Europa und die Moria-Krise: Auf der Flucht vor Verantwortung
Das Desaster auf Moria löst keine Anstrengungen zum gemeinsamen Handeln aus. Im Gegenteil: Es geht weiter nur um Abwehr.
M enschen in miserabel ausgestatteten Lagern über Jahre, wartend auf ihre Zukunft: Die Lage der Migranten auf Lesbos ist bitter. In Deutschland ist das ein großes Thema. Ganz anders sieht es in weiten Teilen der EU aus. Die Unterstützung für diese Menschen beschränkt sich häufig auf Lippenbekenntnisse, so das Thema überhaupt eine Schlagzeile wert ist.
Eine Ursache für diese Tatsache liegt in der Politik der Bundesregierung vor fünf Jahren begründet, als diese Hunderttausende Migranten ins Land ließ. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Dieser Schritt war richtig, weil er die Humanität vor bürokratischen Einzelregelungen gestellt hat. Die bis heute andauernde Folge davon aber ist, dass viele EU-Mitglieder sich von der Verantwortung für die Aufnahme weiterer Flüchtlinge endgültig enthoben glauben.
Diese Lage ist aber auch für die Bundesregierung Grund genug, umfassende Hilfsleistungen mit Verweis auf eine notwendige europäische Lösung zu verweigern, der sich wiederum die meisten EU-Mitgliedsstaaten mit Hinweis auf die Politik der Bundesrepublik verschließen. So beißt sich die Katze in den Schwanz. Aus der Verpflichtung zum moralischen Handeln erwächst keine gemeinsame Politik. Partikularinteressen stehen über kollektiver Verantwortung. Und dabei setzt sich immer mehr der Wunsch durch, gar keine Migranten mehr aufnehmen zu müssen.
Die EU-Kommission folgt nun dieser Linie. Ihre Pläne sehen an erster Stelle die Abwehr von Flüchtlingsbewegungen vor. Jahrelang hat Europa keine Einigung über eine Verteilung der Migranten finden können. Die Konsequenz lautet: Die Verteilung möge außerhalb Europas stattfinden. Das Desaster auf Moria löst nicht etwa Anstrengungen zum gemeinsamen Handeln bei der Integration von Flüchtlingen aus. Das Gegenteil ist der Fall: Es geht weiter nur um deren gemeinsame Abwehr. So kann man einen Konflikt innerhalb der EU vielleicht kurzfristig lösen. Den Verfolgten aber hilft das nicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe