Europawahl in Griechenland: Aus dem Knast ins Parlament
In Griechenland ist der in einem albanischen Gefängnis einsitzende Freddy Beleri ins Europaparlament gewählt worden. Sein Verfahren geht weiter.
Beleri, 52, schaffte es als einer der 42 Kandidaten der konservativen Regierungspartei in Athen, der Nea Dimokratia (ND), ins Europaparlament gewählt zu werden. Das passierte so: Die ND vereinte bei der Europawahl nach Auszählung aller Stimmen 28,31 Prozent der gültigen Stimmen auf sich und entsendet damit sieben Abgeordnete nach Brüssel und Straßburg. Jeder der insgesamt 1.125.602 ND-Wähler konnte bis zu vier ND-Kandidaten ankreuzen. Für Beleri votierten 235.331 ND-Wähler. Damit belegte Beleri Platz vier unter allen 42 ND-Kandidaten – und ist damit ins Europaparlament entsendet.
Der griechische Premier und ND-Chef Kyriakos Mitsotakis hatte am 15. April seine Kandidatur bekanntgegeben. Mitsotakis’ Kalkül war, mit der Kandidatur von Beleri, der politisch ein Rechtsaußen ist, das rechte Profil der ND zu schärfen, um bei den Europawahlen so gut wie möglich abzuschneiden.
Für das Nachbarland Albanien war Mitsotakis' Initiative hingegen eine große Provokation. Mitsotakis' unverhohlene Botschaft in Richtung Tirana lautete indes: „Wir Griechen wollen die Inhaftierung Beleris nicht hinnehmen.“ Denn mit den EU-Standards in Sachen Rechtsstaat habe das gar nichts zu tun, so die Lesart in Athen.
Strafprozess geht auch nach der Wahl weiter
Die Regierung von Albaniens Premier Rama sieht das anders. Gebetsmühlenartig verweist sie auf „die unabhängige Justiz in Albanien“. In Griechenland glaubt das keiner. Fest steht: Beleri ist den albanischen Behörden schon lange ein Dorn im Auge. Im März 1995 wurde Beleri mit weiteren sechs Personen von griechischen Grenzbeamten nahe der griechisch-albanischen Grenze verhaftet.
Die ominöse Gruppe hatte viele Waffen bei sich, darunter ein halbes Dutzend Kalaschnikows, 878 Kugeln und Messer sowie Militäruniformen und Perücken. Prompt stand sie unter Verdacht, einen Anschlag auf ein albanisches militärisches Ziel verüben zu wollen. Zuvor war ein Anschlag auf eine albanische Kaserne mit zwei Toten verübt worden. Beleri und Co. wurden in zweiter Instanz zu 18 bis 20 Monaten Gefängnis verurteilt.
So ist es kein Wunder, dass der Fall Beleri – erst recht nach seiner Kandidatur für das Europaparlament – zu einem handfesten Politikum avanciert ist. Die heikle Personalie dürfte nun, nach der Wahl Beleris ins Europaparlament, weitere Kreise ziehen.
Die nächste Episode in der Strafsache Beleri stand ursprünglich am 27. Mai, dreizehn Tage vor den Europawahlen, an. Da sollte der Fall Beleri in der Berufung an einem albanischen Gericht neu verhandelt werden. Der Termin wurde auf den 7. Juni verschoben, zwei Tage vor den Europawahlen. Erneut kam es zu einer Verschiebung. Der nächste Gerichtstermin ist für den 14. Juni anberaumt, also den Freitag dieser Woche – nach Beleris Wahl ins Europaparlament.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Kaputte Untersee-Datenkabel in Ostsee
Marineaufgebot gegen Saboteure
Psychiater über Kinder und Mediennutzung
„Die Dinos bleiben schon lange im Schrank“
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“