piwik no script img

Europäischer Gewerkschaftsbund warntKonzernchefs verdienen 110 mal mehr als Arbeiter

In Brüssel warnen Gewerkschafter vor der riesigen Kluft der Gehälter und ungezügeltem Kapitalismus. Das gefährde die Wirtschaft und die Demokratie.

Vor Beginn des Weltwirtschaftstreffens in Davos soll auch die wachsende Ungleichheit in den Gehältern von Arbeitnehmern und Konzernchefs thematisiert werden Foto: Gian Ehrenzeller/keystone/dpa

Brüssel taz | Die Kluft zwischen dem Einkommen von Arbeitnehmern und von Konzernchefs wird immer größer, kritisiert der Europäische Gewerkschaftsbund (ETUC). Vor dem Weltwirtschaftsforum, das am Montag in Davos beginnt, warnt ETUC-Chefin Esther Lynch zudem vor einem ungezügelten Kapitalismus à la Donald Trump und Elon Musk.

Die Chefs in Europas Topkonzernen verdienen nach Berechnungen des Gewerkschaftsbunds 110 Mal so viel wie ein einfacher Arbeiter oder Arbeitnehmer. Das Jahreseinkommen der CEOs in den hundert größten europäischen Unternehmen lag demnach im Durchschnitt bei 4.147.440 Euro. Demgegenüber habe es für einen normalen Vollzeitjob nur 37.863 Euro gegeben.

Die riesige Kluft schade sowohl der Wirtschaft als auch der Demokratie, warnen die Gewerkschafter. Zu niedrige Löhne tragen demnach zum Arbeitskräftemangel bei. Außerdem untergrabe die wachsende Unzufriedenheit mit Einkommen und Job den Glauben in die demokratischen Institutionen. Anders gesagt: Die Ungleichheit treibt Arbeiter in die Arme der AfD.

„Die obszöne Kluft zwischen Arbeitern und Konzernchefs zeigt, dass wir die Wirtschaft dringend neu ausrichten müssen“, so Lynch. Eine zentrale Rolle spielten dabei Tarifverträge. Die EU müsse mehr tun, um die Tarifbindung in europäischen Unternehmen zu steigern. Als Ziel nennt der ETUC eine Abdeckung von 80 Prozent.

EU Kommission soll sich für gut bezahlte und hoch qualifizierte Jobs einsetzen

Wichtig sei auch, gut bezahlte und hoch qualifizierte Jobs zu fördern. Dies trüge auch zur Wettbewerbsfähigkeit bei. Europa ist in den letzten Jahren hinter die USA und China zurückgefallen. Die EU-Kommission bereitet derzeit einen Aktionsplan für mehr Wettbewerbsfähigkeit vor.

Eine klare Warnung richten die Gewerkschaften an die in Davos versammelten Manager und Politiker, zu denen auch EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen zählt. Sie sollten nicht Donald Trump und dem mit ihm verbündeten X-Chef Elon Musk folgen und die Wirtschaft deregulieren, sondern sich auf Europas Stärken besinnen – wozu auch gut ausgebildete Arbeitnehmer gehörten.

Musk und die Tech-Brothers haben nicht die richtige Einstellung“, meint Lynch. Der Milliardär Musk stehe für einen zügellosen Kapitalismus. Es wäre „eine Katastrophe“, wenn Europa versuchen sollte, auf der Grundlage niedriger Löhne, schlechter Arbeitsbedingungen oder langer Arbeitszeiten wettbewerbsfähig zu werden.

In Deutschland hat FDP-Chef Christian Lindner gefordert, „mehr Musk zu wagen“ – und sich damit viel Ärger eingehandelt. Musk steht Gewerkschaften ablehnend gegenüber. Er hat sich in den Dienst des kommenden US-Präsidenten Trump gestellt und will ihn bei der Kürzung von Ausgaben beraten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

12 Kommentare

 / 
  • Die "oberen paar Zehntausend" gab es schon immer. Das begann bereits in der Bronzezeit. Und genauso lange wird über Gerechtigkeit geredet.



