Kürzungen an den Unis: Existenz statt Exzellenz
Die drohenden Kürzungen an den Unis führen zu desaströsen Zuständen, beklagen Studierende und Lehrende. Einige Hochschulen wollen klagen.

Hintergrund der Protestaktion sind die drohenden millionenschweren Kürzungen an Berliner Universitäten und Hochschulen. In Redebeiträgen wird der desaströse Zustand an Unis und Hochschulen geschildert: von überfüllten Seminarräumen über prekäre Anstellungsverhältnisse bis hin zu sanierungsbedürftigen Gebäuden. „Wenn es keine Unigebäude mehr gibt, bleibt uns nur die Straße“, sagt eine Rednerin. Sie fordert vom Senat Unterstützung statt Kürzungen.
Allein in diesem Jahr soll der Wissenschaftssektor rund 250 Millionen Euro einsparen. Anfang des Jahres hatte der Senat für Hochschulen und Universitäten deshalb eine Haushaltssperre von acht Prozent verhängt. Das entspricht Kürzungen in Höhe von 107 Millionen Euro.
Dass es dabei nicht bleibt, zeigt eine aktuelle Antwort des Senats auf eine Anfrage des Linke-Abgeordneten Tobias Schulze. Rund 27 Millionen Euro kommen demnach aufgrund der „pauschalen Minderausgaben“ noch hinzu. Zudem wurden 10 Millionen Euro an Investitionsmitteln, also Gelder für Bauprojekte und Anschaffungen, gestrichen. Für das Jahr 2025 handelt es sich somit um rund 145 Millionen Euro, die Hochschulen und Universitäten akut einsparen müssen.
Es trifft vor allem die Kleinen
Dabei hatte es vor einem Jahr noch gut ausgesehen: Im Februar 2024 hatten Senat und Hochschulleitungen die Hochschulverträge beschlossen, die eine Planungssicherheit bis 2028 versprachen. Fünf Prozent Aufschwung sollten diese den Hochschulen bringen. Doch im November kündigte Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (SPD) die Verträge im Zuge der ausgerufenen Kürzungspolitik einseitig.
Wie so oft trifft es auch hier diejenigen, die ohnehin am wenigsten haben. In diesem Fall die kleinen Hochschulen, die – anders als die großen Universitäten – keine Rücklagen besitzen. Dort wird nun unter anderem an den Personalkosten gespart. Dabei seien die Hochschulen schon zuvor so finanziert worden, dass man den Betrieb gerade so aufrechterhalten konnte, sagt Eckart Hübner, Dekan für Musik an der Universität der Künste (UdK). Die Kürzungspolitik treffe die UdK daher „existenziell“.
„Ich frage mich, ob den handelnden Personen wirklich bewusst ist, dass sie die Existenz einer international exzellenten Hochschule gefährden“, sagt Hübner. Die UdK gilt als eine der besten Kunst-Unis der Welt. Und ist die einzige, die die Disziplinen Bildende Kunst, Gestaltung, Darstellende Kunst und Musik vereint. Jetzt droht sie still und heimlich den Bach herunterzugehen.
An der gesamten UdK gilt ein Einstellungsstopp, frei werdende Professuren werden nicht mehr neu besetzt. Die Lehre werde nur durch Lehrbeauftragte am Laufen gehalten, so Hübner. Geht ein:e Professor:in in Rente, gebe es ihr Fach einfach nicht mehr. Die Kopplung von Lehrinhalten an das Alter der Lehrenden sei „planlos“ und „gefährlich“, sagt Hübner.
Schlimmer als unter Sarrazin
Durch die Kürzungen könnten zudem Instrumente nicht mehr repariert und seltener gestimmt werden. Dazu komme, wie auch bei den anderen Hochschulen und Unis, ein Baustopp für die maroden Gebäude. Die Aussichten sind düster: „Wenn das so bleibt, können wir in den nächsten Jahren nicht mal mehr Strom oder Miete zahlen“, sagt Hübner.
Seit Anfang des Jahres laufen Verhandlungen zwischen Hochschulleitungen und Senat. Diese sollen noch bis Juli andauern. Bei einem Fachgespräch der Linken Ende Mai kritisieren die Redner:innen die Lage als „undurchschaubar“ und „verheerend“. Der wissenschaftspolitische Sprecher der Linksfraktion, Tobias Schulze, spricht von „Zuständen, wie wir sie uns in der Geschichte der Berliner Wissenschaft nicht einmal in den schlimmsten Sparzeiten unter Thilo Sarrazin vorstellen konnten“.
Verständnis für die Kürzungen hat Schulze vor dem Hintergrund teurer Prestige-Projekte wie der Umzäunung des Görlitzer Parks, der Olympiabewerbung und der Eröffnung einer 24-Stunden-Bibliothek nicht. „Während der Senat die Substanz dieser Stadt kaputt macht, leistet er sich solche Dinge“, kritisiert Schulze.
Die Gleichstellungsbeauftragte der Alice Salomon Hochschule (ASH), Nina Lawrenz, kritisiert die soziale Ungleichheit hinter den Kürzungen. Das Streichen von Programmen wie Kinderbetreuung, Unterstützung für Geflüchtete oder Erstakademiker:innen etwa treffe „die Studierenden, die ohnehin schon in marginalisierten Positionen sind“. Dadurch sei die Einhaltung von Quoten, wie sie in den Hochschulverträgen vorgesehen sind, gefährdet – wodurch die Hochschulen wieder „cis-männlicher“, „weißer“ und bürgerlicher würden.
SDS macht mobil
Gegen die einseitige Kündigung der Hochschulverträge haben sich mehrere Hochschulen zusammengeschlossen, um eine Klage gegen den Senat zu prüfen – allen voran TU und Freie Universität (FU). Die Humboldt-Universität (HU) ist bisher nicht dabei. TU-Präsidentin Geraldine Rauch begründet das „zögerliche Durchgreifen“ mit dem „massiven Druck auf die Hochschulleitungen“ seitens des Senats. „Die Hochschulen werden in ihrer Autonomie geschwächt – aber niemand will es sich dauerhaft mit der eigenen Landesregierung verscherzen“, sagt sie.
Um den Druck auf die Hochschulleitungen zu erhöhen und sie zur Klage zu bewegen, sind das Bündnis Studis gegen Rechts und der Sozialistisch-demokratische Studierendenverband (SDS) der Linkspartei am Mittwochvormittag vor die Präsidien von HU und FU gezogen. Schon in den Wochen zuvor hatte das Bündnis mit Infoständen und Flyeraktionen auf die Situation an den Hochschulen aufmerksam gemacht.
In den Gesprächen zeige sich, dass vielen Studierenden die Situation noch nicht bewusst sei, sagt Mirco Schwer von den Studis gegen Rechts. Das beobachtet auch Gabriel Tiedje vom Asta der TU. Für viele sei die Situation noch „sehr abstrakt“. Die öffentliche Vorlesung am Donnerstag soll ein erster Schritt sein, um das zu ändern.
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