Untergehende Welt der alten Bücher: „Zornig bin ich eigentlich nicht“

Nach 30 Jahren musste Detlef Stechern sein Antiquariat in Hamburg-Altona schließen. Dabei ist Aufgeben nicht unbedingt sein Ding.

Detlef Stechern in seinem Antiquariat

Beim Schachspielen rät Detlef Stechern seinen Schülern vom Aufgeben ab Foto: Miguel Ferraz

wochentaz: Detlef Stechern, wie ist Ihr Gefühlszustand angesichts der Schließung Ihres Antiquariats? Sind Sie zornig auf die Vermieter, die nun viel mehr Geld fordern?

Detlef Stechern: Zornig bin ich eigentlich gar nicht, komisch. Ich bin enttäuscht. Enttäuscht von der mangelnden Unterstützung öffentlicher Institutionen, sprich von der Stadt Altona. Ich habe einen Freund kennengelernt durch dieses Aufgeben.

Wie das?

Es war jemand hier im Laden, der seine Kunst im Schaufenster ausstellen wollte, und da sage ich ihm: „Wir müssen schließen. Am liebsten würde ich ins Rathaus gehen und dort auf die Frau Stefanie von Berg …

… das ist die Bezirksbürgermeisterin.

… warten. Da gibt es so einen schönen Alkoven, da setze ich mich hin, lese ein Buch, und wenn sie kommt, spreche ich sie direkt an. Aber ich traue mich nicht“, sagte ich dem mir völlig unbekannten Menschen, und dann guckte der so nach oben und sagte: „Wissen Sie was, dann komme ich mit“.

Nein.

Doch.

Und dann?

Da konnte ich ja nicht mehr zurück. Dann haben wir das gemacht, saßen da zwei Stunden lang rum, haben uns über Literatur – er liest gerne Jean Paul –, über dies und das unterhalten, auch über Politik. Die Frau von Berg kam nicht. Dann habe wir im Vorzimmer geklopft, dann haben wir an ihrem Büro angeklopft, da huschten Menschen herum, die haben wir gefragt: „Wann kommt denn die Bürgermeisterin?“ – „Das wissen wir nicht“ – und irgendwann sind wir abgezogen.

War es also ein Fehlschlag?

Dieser Mann hat sich dann entwickelt, nicht nur zum Begleiter zum Rathaus, sondern er hat die Demonstration gegen die Schließung organisiert. Er steht immer bereit, mir zu helfen, es ist wie ein kleines Märchen. Es gab sogar zwei weitere Initiativen. Ein Kollege, der sagte: „Mensch, ich schaue mich nach Sponsoren um. Wir müssten doch ein paar hundert Euro zusammenbekommen, damit du hier die Differenz überbrücken kannst.“ Da habe ich abgewunken und gesagt: „Ganz ehrlich, ich würde kein Geld für so etwas geben können, und wenn jemand 5, 10 Euro gibt, wie viele Leute musst du da zusammenkriegen?“ „Du könntest es vielleicht nicht“, erwiderte er nur, „aber ich kenne eben finanziell potentere Menschen. Ich höre mich mal um.“ Und der hat drei Leute, die jeweils 100 Euro pro Monat auf zwei, drei Jahre dazugeben wollten, organisiert. Dann schrieb er eben dem Vermieter hier, der hat das schlichtweg abgelehnt.

Und damit war es vorbei mit dem Widerstand?

Dann kam völlig überraschend ein Mensch hierher, der sagte, er wäre vor einiger Zeit mal bei mir gewesen und wir hätten uns zusammen eine Nachlassbibliothek angeschaut. Er fand es angenehm, wie ich ihn da beraten habe, und er würde mich gern unterstützen. Er hat das so ausgerechnet, mir monatlich 500 Euro Mietzuschuss zu gewähren auf zwei, drei Jahre. Eine Bedingung gab es: Er möchte jeden Monat drei Bücher haben, und dann schloss er an, das könnten auch 10-Euro Bücher sein. Er schlug vor, er würde auch mit dem Vermieter sprechen. Er könne sich vorstellen, dass er da auch die Wogen glätten könne, was leider nicht passiert ist.

Das klingt sehr großzügig.

