konzernen – und damit indirekt auch Trump – in die Hände spielen könnte. Denn viele Firmen haben einen Ableger in Kanada. Sie könnten versuchen, ihre Geschäfte mit der EU zunehmend über den nördlichen Nachbarn abzuwickeln. Ceta wäre dann eine Art Trojanisches Pferd für US-Konzerne, die auf Umwegen leichteren Zugang zum europäischen Markt erhalten.
Was passiert nach dem Beschluss des EU-Parlaments – wird Ahornsirup billiger?
Es ist kein Klischee, Kanada ist tatsächlich Ahornsirupexportweltmeister. Das Land führt Sirup im Wert von 278 Millionen Dollar aus. Ceta sieht vor, binnen acht Jahren 99 Prozent der Zölle abzuschaffen, beim Ahornsirup sofort. Der Effekt auf die Verbraucher dürfte aber gering sein, derzeit nimmt die EU acht Prozent Zoll bei der Einfuhr von Ahornsirup. Dann schlagen Zwischenhändler und Supermarkt noch eine Marge drauf, dazu die sieben Prozent Mehrwertsteuer.
Grundsätzlich tritt Ceta aber erst in Kraft, wenn auch Kanada das Abkommen ratifiziert hat, was in den nächsten Wochen geschehen dürfte. Und es treten nur Teile des Abkommens in Kraft. Insbesondere die umstrittenen Schiedsgerichte sind vorerst ausgenommen.
Diese Gerichte waren doch das Lieblingsprojekt der EU. Wie will sie die jetzt durchsetzen?
Handelskommissarin Malmström setzt auf einen Gewöhnungseffekt. Wenn der erste Teil von Ceta einmal in Kraft ist, werden sich Bürger und Unternehmen schon an die neue Lage gewöhnen und auch keine Bedenken mehr gegen Investitionsgerichte erheben, so ihr Kalkül. Dafür setzt sie ihre Werbekampagne fort: Die Gerichte würden „transparenter als die bestehenden Systeme sein und mit besseren Verfahren“, sagte sie in einem Interview. Es werde einen Pool von Richtern geben und eine Berufungsinstanz. Kein Land werde gezwungen, seine Standards aufzugeben.
Zudem soll Ceta erst der Anfang sein: „Zusammen mit vielen anderen Partnerländern haben wir mit der Arbeit an der Schaffung eines Internationalen Investitionsgerichtshofes begonnen. Damit bringen wir die Reform des alten Systems noch ein Stück weiter.“ Wann es einen transparenten und gerechten Internationalen Investitionsgerichtshof geben wird, lässt die EU-Kommission offen.
Kann Ceta in Deutschland noch gestoppt werden?
Weil Ceta ein gemischtes Abkommen ist, das die Zuständigkeit der EU und auch der Mitgliedstaaten berührt, müssen nach dem EU-Parlament auch alle nationalen Parlamente Ceta ratifizieren – in Deutschland also Bundestag und Bundesrat. Im Bundestag ist die Sache klar: Hier braucht Ceta eine Mehrheit und wird sie ziemlich sicher auch bekommen. Anders im Bundesrat. Weil Grüne und Linke das Abkommen ablehnen, gibt es dort derzeit keine Mehrheit. Wenn sich die Koalitionspartner nicht einig sind, ist im Bundesrat eine Enthaltung des jeweiligen Landes üblich.
Das heißt, die Grünen können noch dazwischenfunken?
Ja, obwohl sie sich nicht einig sind. Baden-Württemberg, wo die Grünen etwa zusammen mit der CDU regieren, hält sich trotz gegenteiliger grüner Wahlversprechen und Parteitagsbeschlüsse eine Zustimmung offen; auch in Hamburg und Hessen ist das möglich. Aber selbst ohne diese drei Länder hätte Ceta im Bundesrat derzeit keine Mehrheit – vorausgesetzt, es wird als Zustimmungsgesetz definiert, wovon die meisten Experten ausgehen. Dann ist eine absolute Mehrheit für das Abkommen nötig, Enthaltungen wirken wie ein Nein. Die Bundesregierung hat allerdings noch nicht entschieden, wie sie Ceta behandeln will. Im Oktober erklärte Regierungssprecher Seibert, man prüfe. Vier Monate später prüfen sie noch immer.
Was passiert, wenn Ceta in einem EU-Land durchfällt?
Das klingt nach einer einfachen Frage, doch eine einfache Antwort gibt es nicht. Bisher sind alle von der EU-Kommission ausgehandelten Freihandelsabkommen auch von den Mitgliedsländern ratifiziert worden. Automatisch gestoppt würde Ceta durch ein Nein in einem Mitgliedsland jedenfalls nicht. Gestoppt werden kann das Abkommen nur durch die EU. Und die wird nach Auskunft des EU-Verhandlungsführers für Ceta, Mauro Petriccione, erst dann tätig, wenn ein Mitgliedstaat letztendlich erklärt, dass die Ratifizierung von Ceta „final und unumkehrbar“ gescheitert sei.
Widersprüchliche Aussagen gibt es auch zur Frage, ob das Veto eines nationalen Parlaments Ceta komplett oder nur in Teilen stoppen würde. Das Einzige, was als sicher gelten kann, ist ein komplizierter politischer und juristischer Streit.
Und was sagen Herr Marx und Herr Engels zu Ceta?
„Das Bedürfnis nach einem stets ausgedehnteren Absatz für ihre Produkte jagt die Bourgeoisie über die ganze Erdkugel. Überall muss sie sich einnisten, überall anbauen, überall Verbindungen herstellen … Die Bourgeoisie hat durch ihre Exploitation des Weltmarktes die Produktion und Konsumption aller Länder kosmopolitisch gestaltet. Sie hat zum großen Bedauern der Reaktionäre den nationalen Boden der Industrie unter den Füßen weggezogen“. Aus dem „Kommunistischen Manifest“ von 1848.
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