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EuGH zu ÄckerprivatisierungBodenspekulation im Osten erschwert

Bei überhöhten Kaufangeboten darf die Privatisierung von Agrarflächen verhindert werden. Der Fall aus Sachsen-Anhalt geht zurück an das BGH.

Begehrt: Ackerflächen. Foto: dpa

Luxemburg/Berlin t |az/dpa | Der deutsche Staat muss seine Agrarflächen nicht zu spekulativ überhöhten Preisen verkaufen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) bestätigte am Donnerstag, dass Behörden in solchen Fällen Verkäufe untersagen können. Der Verkauf an den Meistbietenden führe nicht unbedingt zum Marktwert, entschieden die Luxemburger Richter. Es seien auch andere Methoden denkbar, etwa Gutachten.

Damit verwiesen die Richter einen Fall aus Sachsen-Anhalt zurück an den Bundesgerichtshof. Dort hatte der Landkreis Jerichower Land einen Landverkauf durch die staatliche Bodenverwertungs und -verwaltungsgesellschaft (BVVG) gestoppt, weil aus seiner Sicht der Preis den Verkehrswert um mehr als 50 Prozent überstieg.

Friedrich Ostendorff, agrarpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag, begrüßte das Urteil. „Das bestätigt unsere Auffassung, dass die öffentliche Hand nicht mit Land zu spekulieren hat“, sagte er der taz. Es könnte dazu beitragen, die „fatale Entwicklung“ in den östlichen Bundesländern zu stoppen, dass die Konzentration von Grundbesitz weiter zunimmt. „Die Entscheidung wird den Bauern ein bisschen nutzen“, so Ostendorff. Denn der Staat könne ihnen Land verkaufen, auch wenn ein Großinvestor etwa von außerhalb der Landwirtschaft einen viel höheren Preis bietet.

Auch die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) lobte den Richterspruch. In Ostdeutschland müsse jetzt aber die gängige Praxis unterbunden werden, das meiste Land billig an „agrarindustrielle LPG-Nachfolgebetriebe“ zu verpachten und zu verkaufen, teilte der Verband mit.

Die Bodenpreise im Osten haben sich seit 2007 nahezu verdreifacht, auch die Pachtpreise schnellen hoch. Die BVVG, eine Nachfolgerin der Treuhand, verkauft einst volkseigene Flächen in Ostdeutschland bislang zu Höchstgeboten. In ihrem Bestand sind noch rund 177.000 Hektar Acker- und Weideland sowie 16.000 Hektar Wald – insgesamt mehr als sechsmal so viel wie die Fläche der Stadt München.

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4 Kommentare

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  • Mut zur konsequenten Umwelt- und Naturschutzgesetzgebung schadet dem Standort keinesfalls. Die Antwort auf die vergangene LPG-Agrarstruktur darf weder Rückkehr zum Junkertum sein, noch der Ausverkauf an internationale Agrarspekulanten, die längerfristig nur verbrannte und vergiftete Erde zurücklassen werden und ihre Gewinne woanders anlegen.

     

    Die Landwirtschaft in Deutschland hat seit 1990 nur noch ein Fünftel der Beschäftigungszahlen, produziert aber inzwischen fast dreimal so viel – bei stagnierender Bevölkerungszahl!

     

    Den Preis zahlen wir alle durch vergiftete und zerstörte Umwelt. Dieser Strohhalm wird auch für strukturschwache Regionen keine Rettung bedeuten, im Gegenteil: Viele positive und zukunftsträchtige Ansätze und Entwicklungen der letzten 20 Jahre werden dadurch wieder zunichte gemacht.

  • 2G
    23879 (Profil gelöscht)

    Die „agrarindustriellen LPG-Nachfolgebetriebe“ sind regelmäßig die größten Arbeitgeber in den ostelbischen Dörfern. Nebenbei übernehmen sie aus ihrer gewachsenen Tradition heraus auch oft genug kommunale bzw. soziale Aufgaben. Wenn's mal irgendwo klemmt im Dorf, kommt von dort oft praktische Hilfe, weil man sich seiner Verantwortung für die Dorfgemeinschaft bewußt ist. Insofern ist das Land bei diesen Betrieben mit Sicherheit besser aufgehoben als bei irgendwelchen ortsfremden Spekulanten und fragwürdigen Investgesellschaften. Ob das der westdeutschen AbL paßt, ist dabei völlig irrelevant.

    • @23879 (Profil gelöscht):

      Darum geht es der AbL ja wahrscheinlich auch gar nicht - der geht es um die negativen Effekte, die große Betriebe häufig mit sich bringen, insbesondere im Bereich Gewässerqualität, Bodenschutz, Natur- und Artenschutz, etc.

      Hängt natürlich maßgeblich mit der Bewirtschaftsform zusammen, aber es gibt den nachweisbaren Zusammenhang zwischen Größe und schlechten Folgen für Ökosystem- und andere Allgemeinwohlleistungen.Es ist also kein Wunder, dass die AbL und andere lieber kleinere Betriebe sehen würden, die besser auf Umwelt-, Natur- und Tierschutz achten können und letztlich auch mehr Arbeitsplätze benötigen.

      Für mich letztlich auch unverständlich warum jetzt hier so eine Wessi-Ossi-Front aufgemacht werden muss. Damit hat es wirklich nichts zu tun, gibt ja auch ostdeutsche Landwirte in der AbL oder in anderen Ökolandbau-Verbänden. Hier geht es um Landspekulationen und Bewirtschaftsformen, nicht um den Dialekt der Bauern.

      • 2G
        23879 (Profil gelöscht)
        @Harmakhis:

        Falsch. Die AbL vertritt profane wirtschaftliche Interessen. Sie will, daß Ihre Mitglieder mehr Land bekommen. http://www.deutschlandradiokultur.de/wir-haben-alle-nichts-abgekriegt.1001.de.html?dram:article_id=156582

         

        Hier wird auch keine Ost-West-Front "aufgemacht", hier werden nüchterne Fakten beschrieben. Sehen Sie sich doch an, woraus sich der Bundesvorstand der AbL rekrutiert. Nicht ein einziger Ostdeutscher dabei.

         

        Daß es sich kleinere Betriebe tendenziell eher leisten können, ökologischer zu wirtschaften, halte ich für ein Gerücht. Es steht Ihnen frei, ihre Behauptung zu belegen.

         

        Aus eigener Erfahrung würde ich jedenfalls immer die LPG-Nachfolger bei der Landverpachtung bevorzugen. Die Gründe habe ich bereits ausführlich benannt.