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Essay zum Linksliberalismus in EuropaRevolution. So friedlich wie möglich

In zwei Jahrzehnten hat der Neoliberalismus den Sozialstaat abgebaut, geholfen haben dabei Linksliberale. Revolution ist aber noch möglich.

Linksliberal revolutionäre Faust Foto: misterQM / photocase.de

Ein bisschen deppert schaut er zuweilen drein, der „postmoderne Intellektuelle“ von heute. Die Intelligenz Europas und die neoliberale Ideologie sind eine verheerende Mesalliance eingegangen. Ohne es sich bewusst zu machen, haben Linksliberale (hey, das sind ja wir – ja, Sie sind gemeint) das Ende der Demokratie mit postmoderner Weltverleugnung protegiert. Wir sollten uns entscheiden: Entweder machen Sie sich zunehmend prekarisiert, aber weiterhin wellnessorientiert zur Mittäterin; oder Sie schauen den Verbrechen des Neoliberalismus ins Antlitz und freunden sich mit dem Gedanken an eine seriös formulierte Revolution an.

Die Erzählung der neoliberalen Epoche war, dass durch die „Herausforderungen der Globalisierung“ ein ökonomischer Zustand eingetreten sei, der die Entfachung gesellschaftlicher Zuspitzung erfordere. Ein „Ruck“ müsse „durch Deutschland gehen“, um den behaupteten „Reformstau“ zu überwinden und im „Wettbewerb der Nationen“ siegreich zu sein. Die „Staatsverschuldung“ sei horrend, deswegen müssten die Steuern für die Reichen gesenkt, Staatsbetriebe privatisiert und der Sozialstaat geschrumpft werden.

Für die Selbstverwirklichung dieser Ideologie seien die Besitzlosen nun zu schröpfen, also alle abhängig Beschäftigten, insbesondere die jüngere Generation Europas. Ebenjene Kohorten, die aufgrund ihrer demografischen Minderheitenposition bei Wahlen weniger gefährlich sind (heute alle unter 40). Großeigentümer und Erben aller Altersklassen trügen indes die „unternehmerische Verantwortung“. Damit sie diese freudvoller ausüben würden, müsse ein Prozess ablaufen, der allen Ernstes „Hinunterrieseleffekt“ genannt wurde (Trickle-down-Effekt).

Die Behauptung dabei war, dass die Investitionsneigung der Reichen steige, je mehr Geld, Land und Macht sie zu ihrer Verfügung dazubekämen. Zu ihrem Wohl wurden Löhne und Absicherung der abhängig Beschäftigten abgeschmolzen, immer mit der Behauptung, später würde alles dann schon irgendwie wieder aufgefüllt. Aus weniger würde mehr, aus dem Wegnehmen würde Wohlstand. Wer diese Absurdität anzweifelte, hatte „von Wirtschaft keine Ahnung“. Zusammengefasst: Unterwerft euch den Fürsten! Zahlt kräftig Miete! Und vergesst dabei jede Differenz zwischen Betriebswirtschaft und Nationalökonomie!

Die Kodirektive der Kapitalisten

Derart erbärmlicher Sophismus vertrug sich spitze mit einem magischen Denken im linksliberalen Mainstream in Akademien und Medienbetrieben, der sich in den zumeist unverstandenen Spielarten poppiger postmoderner Theorien verfing. Ganz im Sinne der höheren Sache der Neoliberalen sollten europäische Arbeiterinnen und Angestellte besser nicht mehr ihre eigenen Interessen vertreten.

Denn hinter Fragen nach Verteilung, Eigentum, Betriebsrat und echter Demokratie stünde doch letztlich nur die heimliche Sehnsucht nach Hitler, zumindest aber ein ins Ökonomische verlängerter Rassismus – uns gehe es „doch noch so gut“. Wer ein friedliches, emanzipatorisches Europa nicht verhindern wolle, der müsse nun einmal zu Hause das Maul halten und die Sparmaßnahmen am eigenen Leib erdulden. Die anderen Leute wollen in der weltweiten Konkurrenz der Standorte halt auch mal in den Genuss der Segnungen einer heiligen Investition gelangen.

Die Löhne und Absicherung der abhängig Beschäftigten wurden abgeschmolzen, immer mit der Behauptung, später würde alles dann schon irgendwie wieder aufgefüllt.

In die Bilanz dieser finsteren Dekaden fällt nicht nur der erste deutsche Angriffskrieg seit 1945 mit dem Bombardement der Stadt Belgrad, den ausgerechnet ein bündnisgrüner Außenminister mit der Schoah rechtfertigte. Diese Jahre markiert ebenso die Verwandlung unserer Universitäten in ein gebührenpflichtiges Collegesystem, das die Freiheit von Forschung und Lehre unter Drittmittelzwang stellte. Und somit unter die Kodirektive der Kapitalisten und ihrer Erben.

Mit der Pisa-Studie wurde eine volkstümliche Hetze gegen Studenten, Schüler, Lehrer und Professorinnen in Marsch gesetzt. Wo das Wissen der Welt versammelt und weitergegeben werden sollte, wurde nun alles nach der Tauglichkeit für „den Arbeitsmarkt“ gewendet.

Alle sozialen Dämme sind gebrochen

Die heutige Burn-out-Gesellschaft ist demgemäß kein unerwünschter Nebeneffekt. Wer im ständig gefährdeten „Job“ ausbrennt, hat ein Problem mit sich und soll erst mal wieder klarkommen, selbstverständlich ohne die Abläufe im „optimierten“ Betrieb zu stören – die Offenbarung des „Jobwunders“.

