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Steuergeld für nicht eingespeisten StromSolarstrom wird zum Hauptproblem im Netz

Erzeuger von Strom aus erneuerbaren Quellen haben 2024 fast 554 Millionen Euro vom Bund als Entschädigung erhalten. Wegen Netzengpässen konnten sie ihre Energie nicht einspeisen.

2024 war es insgesamt windärmer war als im Vorjahr Foto: Jochen Tack/imago

Freiburg taz | Erzeuger von Strom aus erneuerbaren Quellen haben 2024 vom Bund fast 554 Millionen Euro Entschädigung erhalten, weil sie ihre Energie wegen Netzengpässen nicht einspeisen konnten. Das geht aus einer Antwort des Bundeswirtschaftsministeriums an den Linken-Abgeordneten Dietmar Bartsch hervor. Im Vergleich zum Vorjahr ist der Wert damit leicht gesunken: 2023 waren es rund 580 Millionen Euro gewesen: knapp 5 Prozent mehr.

Gut 40 Prozent der Entschädigungszahlungen flossen 2024 an Anlagenbetreiber in Niedersachsen, 27 Prozent nach Schleswig-Holstein. Diese Zahlen korrelieren eng mit der installierten Leistung an Windkraftanlagen. Die am häufigsten abgeregelten Erneuerbare-Energien-Anlagen waren nämlich Windkraftanlagen, wie Zahlen der Bundesnetzagentur ausweisen. Die verlorenen Strommengen der Offshore-Windkraft lagen 2024 bei rund 4,6 Milliarden Kilowattstunden, bei der Windkraft an Land wurden 3,4 Milliarden Kilowattstunden nicht erzeugt.

Die Höhe der Entschädigungen hängt stark von der Witterung ab. Dass die Abregelung von Offshore-Anlagen 2024 gegenüber dem Vorjahr um 20 Prozent und jene von Onshore-Anlagen um 15 Prozent rückläufig war, sei „vor allem darauf zurückzuführen, dass es 2024 insgesamt windärmer war als im Vorjahr“, erklärt die Bundesnetzagentur. Schließlich sank die Windstromerzeugung um gut 2 Prozent – trotz einer Erhöhung der Anlagenleistung im Vergleich zum Vorjahr um 5 Prozent.

Auf Platz drei der Empfängerländer von Entschädigungszahlungen folgt inzwischen Bayern, das gut 16 Prozent der Gelder erhält. Dort sind die großen Netzengpässe allerdings durch die Photovoltaik bedingt, die in jüngster Zeit zu rapide ansteigenden Abregelungen führt: Nachdem bundesweit im Jahr 2023 noch 700 Millionen Kilowattstunden Solarstrom aufgrund von Netzengpässen nicht erzeugt werden konnten, verdoppelte sich die Menge im Jahr 2024 annähernd auf fast 1,4 Milliarden.

Bereits 8 Prozent der abgeregelten Ökostrom-Mengen entfallen auf die Photovoltaik. Einen vorläufigen Spitzenwert hatte der Mai 2024 mit 264 Millionen verlorenen Kilowattstunden Solarstrom erreicht, doch schon in diesem Sommer dürfte es noch höhere Zahlen geben.

Längst wird der Solarstrom zum Hauptproblem im Netz. Im Mai warnte daher die Bundesnetzagentur, bei weiterer Zunahme der nicht steuerbaren Photovoltaik-Einspeisung könne „nicht völlig ausgeschlossen“ werden, „dass die Netzbetreiber künftig als letztes Mittel vorübergehend einzelne Netzbereiche vom Netz nehmen, um das Gesamtsystem stabil zu halten“.

In Frage kämen dafür „natürlich nur ländliche Netzbereiche, die einen deutlichen Photovoltaik-Einspeiseüberschuss aufweisen“. In den betroffenen Gebieten, so die Regulierungsbehörde, „würde sich dies als vorübergehender Stromausfall bemerkbar machen“. Um das zu vermeiden, will die Bundesregierung mit dem Solarspitzengesetz jetzt der unkontrollierten Einspeisung Einhalt gebieten.

