Ex-Pastor über Klaus-Michael Kühne: „Er ist gut gegen Kritik gepanzert“
Ex-Pastor Ulrich Hentschel über das Sponsoring von Klaus-Michael Kühne, dessen Spedition im NS am Abtransport jüdischen Eigentums verdient hat.
taz: Herr Hentschel, wie viel Macht hat Klaus-Michael Kühne in Hamburg?
Ulrich Hentschel: Sehr viel! Die speist sich zum einen aus seinen Beteiligungen an Hapag-Lloyd und der Lufthansa, zum anderen aus seinem finanziellen Engagement für die Elbphilharmonie, das Literaturfestival „Harbour Front“, die Staatsoper, die Hauptkirche St. Katharinen und andere wichtige kulturelle Einrichtungen. So schafft er es, die Diskussion über die fehlende Beschäftigung mit der lukrativen NS-Geschichte seines Unternehmens kleinzuhalten.
Verhindern finanzielle Abhängigkeiten von Kühne und seinem Vermögen also eine kritische Diskussion über die zentrale Rolle, die das Unternehmen Kühne+Nagel beim Abtransport jüdischen Eigentums aus ganz Westeuropa und Italien spielte? Immerhin vergibt das Harbour-Front-Literaturfestival nun keinen „Klaus-Michael Kühne-Preis“ mehr.
Das war in der Tat eine Reaktion auf die öffentliche Aufmerksamkeit, die entstand, als sich Sven Pfizenmaier von seiner Preis-Bewerbung zurückzog – explizit begründet mit Kühnes Geschichtsklitterung.
72, Pastor in Ruhestand und Blogger (linksabbieger.net). An der Evangelischen Akademie der Nordkirche baute er den Bereich „Erinnerungskultur“ auf.
Die Autorin Franziska Gänsler trat von ihrer Nominierung ebenfalls zurück, weil sie es wiederum untragbar fand, wie die Kühne-Stiftung mit Pfizenmaiers Kritik umging. Ist da nicht doch eine gewisse Dynamik entstanden?
Durchaus, aber das ist noch lange kein Durchbruch. Wahrscheinlich ändert sich erst dann wirklich etwas, wenn in der New York Times mal ein Artikel über Kühnes frühe NS-Profite stünde.
In Bremen war es auch ohne so etwas möglich, ein „Arisierungs“-Mahnmal unweit der neuen Kühne+Nagel-Zentrale zu platzieren – mit Fokus auf die damaligen Speditions-Geschäfte.
In Bremen ist Kühne aber auch gesellschaftlich und als Kultursponsor längst nicht so präsent wie in Hamburg. Hier konzentriert er seine Stiftungsaktivitäten.
Bremen ist der Stammsitz von Kühne+Nagel. Aber es wäre nicht vorstellbar, dass sich der Unternehmer in den örtlichen Fußballverein einkauft.
Auch beim HSV gibt es jetzt eine kleine Fan-Gruppe, die sich kritisch mit der Herkunft von Kühnes Vermögen beschäftigt – aber das ist erst ein kleiner Anfang. Kühne ist gut gegen Kritik gepanzert.
Bei der Diskussion morgen Abend ist niemand von der Kühne-Stiftung dabei – wurde die nicht eingeladen?
Doch, natürlich, aber ohne Erfolg. Leider hat auch Gabi Dobusch, Kulturexpertin der SPD und Abgeordnete der Hamburgischen Bürgerschaft, ihre Teilnahme abgesagt. So entsteht der Eindruck, dass, wie Kühne und die von ihm beschenkten Kultureinrichtungen, auch die Hamburger Politik einer kritischen Debatte ausweichen will.
„Kultur, Kühne, NS-Profite – Nicht schön, aber doch notwendig?“ mit Ulrich Hentschel, Christoph Twickel (Die Zeit). Moderation: Stephan Linck (Ev. Akademie): Di, 25. 4., 19 Uhr, Hamburg, Dorothee-Sölle-Haus, Königstraße 54
Stimmt.
Dabei ist es sehr wichtig zu diskutieren, welche Mitverantwortung die staatliche Kulturpolitik für die Akzeptanz einer bedeutenden NS-Erbschaft hat. Man muss ja über Maßstäbe für eine Grenze sprechen, ab der die kulturelle Förderung, die einem Ablasshandel gleichkommt, aus solchem Vermögen nicht mehr akzeptabel ist. Und wenn Kühne wirklich der Hamburger Patriot wäre, als der er sich immer bezeichnet, würde er hier auch Steuern zahlen – das wäre weit mehr, als er nun an Stiftungsgeldern verteilt.
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