Ex-Verkehrsminister im U-Ausschuss: Klar europarechtswidrig
Die Ausländer-Maut verstößt gegen europäisches Recht. Das wusste Ex-Verkehrsminister Ramsauer (CSU) von Anfang an.
„Scheuer blieb überhaupt nichts anderes übrig, als die Dinge zu vollziehen“, sagte Ramsauer bei seiner Vernehmung im Untersuchungsausschuss zum Pkw-Maut-Desaster. Ramsauer selbst war von Anfang an klar, dass der gewählte Weg für die deutsche Ausländer-Maut europarechtswidrig war.
Der Untersuchungsausschuss soll die Zusammenhänge um die gescheiterte Maut für Ausländer aufklären. Die Abgabe war ein Prestigeprojekt der CSU, die im Bundestagswahlkampf 2013 damit geworben hatte. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hatte das Projekt bei seinem Amtsantritt im Frühjahr 2018 von seinem Vorgänger Alexander Dobrindt übernommen.
Scheuer hatte Ende des Jahres 2018 Verträge mit Firmen geschlossen, die das Eintreiben der Straßennutzungsgebühr organisieren sollten. Zu diesem Zeitpunkt war allerdings noch eine Klage Österreichs und der Niederlande gegen das Projekt anhängig. Im Juni 2019 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) die Maut mit der Begründung kassiert, sie diskriminiere EU-Bürger. Die Betreiber fordern jetzt Schadenersatz von mehr als einer halben Milliarde Euro.
Ramschauer rechnete mit EuGH-Urteil
Ramsauer wollte sich nicht dazu äußern, warum Scheuer die Verträge vor dem Urteil des EuGH unterschrieben hat. „Da wage ich kein Urteil, das wäre eine totale Anmaßung“, sagte der frühere Verkehrsminister. „Politik ist ein verdammt dialektischer Gesamtkomplex.“
Anders als Scheuer war Ramsauer von dem Urteil des EuGH keineswegs überrascht. „Es tut mir weh, dass ich mit meiner Einschätzung recht behalten habe“, sagte er.
Im November 2013 hatte Ramsauer mit Vertretern der EU-Kommission geklärt, unter welchen Bedingungen Deutschland eine Maut für Ausländer einführen könnte. Das Problem war die Koppelung mit der Senkung der Kfz-Steuer für inländische Fahrzeughalter. Die wollte die CSU, denn die inländischen Halter sollten ja nicht zur Kasse gebeten werden.
Das wäre durchaus möglich gewesen, aber nicht in einer direkten Verbindung mit der Maut, berichtete Ramsauer. Es habe bei der Senkung der Kfz-Steuer Gewinner und Verlierer geben müssen, etwa durch die Einführung bestimmter Kriterien wie Schadstoffausstoß. Das hätten seine Brüsseler Gesprächspartner klar gesagt. Die Steuerentlastung dürfte also nicht für jeden Halter eins zu eins zur Mautbelastung erfolgen. Das habe er auch bei den Koalitionsverhandlungen 2013 vorgetragen, sagte Ramsauer.
Parteivorsitzenden der Koalition war Problem klar
Doch Bundeskanzlerin Angela Merkel habe das abgelehnt, weil sie im Wahlkampf versprochen hatte, dass kein Fahrzeughalter zusätzlich belastet würde. Aus diesem Grund wurde nicht Ramsauers Formulierungsvorschlag aufgenommen, dass inländische Fahrzeughalter insgesamt nicht mehr zahlen würden. Stattdessen hieß es, kein einziger inländischer Fahrzeughalter werde zusätzlich belastet.
Den Parteivorsitzenden sei das europarechtliche Problem klar gewesen. Merkel und den damaligen SPD-Chef Sigmar Gabriel habe es nicht gestörrt, weil sie die Maut ja nicht wollten. Und der seinerzeitige CSU-Vorsitzende Horst Seehofer sei wohl davon ausgegangen, dass das Problem schon irgendwie politisch gelöst werde.
Der kleine, aber europarechtlich entscheidende Unterschied im Koalitionsvertrag sei für seine Nachfolger eine belastende Hypothek gewesen, sagte Ramsauer. Ausdrücklich nahm er seine Parteifreunde in Schutz. „Sie haben das daraus gemacht, was man nach bestem Wissen und Gewissen daraus machen konnte“, sagte Ramsauer. Er habe sie auf die Risiken hingewiesen. „Sie haben alles getan, die Risiken zu minimieren“, behauptete er.
Der Bundestag hat nach Ramsauers Amtszeit zweimal über das Mautprojekt abgestimmt. An beiden Abstimmungen hat der Ex-Verkehrsminister nicht teilgenommen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Schraubenzieher-Attacke in Regionalzug
Rassistisch, lebensbedrohlich – aber kein Mordversuch