Ich sagte: „Sie müssen aber sehr reich sein, um das zu ermöglichen, was steht dahinter?“ Dann gab er als Begründung an, dass er diese kulturelle Insel, diesen Farbtupfer sehr schön findet, und er würde gerne, dass das dem Stadtteil so erhalten bleibt. „Ich habe so viel Geld, das kann ich im Leben gar nicht ausgeben.“ Er sieht das als Sponsorentum für einen kleinen Rahmen. Und das ist genau das, was ich der Politik vorwerfe: Für die großen Dinge haben Politik und Mäzenatentum Zeit und Geld übrig, aber für diese kleinen Dinge nicht.

Unter welchen Vorzeichen haben Sie sich gewehrt – weil Sie glaubten, dass es hilft? Oder weil Sie jemand sein wollen, der es nicht einfach hinnimmt?

Natürlich hatte ich die Hoffnung, dass es etwas bewirkt, dass sich eben ein Immobilienbesitzer meldet und sagt: „Mensch, ich habe hier noch eine kleine Kaschemme, da kannst du unterkommen zu einem annehmbaren Preis. Aber für mich war auch eine wichtige Motivation: Das ist hier mein Lebenswerk, und das verschwindet nicht einfach so sang- und klanglos. Was ich gar nicht bedacht habe, ist, dass jetzt ordentlich was los ist im Laden.

Und das empfinden Sie nicht als bitter, im Sinne von: Jetzt ist alles um 50 Prozent reduziert, jetzt kommen die Geier?

Es gibt Leute, die haben sich entschuldigt dafür, dass sie jetzt kaufen und früher nicht. Ich sage dann: „Wissen Sie, jedes Buch, das hier rausgeht, freut mich erst mal, weil es eine neue Heimat gefunden hat.“ Ich freue mich darüber, dass diese Bücher zum Leben erweckt werden.

War es Ihnen wichtig, dass die Preisspanne hier so groß war, damit unterschiedliche Kunden kommen – oder ist es verkaufsförderlich?

Aus verkaufstechnischer Sicht ist es, glaube ich, ungünstig, sowohl teure als auch billige Bücher anzubieten. Denn derjenige, der bibliophile Schätze sucht und hier 1-Euro- oder 10-Euro-Bücher findet, sagt: Ach, das ist ja alles Dutzendware, interessiert mich ja gar nicht. Und derjenige, der eben Literatur zu günstigen Preisen sucht – so bin ich zum Antiquariat gekommen –, der sagt: „Um Gottes willen, hier kosten die Bücher 100 Euro, hier habe ich nichts zu suchen. Und so stoßen die beiden Pole sich ab. Mir persönlich gefällt das sehr, dass man hier ein 1-Euro-Buch kaufen kann und eben auch ein 10.000-Euro-Buch.

Sie sind übers eigene Sammeln zum Antiquariat gekommen?

Mein ganzes Leben ist eigentlich voll mit Widersprüchen. Ein Beruf als Antiquar ist wahrscheinlich keine Karriere. Ich hab zweimal den Wehrdienst verweigert, bin nicht anerkannt worden und dann nach West-Berlin geflüchtet. Mein Notendurchschnitt war 4,0, da konnte ich mich gerade mal für Theaterwissenschaft einschreiben und als Nebenfach Germanistik. Dann waren aber die ganzen Germanistikstudenten um mich herum ganz anders gepolt. Wenn ich dann „Die Reise nach Braunschweig“ aus dem Jahr 1839 stolz präsentiert habe, dann sagten die: „Das ist ja dreckig.“ Aber viele Freunde, die ich noch aus meiner Studentenzeit kenne, die wundern sich: „Mensch, du hast es weit gebracht, hätten wir nie gedacht.“ Ich war schon in übler Gesellschaft und auf üblen Fährten unterwegs.

In welcher Richtung führten die?

Die führten zu Selbstaufgabe. Das war eine Zeit von Alkohol und Drogen und Selbstvergessenheit. Viele Menschen aus meinem Bekanntenkreis sind schon tot. Ich bin mit vielen seitlich Abgeknickten und Verrückten groß geworden, und was mich gerettet hat, das war das erste Kind und meine Frau, mit der ich jetzt seit 40 Jahren plus 9 Monaten und ein paar zerquetschten zusammenlebe.