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12 Kommentare

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  • Ein Problem der Energie-/Wärmewende ist, dass die Politik, getrieben auch durch Unternehmensinteressen, immer in großen Lösungen denkt. Dabei gibt es seit Jahrzehnten Ideen zu dezentralen, vom individuellen Haus oder Unternehmen bis zur Kommune oder Landkreis, Lösungen. Deren klarer Vorteil ist, dass keine nationalen bis europäische Netz aufgebaut und gewartet werden müssen, die Verantwortung für Kosten und Gewinne lokal verankert bleibt und damit soziale Versorgungssicherheit vor Gewinnabsichten gehen kann. Technisch denkbar wären z. B. Kombinationen von nachhaltigen Energie-/Wärmequellen wie Wind- und Solarenergie mit Erdsonden-Wärmespeicher oder Erdwärme-Kollektoren. Über entsprechende Wandler kann elektrische Energie und Abwärme von z.B. Kühlanlagen als Wärmeenergie gespeichert und später als Wärme oder elektrische Energie wieder nutzbar gemacht werden. Verhindert wird der schrittweise Ausbau dezentraler (Selbst-)Versorgung durch Gesetze und langfristige Verträge und einer Vorliebe von PolitikerInnen für Großprojekte. Die Eröffnung eines LNG-Terminals oder Stromtrasse macht mehr her, als die Meldung dass eine Gemeinde oder ein Unternehmen energieautark ist.

  • Mein Gott, ganz schön viel!



    Da fällt das jährliche Milliönchen an die Jäger für verstrahltes Wildschweinfleisch aus Tschernobylzeiten nicht weiter ins Gewicht ..

    Bekommt der Staat denn wenigstens Schadensersatz von jenen die mit dem Stromnetzausbau nicht nach kommen ?

  • Werden die Betreiberfirmen der schwächlichen Netze wegen ihres zögerlichen Ausbaus an den Kosten beteiligt?

    Stromüberschuss im Norden erzeugt Strommangel im



    Süden (und andersherum), da bei Börsenstrompreis unter Null kein Energiekonzern teure Gaskraftwerke anwerfen oder im Ausland zukaufen will - da zahlt er mit jeder kW-Stunde doppelt drauf. Also lässt er es...

    Außerdem: Wollten Unternehmen mit "Überschussstrom" nicht mal E-Fuels und Wasserstoff produzieren?

  • Im Sommer zu viel Strom der nicht gebraucht wird ( und trotzdem bezahlt werden muss), im Winter zu wenig Strom aus regenerativen Quellen - das Konzept für eine gesicherte Stromversorgung ist



    komplex und kostspielig, auch wenn uns manche Politiker/inen



    einreden wollen, das alles nichts kostet (….schickt keine Rechnung)

  • Auch weil die Verbraucher die Zeiten von günstigem Strom noch nicht nutzen - denn wenn wir z.B. bei Sonne, mehr raus ziehen, dann kann auch mehr rein.



    Genaus deshalb ist bei dyn. Stromtarifen mittags der Preis recht niedrig.



    Aber unsere jetzige Bundesregierung senkt unabhängig von der Stromverfügbarkeit den Strompreis - anstatt die Hürden für dyn. Strompreise zu entfernen...

    • @Solar4Life:

      Das haben die alten Regierungen schon verschleppt. Keine Snartmeter. Ohne die klappt auch kein dynamischer Tarif. Stromzonen Ost, Süd, Nord wären ebenfalls nötig. Keine garantierte Einspeisevergütung zu jeder Uhrzeit wäre auch nicht schlecht. Staat dessen garantierte Preise zu Nebenzeiten und um 12 Uhr mittags gibt es nichts mehr.

  • Leider eine unausweichliche Katastrophe, gegeben das jeder Diskurs über die Komplexität des Stromnetzes schlussendlich durch eine Argumentation über den Klimawandel unterbunden wird.

    Aber ein großes Danke, das auch dieser Seite des Problems nun Aufmerksamkeit gewidmet wird.

    • @Stubenhocker1337:

      Was für eine Katastrophe?

    • @Stubenhocker1337:

      Man könnte natürlich auch, anstatt denen die Schuld zu geben, die erkannt haben, dass der Klimawandel DAS existenzgefährende Problem unserer Zeit ist, mal in die Infrastruktur investieren, die diese Probleme löst.

      Aber das ist natürlich weniger einfach. Insbesondere in einer Wirtschaftsordnung, die allergisch reagiert, wenn man Geld ausgeben muss, ohne dafür kurzfristigen Profit zu sehen.

  • Diese Überschrift ist verdreht: Das Netz (und die fehlende Speicherinfrastruktur) wird zum Problem für den Solarstrom.

    Natürlich sollte das Instrument der Einspeisevergütung differenzierter sein. Aber das Hauptproblem ist ein Infrastrukturproblem.

    Der Speicherausbau sollte im Fokus staatlicher Anreize stehen, gemeinsam mit der Dynamisierung des Verbrauchs.

  • Und wer war der zuständige Bundesminister im fraglichen Zeitraum? Was hat er getan?

  • Wieviele Stromausfälle wären den nötig, eventuell müssen wir diese einfach akzeptieren um den Rest des Jahres günstigen Strom zu haben.