Essen auf Weihnachtsmärkten: Ist das bio? „Keine Ahnung“
Fleisch aus Massentierhaltung dominiert das Angebot auf vielen Weihnachtsmärkten. Von Öko- oder Tierschutzsiegeln fehlt oft jede Spur.
Die Wurst schmeckt wie jede x-beliebige, das Brötchen scheint normale Backindustrieware zu sein. Kostenpunkt für alles: 4,50 Euro.
Weit und breit sind an den mit vielen Lichtern dekorierten Holzbuden weder Biosiegel noch Tierschutzangaben zu entdecken. Auch nicht an der laut Betreiber „größten Erzgebirgspyramide Europas“, in deren Erdgeschoss unter anderem Glühwein, Longdrinks und Bier vom Fass ausgeschenkt werden.
Arnold Bergmann, der Inhaber der Eventfirma, die den Markt organisiert, sagt auf Anfrage, er wisse nicht, wie die Tiere für das Fleisch gehalten wurden. Er verweist auf den Großhändler, der aber auf eine Mail bis Redaktionsschluss nicht antwortet.
Das Schwein hat nur 0,75 Quadratmeter Platz
Vermutlich kommt das Fleisch also aus den üblichen Ställen: Ein 110 Kilogramm schweres Schwein hat dort nur 0,75 Quadratmeter Platz. Es gibt keinen Auslauf, keinen Zugang zu frischer Luft, keine Stroheinstreu als Beschäftigungsmaterial. Damit sich die Tiere in dieser Monotonie und Enge nicht aus Langeweile und Frustration die Ringelschwänze gegenseitig abfressen, werden sie ihnen abgeschnitten. Auch wenn nur wenige Tiere erkranken, bekommt der ganze Stall Antibiotika.
Sollten die Tiere aus besserer Haltung stammen, wäre das ein Verkaufsargument, das der Betreiber des Weihnachtsmarkts sicherlich nutzen würde.
„Currywurst“, „Nackensteak“, „Hähnchenpfanne“ steht auf brauen Holzschildern, die am Vordach einer Bude hängen. Fleisch dominiert das Angebot an herzhaften Speisen auf diesem Weihnachtsmarkt bei Weitem. Der Weihnachtsmarkt auf dem Berliner Alexanderplatz ist wie viele andere nichts für Veganer, Tier- oder Umweltschützer.
Es gibt aber wenige Ausnahmen: Ein Stand hat Vegetarisches aus Indien im Angebot, eine Pizzazunge ohne Fleisch, eine „Tornado-Kartoffel“ – Kartoffelscheiben, die auf einen Spieß geschoben und anschließend frittiert werden.
In einer Bude packt eine Verkäuferin gerade Maiskolben auf einen Grill. Sie kommen direkt aus der Tiefkühltruhe, das weiße Eis klebt noch an der Oberseite der Kolben, was nicht so appetitlich aussieht.
Die Tornado-Kartoffel-Bude überrascht
Überraschung an der Tornado-Kartoffel-Bude: „Die sind bio“, behauptet der Verkäufer felsenfest, als ich für meine elfjährige Tochter einen Spieß bestelle. Warum schreiben Sie das nicht auf die Schilder? „Keine Ahnung. Interessiert hier niemanden.“ Da dürfte er recht haben. Aber wer nachhaltige Lebensmittel essen möchte, kommt wohl auch deshalb nicht zu diesem Weihnachtsmarkt, weil das Angebot so mau ist.
„Lecker“, sagt meine Tochter über die Tornado-Kartoffel. „Schmeckt wie Kartoffelchips.“ Und: „Gefühlt alles ist in Fett getränkt.“
Fett ist ein Geschmacksträger, macht aber auch „pappsatt“, wie die Elfjährige an sich selbst bemerkt, als sie dann auch noch eine Tüte gebrannte Mandeln verputzt hat, die schön viel Zucker enthalten. An dem Stand hat der Verkäufer für die Biofrage nur ein Lachen übrig.
Mein achtjähriger Sohn verschlingt derweil eine Portion klebriger Zuckerwatte mit rosa Farbstoff und Erdbeergeschmack, die größer ist als sein Kopf. Im Crêpes-Stand nebenan türmen sich die Nutella-Gläser auf drei Etagen.
„Wenn man das jeden Tag isst, wird man bestimmt total dick“, sagt die Tochter. Womit sie recht haben dürfte – aber wir gehen ja nicht jeden Tag auf den Weihnachtsmarkt.
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