EuGH-Urteil zu „Pfotenhilfe Ungarn“: Tierschutz gilt auch für Tierschützer
Eine Organisation vermittelt herrenlose Hunde nach Deutschland. Ohne Profitinteresse. Die EU-Vorgaben müssen trotzdem eingehalten werden.
Das Urteil betrifft die gemeinnützige Organisation „Pfotenhilfe Ungarn“, die Hunden aus Osteuropa hilft. Über die Homepage des Vereins bot die Pfotenhilfe eine Vermittlung von herrenlosen Hunden an, die sich in ungarischen Tierheimen befinden. Vor der Vermittlung eines Hundes wurde ein „Schutzvertrag“ abgeschlossen. In ihm verpflichtet sich der künftige Hundehalter zu artgerechter Haltung und zur Zahlung einer Gebühr von üblicherweise 270 Euro. Anschließend wurden die Hunde von Vereinsmitgliedern nach Deutschland transportiert. Auf diese Weise hat Pfotenhilfe Ungarn von 2007 bis 2012 über 2.000 Hunde vermittelt.
Der Rechtsstreit wurde im Dezember 2009 ausgelöst, als die Pfotenhilfe 39 Hunde nach Deutschland verbrachte. Die Veterinärämter in Schleswig-Holstein wollten die Tiere kontrollieren, weil bei mindestens einem Hund der Gesundheits- und Impfstatus zweifelhaft war. Solche Kontrollen seien zulässig, weil Pfotenhilfe Ungarn eine wirtschaftliche Tätigkeit durchführe. Der Verein widersprach, man führe lediglich Haustiertransporte durch und habe kein Profitinteresse.
Bei internationalen Tiertransporten zu wirtschaftlichen Zwecken gilt eine EU-Richtlinie. Diese dient dem Schutz der Tiere beim Transport, soll aber auch die Ausbreitung von Tierseuchen verhindern.
Der Rechtsstreit ging in Deutschland durch die Instanzen. Das Bundesverwaltungsgericht legte den Fall schließlich dem EuGH vor. Dieser entschied nun, dass die strengen Tierschutzvorschriften auch für die Pfotenhilfe Ungarn gelten. Eine „wirtschaftliche Tätigkeit“ liege auch dann vor, wenn ein Verein „keine Gewinnerzielungsabsicht“ habe.
Im vorbereitenden Gutachten war die EuGH-Generalanwältin Eleanor Sharpston zwar zum gleichen Ergebnis gekommen. Sie hatte jedoch angemerkt, dass es „ans Absurde grenzt“, Vereine wie die Pfotenhilfe den detaillierten EU-Vorschriften zu unterstellen. Solche Vereine verfügten kaum über die erforderlichen Mittel, um solchen Vorgaben nachzukommen. Hier müsse der europäische Gesetzgeber Abhilfe schaffen. Ein derartiger Hinweis fehlt allerdings im endgültigen Urteil des EuGH. (Az.: C-301/14)
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