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Explodierende Gewerbemieten in HamburgMietwucher killt Kleingewerbe

Friederike Gräff
Kommentar von Friederike Gräff

150 Prozent mehr Miete: Schon wieder muss ein kleiner Laden in Hamburg schließen. Die Politik nimmt es hin, denn Gewerbemieten scheinen unantastbar.

Das bisschen Leerstand kann sich ein Vermieter leisten, der hohe Mieten durchsetzen will Foto: Hendrik Schmidt/ dpaHendrik Schmidt

E s gibt ein kleines Antiquariat in Hamburg-Altona, so freundlich-zeitent­hoben, wie Antiquariate sein müssen. Manchmal stellt es Fotos seiner Kun­d:in­nen auf seine Facebook-Seiten. Es sind Schrate, die alte Hamburg-Bücher kaufen, spanische Studentinnen, die Bilderbücher suchen, und Jung-Exzentriker mit Hut, die ­Byron-Gedichte lieben. Das Antiquariat heißt Halkyone, was auf Altgriechisch Eisvogel bedeutet. Es ist das letzte im Hamburger Westen und wenn nicht etwas ganz Erstaunliches geschieht, schließt es nach 27 Jahren.

Das weniger Erstaunliche ist, dass die Erbengemeinschaft, der das dazugehörige Haus gehört, die Miete um 150 Prozent erhöhen will, nachdem die Frau, die das zuvor verhindert hat, gestorben und eine andere krank geworden ist. Es wird am Samstag eine Demo für den Schutz des Kleingewerbes geben (10.30 Uhr, Altonaer Rathaus), was schön ist, aber kein Ersatz für eine Politik, die mehr tut, als gelegentlich den Verlust lebendiger Innenstädte zu beklagen.

Keine Demo gab es für den kleinen Laden für Naturtextilien ein paar Straßen weiter, deren Vermieterin das gesamte Haus entmietet hatte, um nach der Sanierung mutmaßlich mehr Geld herauszuholen. Auch keine Demo für den Änderungsschneider 20 Meter weiter, der nach langer Suche etwas Neues mit doppelt so hoher Miete fand und nun sehen muss, wie er in der gleichen Zeit doppelt so viel näht.

Die Mietenexplosion auf dem privaten Wohnungsmarkt ist Thema in der Politik, was nicht bedeutet, dass etwas Wirksames dagegen getan würde. Im Gewerbebereich tut sich nahezu nichts.

Fragt man bei der Hamburger Linken an, um zu hören, was die Opposition darüber denkt, dann heißt es, das Thema sei einerseits Dauerbrenner und andererseits, dass so viel anderes passiere und das Thema kompliziert sei. Das ist zweifelsfrei richtig, was auch das Gefrickel mit der Mietpreisbremse für privaten Wohnraum zeigt, aber Komplexität allein sollte kein Grund für politisches Totstellen sein, und das zielt nicht auf die Linke. Dort verweist man auf die Stadt als Vermieterin, die mit gutem Beispiel und niedrigen Mieten vorangehen könne, auch auf eine Zwischenlösung noch ungewisser Art – bis auf Bundesebene etwas passiert.

Nicht einmal Thema im Koalitionsvertrag

Das aber ist nicht absehbar. In der letzten Legislaturperiode wurde ein Antrag der Grünen im Bund auf eine Mietpreisbremse für Gewerbemieten abgelehnt und in der gegenwärtigen Koalition ist die FDP sicherlich nicht die Partei, die dergleichen kampflos durchwinken würde. Eine Berliner Bundesratsinitiative aus dem Jahr 2019 – unterstützt von Hamburg – ist im Prüfungsstand versackt. Kein Wunder: Das Thema taucht im aktuellen Koalitionsvertrag nicht einmal auf.

In Hamburg und anderswo beschäftigt man sich stattdessen damit, die Leichen der Warenhausketten temporär anderweitig zu nutzen. Das ist nicht falsch und hilft bei der Lösung des eigentlichen Problems ungefähr so viel wie ein Pflaster bei einem Beinbruch. Und ist nicht weiter erstaunlich. Wenn man mit Leuten spricht, die mit dem Thema befasst sind, kommen sie irgendwann auf den Begriff der „Verfügungsgewalt über Eigentum“, die ja völlig zurecht geschützt ist.

Aber muss daraus der Kotau vor dem Wildwuchs der Immobiliengewinne werden? So wie man die Schere zwischen sehr arm und sehr reich hinnimmt, die genau dank jener Gewinne immer weiter auseinanderklafft? Man nimmt es hin, so wie man ein Steuersystem hinnimmt, das es Immobilienbesitzern erlaubt, langen Leerstand als Verlust steuerlich geltend zu machen.

„Wie kann es sein, dass die Stadt sich nicht für uns einsetzt?“, fragt Detlef Gerd Stechern, der Besitzer des Antiquariats Halkyone. „Wieso ist niemand für uns da?“, will er wissen und man kann sich dieser Frage nur anschließen.

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Friederike Gräff
Redakteurin taz nord
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2 Kommentare

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  • Das wär doch mal ne geniale Masche. Eine verödete Innenstadt in der schon die Strauchknäul westernmäßig durch die Fußgängerzone rollen per Mietwucher vor der totalen Verödung zu bewahren.

  • Explodierende Gewerbemieten zeigen kediglich auf, dass supersolvente Mieter die Wohnungen in der Umgebung übernommen haben und sich die hochpreisigen Angebote leisten können.

    Das ist die direkte Folge einer Stadtentwicklungs- und Wirtschaftspolitik die wie blöde jegliches Know How aufsaugt .