    Früher kam halt der Graf vorbei und hat Schutzgeld kassiert, heute nennt sich das Solidarität, Schutz vor der Klimakatastrophe, etc. und die ist leider erheblich teurer geworden als der Zehnte. Zahlen tut das wie eh und je der Arbeiter.

  • Die Verteilung der Einkommen ist in einer Schieflage und muss dringend verändert werden, sonst wird sich an den großen Problemen der Gesellschaft nichts ändern.

  • Die Verteilung der Einkommen ist in einer Schieflage und muss dringend verändert werden, sonst wird sich an den großen Problemen der Gesellschaft nichts ändern! Warme Worte und reine Absichtsbekundungen helfen aber dabei nicht weiter. Die gibt es schon seit Jahrzehnten und trotzdem wird das Problem nicht kleiner sondern immer größer. Wir müssen endlich eine vernünftigere Verteilung des Wohlstands erreichen! Ich finde, linke Intellektuelle sollten sich mehr dieses Themas annehmen als bisher und sich nicht hinter Scheinlösungen verstecken.

  • Und diese -zumeist männlichen- Leute machen alles !! um die Gewerkschaften zu schwächen. Allerorten wird von "Lohnverzicht" geschwafelt, doch den Begriff "Profitverzicht" gibt es gar nicht. Und die Pfründe, die sich die Top-Manager gegenseitig qua Aufsichtsräten zuschieben, werden auch nicht angetastet - im Gegenteil: selbst bei höchst mieserabler Perfomance bleibt es bei den unverschämten Zuwendungen; siehe VW oder Deutsche Bahn. Das sollte sich mal ein Arbeitnehmer erlauben, der am Fließband einen Fehler macht....

  • Wer wählt eigentlich unsere Politischer?

    Tatsächlich müssten Gering- und Normalverdiener alle zumindest die SPD wählen. Dann wäre das alles zumindest nicht so extrem.

    Leider ist es anders.

    • @Gnutellabrot Merz:

      Sie meinen die Politik soll entscheiden wie viel ein Unternehmen seinen Managern maximal zahlen darf?

  • Nicht: verdienen.



    Sie erhalten das, sich gegenseitig das zuschiebend, um die Räuber-Bande eng geknüpft zu halten.



    Machtpositionen sind dienende Positionen, nicht Bereicherungsposten für Söhne von Vätern.

    • @Janix:

      Leider bekommen sehr viele der Ausbeuter und Selbstbediener nie das, was sie verdienen.

  • Einer der Väter der sozialen Marktwirtschaft (ich meine Erhard) hat mal gesagt, dass ein Fabrikbesitzer nicht mehr als 10x so viel verdienen sollte wie einer seiner Arbeiter.



    Da sind wir heute aber einen ordentlichen Schritt "weiter", gell?

    • @Kaboom:

      Ludwig Erhards Ratschlag zum "Maßhalten" war damals der Brüller in Büttenreden und auf Rosenmontagswagen.



      Das Ergebnis des Ignorierens kommt aber erst noch.

    • @Kaboom:

      Robert Bosch hat seinem Betrieb vorgeschrieben, dass die Manager-Zahlungen (die manche "Schweigegeld" nennen) vergleichbar gedeckelt wurden. Der Firma scheint es seitdem gutgetan zu haben.

      • @Janix:

        Viele äußerst erfolgreiche Firmen in D (bzw. deren Chefs/Gründer) beweisen seit Jahrzehnten, dass man kein A****loch sein muss, um eine Firma "groß" zu machen. Hierzulande könnte man glatt auf die Idee kommen, Identifikation mit der Firma, einhergehend mit der quasi automatisch auftretenden Motivation etc. hilft dabei.



        Andererseits ... kann das ja angesichts des geschäftlichen Erfolges von Leuten wie Musk eigentlich gar nicht sein.