Experte zum Verdachtsfall AfD: „Die Reihen werden sich schließen“

Der Rechtsextremismusforscher Matthias Quent hält die Einstufung der AfD für richtig und problematisch zugleich. Die Partei werde jetzt zur NPD 2.0.

AfD-Wahlplakat in ländlichem Idyll, verziert von Unbekannten mit dem Zitat des antifaschistischen Ärztesongs "Schrei nach Liebe"

Bemaltes Plakat der AfD bei Ditzingen in Baden-Württemberg Foto: Arnulf Hettrich/imago

taz: Herr Quent, das Bundesamt für Verfassungsschutz hat die AfD als rechtsextremen Verdachtsfall eingestuft. Ein richtiger Schritt?

Matthias Quent: Das ist ein folgerichtiger und überfälliger Schritt. Um festzustellen, dass die AfD eine in weiten Teilen rechtsextreme Partei ist, dazu braucht man keine nachrichtendienstlichen Mittel. Das dokumentieren ja zivilgesellschaftliche Akteure, JournalistInnen und WissenschaftlerInnen schon seit Jahren.

Die Entscheidung ist inhaltlich also völlig richtig. Aber trotzdem ist es ein demokratiepolitisch problematischer Schritt, gerade wenn dies so kurz vor Landtagswahlen geschieht.

Warum?

Ich bezweifele, dass ein Geheimdienst das richtige Instrument ist, um demokratiefeindliche Bestrebungen auf Parteiebene zu benennen. Auch jetzt bleibt für die Öffentlichkeit intransparent, auf welcher Grundlage das erfolgt. Das Verfassungsschutzgutachten ist nicht öffentlich, man kann sich damit nicht kritisch auseinandersetzen und nicht über die eigentlich zentralen Aspekte wie Rassismus diskutieren.

Aus meiner Sicht bräuchte es vielmehr eine systematische wissenschaftliche Auseinandersetzung, die öffentlich und pluralistisch Pro- und Kontra-Argumente abwägt und die Gesellschaft kommunikativ mitnimmt, statt staatlich zu verordnen. Das wäre ein aufgeklärtes Vorgehen. Eine auf Geheimwissen basierende Entscheidung eines Nachrichtendienstes ist es nicht, auch wenn der Verfassungsschutz damit natürlich seinem Auftrag nachkommt.

Die AfD wiederum kritisiert eine politische Instrumentalisierung des Verfassungsschutzes. Verfängt das?

Das Argument ist ja nicht ganz von der Hand zu weisen, nur weil es jetzt auch von rechts außen kommt. Der Verfassungsschutz war in seiner Geschichte häufig ein politisches Instrument gegen links und eine Art schützende Hand für die extreme Rechte, jetzt erhebt auch diese Rechte diesen Vorwurf.

Und der Dienst ist ja tatsächlich den I­nnenministerien nachgeordnet. Er arbeitet nicht nach objektiven und transparenten Kriterien, sondern hat eine politische Funktion. Das sah man zuletzt im Fall des früheren ­Verfassungsschutzchefs Hans-Georg Maaßen, der einiges blockierte.

Welche Folgen wird die Einstufung für die AfD haben?

Sie wird für Unruhe sorgen, auch im ­Wahlkampf. Die Partei wird jetzt im bürgerlichen Spektrum weiter isoliert. Eine Radikalisierung wird das langfristig aber nicht verhindern, sondern wohl eher bestärken. Vielleicht wird die AfD noch kurzfristig versuchen, aus der Einstufung irgendwie rauszukommen. Aber wenn man sowieso im Visier des Verfassungsschutzes ist, braucht man sich auch nicht mehr um verbale Mäßigung zu bemühen.

Bei Ihnen in Thüringen agieren die AfD-Radikalen um Björn Höcke, die ohnehin keine Mäßigung wollen.

Ja, die Höcke-Leute werden sich nun ­bestätigt sehen. Der Beschwichtigungskurs von Parteichef Meuthen wurde dort ja scharf kritisiert. Höcke erklärte schon lange, die Feinde der AfD würden erst ruhen, wenn die ganze Partei und die gesamte, wie es dort heißt, patriotische Opposition unter ­Beobachtung stehen. Sie können sich nun als bestätigt darstellen. Ich sehe daher nicht, dass es noch größere Widerstände gegen eine weitere Radikalisierung in der AfD gibt.

Parteichef Meuthen hatte, wie Sie sagen, zuletzt noch zu einer Mäßigung aufgerufen. Was macht er jetzt?

Auch das Meuthen-Lager hat ja lange alles mitgemacht und fungierte vor allem als Feigenblatt. Vielleicht wird Meuthen seinen Hut nehmen oder nehmen müssen, aber massenhafte Austritte oder gar eine relevante Abspaltung erwarte ich nicht mehr. Eher werden sich mittelfristig die Reihen schließen.

Die AfD ist damit auf dem Weg zur NPD 2.0?

Die AfD geht in mehrfacher Hinsicht schon lange in den Fußstapfen der NPD. Im politischen Programm sind Schnittmengen gegeben und bei Wahlen zeigen sich statistische Zusammenhänge: Wo früher die NPD stark war, ist es jetzt die AfD – auch in Westdeutschland.

Der Unterschied ist, dass die AfD mit ihren vielen Parlamentssitzen strukturell viel stärker aufgestellt ist und bisher nicht so tabuisiert wie die NPD. Deshalb wird es nun spannend zu sehen, ob es nun auch langfristig zu einer Verzwergung der Wahlergebnisse kommt. Vermutlich wird sich aber eine rechtsextreme Partei bundesweit bei zwischen 7 und 12 Prozent stabilisieren – ob nun unter Beobachtung oder nicht.

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