„Euro-Memorandum 2016“: Wirtschaft begrüßt Flüchtlinge
320 Wirtschaftswissenschaftler erwarten durch die Flüchtlinge positive Effekte auf die EU-Volkswirtschaften. Doch es gebe auch ein Problem.
„Das Nadelöhr sind aber die Arbeitsmärkte“, sagte Mitunterzeichner Heinz-J. Bontrup der taz. Der Wirtschaftsprofessor ist Sprecher der deutschen Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik. „Das Prekariat ist selbst in Deutschland – mit seinen scheinbar so günstigen Arbeitsmarktdaten – so groß wie nie.“ Deshalb brauche Europa einen Kurswechsel. Sozialleistungen für Migranten könnten helfen, die Krise in Europa zu bewältigen, weil sie die Binnennachfrage ankurbeln.
Anders als in den USA erholt sich die Wirtschaft in Europa nur schleppend. In der Eurozone beträgt die Arbeitslosigkeit acht Jahre nach Ausbruch der großen Finanzkrise immer noch 10,7 Prozent, zudem hat jeder fünfte Jugendliche keinen Job, kritisieren die Wissenschaftler.
Auch für die Zukunft sehen die überwiegend linken und keynesianischen Wissenschaftler der 1995 gegründeten Vereinigung schwarz. „Die wirtschaftlichen Aussichten Europas sind weiterhin düster: geringes Wachstum und hohe Arbeitslosigkeit.“ Obwohl die Wirtschaftsleistung in den meisten Ländern wieder steige, bleibt sie in den südlichen und in vielen östlichen Mitgliedstaaten deutlich unter dem Niveau von 2007, als die Finanz- und Staatsschuldenkrise ausbrach. „Europa ist weiterhin sozial und wirtschaftlich polarisiert.“ Und politisch entmachtet. Griechenland habe „uns die Augen geöffnet“, schreiben die Memorandum-Ökonomen.
„Solidarität statt Austerität“
Europäische Zentralbank, Internationaler Währungsfonds oder EU-Kommission hebelten mit ihren „Rettungsprogrammen“ Gesetze aus, die Parlamente der Krisenländer beschlossen haben, kritisierten die Ökonomen. Weite Teile der Wirtschaftspolitik würden so der Handlungssphäre demokratisch gewählter Regierungen entzogen. „Solidarität statt Austerität“ sei auch eine Grundlage, um populistischen fremdenfeindlichen Positionen zu begegnen, heißt es im Memorandum.
Am Dienstag zog indes die Sparpolitik der griechischen Regierung erneut Proteste nach sich. Aufgebrachte Landwirte blockierten wichtige Straßenverbindungen sowie Grenzübergänge nach Bulgarien und zur Türkei, um Rentenreform sowie Steuererhöhungen in Griechenland zu kritisieren. Gleichzeitig setzten Rechtsanwälte und Notare ihren seit 15 Tagen dauernden Streik fort.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!
Wissenschaftlerin über Ossis und Wessis
„Im Osten gibt es falsche Erwartungen an die Demokratie“