Muss man als wirtschaftlich erfolgreicher Antiquar Kontaktpflege betreiben? Es ist schwierig, Sie sich Visitenkarten verteilend vorzustellen.

Mein Handwerkszeug habe ich im Auktionshaus gelernt. Wenn Sie mit Kunstkunden zusammen ihre Ochsenschwanzsuppe gelöffelt haben, dann haben Sie über Geld und Firmenübernahmen geredet. Wenn Sie mit Bücherleuten zusammensaßen, dann haben die über Wieland geredet, über wunderschöne Gedichte und Aristide, da waren Inhalte, obwohl es Sammler waren. Warum erzähle ich das? Zum einen liegt mir das Präsentieren nicht so gut. Aber ich habe vom ersten Tag an einen Sammler kennengelernt. Das war ein großer Kardiologe in Frankfurt, mit sehr, sehr viel Geld, der hat mir dann für eine Celan-Erstausgabe ein Limit vorgegeben von 10.000 Euro, und ich hab dann 15.000 ausgegeben und gedacht: Wenn er sie nicht nimmt, bist du pleite.

Und hat er sie genommen?

Er hat gesagt: großartig gemacht, Herr Stechern, hervorragend. Ich dachte, ich gieße ihn in Erz und stelle ihn mir vor die Tür. In den ersten Jahren war er mein wirtschaftliches Rückgrat. Aber ich habe auch den Teilnachlass von Günter Anders bekommen, die Korrespondenzen mit Brecht, Benjamin und Hannah Arendt, eine ganz große Sache.

Wie sind Sie an so etwas gekommen?

Der Mensch

Detlef Stechern ist 1955 in Celle geboren, hat Germanistik und Theaterwissenschaft an der FU Berlin studiert und ist nach dem Abschluss seinem Magistervater nach Hamburg gefolgt und hat dort zwei Jahre an der Exilforschungsstelle gearbeitet. Danach war er bei verschiedenen Auktionshäusern von Bielefeld bis Pöseldorf. 1993 hat er das Antiquariat „Halkyone“ in Hamburg-Altona eröffnet.

Das Antiquariat

Der Laden hieß „Halkyone“ nach den antiken halkyonischen Tagen, die Tage der Muße und des Friedens sein sollen. Bis Ende März gab es dort Bücher von wohlfeil bis teuer zu kaufen und Autografen, das sind eigenhändige Niederschriften prominenter Menschen. Wegen einer Mieterhöhung musste Stechern den Laden trotz einiger Rettungsversuche schließen.

Sein Privatsekretär war ein Kunde von mir. Anders hatte zu ihm gesagt: Ich kann dich nicht bezahlen, aber du kriegst meinen Nachlass. „Wollen Sie nicht diesen Teilnachlass übernehmen?“, fragte mich der Privatsekretär und ich bin aus allen Wolken gefallen. „So viel Geld habe ich gar nicht“, sagte ich. „Das macht nix“, sagte er, „Sie bezahlen das in Raten“. Ich bin dann mal runtergeknattert und habe ihn in der Schickeria von München besucht. Das war ein ganz mondäner Mensch, wir saßen in einem Lokal und man musste Smalltalk machen. Ich war völlig verunsichert, er saß mir gegenüber mit einer Sonnenbrille, und ich guckte genau in die Sonne. Ich konnte nicht sehen, ich konnte nicht reden, und dann gab es aber auch so eine Abhängigkeit: Du möchtest das ja gerne von ihm haben.

Auf mich wirkt eine bestimmte Art von Sammeln wie ein Sich-Vergewissern eines intellektuellen Status und mäßig sympathisch. Aber der Sammler ist für Sie wirtschaftlich wichtig, oder?

Aber sicher – wenn wir nur Leser hätten, würden alle Buchhandlungen, alle Verlage pleitegehen. Bücherkäufer und Büchersammler sind nicht automatisch Leser. Und mittelsympathisch … ich weiß es nicht. Es gibt ein berühmtes Gedicht von Karl Wolfskehl, darin kommt der Satz vor: „Bücher sprechen ungelesen“. Da ist eine Menge Weisheit drin. Ernst Jünger spricht von seiner Geliebten, die er mit an den Schreibtisch oder ins Bett nimmt. Es gibt diese erotische Komponente. Aber das Antiquariat und auch die Buchhandlung stirbt mit dem Bildungsbürgertum aus. Die Buchtapete gilt nicht mehr, die hat an Status eminent verloren. Das sehe ich an meinen Kindern, mit denen ich immer viel gelesen habe, an meinen Enkelkindern, denen ich jetzt vorlese. Sie erleben diese Faszination, die Bücher ausüben, nicht.

Aber Sie kennen sie?

Meine Kindheit war keine schöne, sie war eine vernachlässigte und bindungsarme, und ich habe Bücher kennengelernt als achtjähriger Junge. Da war ich in einem Heim, es war damals in den 50er, 60er Jahren eine übliche Art, Kinder dorthin zu schicken, um sie regelrecht zu mästen. Ich hatte eine Taschenlampe und ein Buch von Gullivers Reisen und das habe ich unter der Bettdecke gelesen. Das war mein Fluchtpunkt und meine Rettung. Daraus habe ich eine Leidenschaft entwickelt, dass ich in Büchern Wahrheiten lesen wollte, erfahren wollte: Warum lebe ich? Und ich habe schnell Sammlereigenschaften an den Tag gelegt.

Wenn Sie sagen, für Ihre Kinder, Enkel bedeutet das Buch nicht mehr so viel – die Bedeutung von Geschichten bleibt doch?

Die Geschichten bleiben, die Kinder lauschen ihnen. Als Lesementor fange ich gern mit Donald-Duck-Geschichten an, ich bin Donaldist, und die Geschichten kommen an, gerade auch bei Kindern, die nicht so einen Zugang zu Literatur haben. Meine Tochter liest auch, aber sie braucht auch kein gebundenes Buch. Wenn ich ihr von der Schönheit eines Buches erzähle, dann freut sie sich darüber, dass ich so empfinde. Aber ihr selbst reicht ein Taschenbuch.

Sie nehmen das gelassen, hier geht kein Abendland unter.

Nein, die Zeiten ändern sich, das ist ja ganz klar, und meistens sind es ja die alten, die sagen: Jetzt ist alles schlechter geworden. So bin ich nicht. Wenn Sie das Kaleidoskop der Sammler und Sammlerinnen, die ich abgelichtet habe, ansehen, dann sind da auch junge Menschen darunter. Das freut mich besonders. Manchmal kommen hier Schüler rein, die entdecken diesen Laden, die entdecken überhaupt alte Bücher, und ich freue mich, wenn sie die Schwellenangst überwinden. Denen sage ich: Du kannst alles anfassen, du kannst überall reinblättern, guck dir alles in Ruhe an. Und das bereue ich: dass dieses Schaufenster jetzt verschwindet, weil die Werbung für das Buch damit verschwindet. Wenn ich bei Kollegen die Schaufensterfronten sehe, hat mich das immer gefreut und ich dachte mir: Mensch, was für ein Blick auch in Geisteswelten und Möglichkeiten.

Empfinden Sie die Schließung des Ladens als ein Aufgeben gegenüber dem Mietwucher der Erbengemeinschaft?

Die Leute sagen immer, Mietwucher – ich sehe das gar nicht so.

Bei 150 Prozent Mietaufschlag?

Ich habe 8 Euro hier bezahlt, das ist sehr wenig. Ich hatte 12 Euro vorgeschlagen, und die wollten erst mal 16 Euro haben, also 100 Prozent mehr, und ich glaube, dass das tatsächlich marktüblich ist. Das ist kein Mietwucher. Es ist mir gegenüber eine Unbilligkeit, so von jetzt auf gleich die Miete zu verdoppeln. Und es gab ja auch innerhalb dieser Erbengemeinschaft zwei vernünftige Stimmen, die gesagt haben, so geht das nicht, und die mir Vorschläge gemacht haben, mit denen ich einverstanden war. Dummerweise ist diese Dame dann gestorben, eine resolute achtzigjährige Dame, und deren Begleiterin hat leider nicht das Rückgrat bewiesen, sich den Einlassungen der anderen Erben zu widersetzen.

Das Antiquariat „Halkyone“ in Hamburg-Altona vor der Schließung

Das Antiquariat „Halkyone“ in Hamburg-Altona vor der Schließung Foto: Foto: Miguel Ferraz

Und wie empfinden Sie die Unbilligkeit?

Natürlich tut es weh und es tut mir sehr weh zu sehen, wie das jetzt hier aufgelöst wird, und ich hoffe, dass ich den letzten Schritt nicht miterlebe. Es gibt einen Entrümpelungsdienst, den ich heute noch anrufen muss, das möchte ich mir nicht angucken. Ein Trost ist: Meine Kinder müssen das nicht auflösen. Es war ein Treffpunkt hier. Leute kommen hierher. Ich höre geduldig zu.

Was erzählen die Leute denn?

Meistens über das, was sie lesen, was sie daran begeistert. Es gibt bei mir den Gedanken, der das Wir vor das Ich stellt, und auch wenn es hier sehr individuelle Dinge sind, die gestillt werden, dieser Lesehunger oder die Sammlerwut, die ja nicht zu bändigen ist, so freue ich mich doch, dass ich als Vermittler wirken kann und etwas weitergebe in einer einzelnen Persönlichkeit – die aber ja auch wiederum in größeren Kreisen wirkt mit dieser Literatur. Das ist jetzt vielleicht ein bisschen philosophisches Geschwafel, sehen Sie mir das nach. Ich habe ja angefangen als Lesementor an der Haubachschule, weil ich einem Kind individuell helfen wollte, aber weil ich auch weiß, dass damit der Gesellschaft geholfen ist.

Sie unterrichten auch Schach an Schulen, und in der Zusammenschau mit der Schließung des Ladens dachte ich: Beim Schach gibt es eine ganz geregelte Form fürs Aufgeben. Was erzählen Sie Ihren Schülerinnen und Schülern dazu?

Vorab muss ich sagen, dass es viele Rituale gibt, die ich den Kindern versuche zu vermitteln, und zwar vor dem Spiel: sich erst mal die Hand zu geben und dem Gegner Respekt zu zollen, und ganz, ganz wichtig, während des Spiels keine Kommentare abzugeben. Wenn man dann verloren hat, dem Gegner die Hand wieder zu reichen. Man muss nicht explizit sagen: „Glückwunsch“, aber man sollte sagen, war ein schönes Spiel, wir treffen uns wieder, irgendetwas. Wobei ich bei den Grundschülern und auch bei den Schülern in der Unterstufe des Gymnasiums immer empfehle, nicht aufzugeben.

Warum nicht?

Weil sie immer eine Chance haben. Es gibt eine vertrackte Situation im Schach, die nennt sich Patt, und wenn der Gegner glaubt, jetzt hat er mich sicher, dann hat er mich manchmal so sicher, dass der König gar nicht mehr ziehen kann, ohne sich selbst in Schach zu setzen. Das ist ein Patt, ein Unentschieden, und das ist ein gewonnener halber Punkt. Ich sage den Kindern also, die Aufgabe spielt in eurem Spiel überhaupt gar keine Rolle. Anders ist es im Leistungsschach. Ich spiele auch im Verein Schach, beim FC Pauli, und da gibt man vor dem Matt auf. Man möchte zeigen: So schlau bin ich auch, dass ich sehe, dass du mich in zwei Zügen matt setzen wirst.

Weil das Matt eine Demütigung ist?

Na ja, das ist jetzt eine sehr männliche Sicht, muss ich sagen. Demütigung ja, und Schach ist auch ein männliches Spiel. Meine Schachkurse sind ganz klar jungslastig. Dieser Wettkampfcharakter ist bei Mädchen, viele mögen mir da widersprechen, nicht so ausgeprägt. Es gibt auch Mädchen, die kämpfen und boxen und laufen beim Marathon vorneweg, aber ich glaube, in der Breite ist es einfach nicht so ausgeprägt. Aber zur Demütigung: Wenn eines der Kinder diese Vokabel benutzen würde, dann würde ich scharf einschreiten.

Warum?

Ich sage: „Ihr spielt miteinander“. Im besten Falle seht ihr auch eine Komposition dieses Spiels, wie hier die Kräfte zusammenhängen, und das fasziniert euch, wie man mit einem Zug alles verlieren kann oder alles gewinnen kann. Es ist ein Spiel, das in seiner Balance, in seiner inneren Dynamik auch Kunst darstellt.

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