Anselm Lenz

Der Kulturwissenschaftler und Lobbyist lebt in Berlin und Hamburg. 2014 gründete er zusammen mit Alix Faßmann den Thinktank Haus Bartleby. Gemeinsam mit 23 anderen forschen sie an einem neuen Verständnis von Arbeit und Zusammenleben. Zudem organisiert das Haus zusammen mit dem Club of Rome „Das Kapitalismustribunal“ (nächste Vorverhandlung zum Thema Recht: 4. 10., Heimathafen Neukölln, Berlin). In Kürze erscheint „Sag alles ab! Plädoyers für den lebenslangen Generalstreik“ (Edition Nautilus).

Mit dem Wegfall einer der beiden alternativen Rechtsordnungen – hier der Privatkapitalismus im Eigentum einiger deutscher Familien vornehmlich aus der sogenannten Gründerzeit, dort der Staatskapitalismus der Sowjetunion, in dem zumindest der Denkungsart nach die Wirtschaft den Menschen gehörte – sind alle sozialen Dämme gebrochen. Erst langsam, fast zaghaft. Dann immer schneller und nun manisch krisenbehaftet. Wer um das Jahr 1980 geboren wurde, hat nie etwas anderes erlebt als diesen zähen neoliberalen Verfallsprozess.

Das Mehr an ökonomischer Demokratie, das europäische Sozialdemokratinnen in mühevoller Kleinarbeit im Fahrwasser der Sowjetunion wagen konnten, wurde binnen zweier Jahrzehnte einfach einkassiert. In der linksliberalen Wohlfühlzone herrscht indes Ratlosigkeit. Will man weiterhin den Reparaturbetrieb des Kapitalismus gegen die aufkeimende Rechte spielen? Oder orientiert man sich an Substanziellerem?

Aber links ist ja gar nichts – alle Strukturen, die einen Angriff auf die bestehenden Machtverhältnisse bereitstellen könnten, wurden postmodern weggekuschelt: „Keine Gewalt! Kein Eurozentrismus! Kein Materialismus!“ Man faselte von „Transformation“ und „Share Economy“. Mit dem liebenswerten Traum, das bunte Leben schon mal vorzumachen, die Mächtigen würden dann später aufgeben, wurde dem galoppierenden Neoliberalismus kampflos das Feld überlassen. Der weiterhin lieber den Teufel tut, als freiwillig aufzugeben.

„Die Leute wählen halt plemplem“

Die Selbstverleugnung der Intelligenz zeigt sich nicht minder beim sogenannten Klimawandel. Die menschengemachte Zerstörung der Lebensgrundlage auf dem Planeten wurde so lange als Weltuntergangsfantasie abgetan, bis dieser Prozess unumkehrbar wurde.

Die Hybris der Unterlassung ernsthafter Anerkennung gesicherter Erkenntnis durch politisches und gesellschaftliches Handeln hatte man bis vor Kurzem immerhin auf einen Mehrheitswillen zurückgeführt. „Die Leute wählen halt plemplem, wenn du daran etwas ändern willst, gliedere dich in eine der drei bis sechs Parteien ein und versuche, die Mehrheit für deinen Kram an die Urne zu bringen!“

Mit der erzwungenen „Einigung“ der gewählten griechischen Regierung auf die Austeritätsideologie der Troika vom 15. Juli 2015 hat der europäische Kapitalismus nun die Demokratie beseitigt. Mehrheitsentscheidungen gelten nichts mehr. Willkommen in der Oligarchie. Die Herrschaft der wenigen über die vielen ist damit zweifelsfrei manifestiert.

Während sich die Intelligenz Europas weitgehend in biedermeierlichen Rückzugsgefechten verliert – selbstverständlich moralisch integer und keinesfalls mitschuldig –, hat uns die neoliberale Realpolitik den Boden unter den Füßen weggezogen.

Warum weiter mitmachen?

Dazu passt, dass wir unter Einsatz unseres Arbeitslebens Schulden abzahlen sollen, die wir nicht gemacht haben, die Folgen von militärischen Operationen tragen, denen wir nicht zugestimmt haben, und die Kids auf die ökologische Katastrophe vorbereiten dürfen. Wir arbeiten zu halbierten Konditionen und sollen nach Ablauf der abhängigen Beschäftigung supertolle „Chancen nutzen“. Der Statthalter des Eigentümers mag Bewerberinnen, die gut riechen und „manchmal zu ehrgeizig“ sind.

Welchen Anlass sollten wir noch haben, bei dem fortgesetzten Schlamassel mitzumachen? Gegenüber der jahrzehntelangen Diskrepanz zwischen Erfolgsmeldungen („Exportweltmeister!“) und dem sichtbaren Pauperisieren der jüngeren Menschen in Europa scheint ein Ende mit Schrecken besser als ein Schrecken ohne Ende. Im griechischen Drama führt anhaltende Aporie (das heißt Alternativlosigkeit) zwangsläufig in die Stasis (Bürgerkrieg).

Wenn der postmoderne Nebel sich verzieht, werden die Dinge wieder sichtbar. Eine abrupte und tiefgreifende Umstellung der Eigentums-, Produktions- und Investitionsordnung durch unmittelbar demokratische Maßnahmen hat nicht nur in Griechenland völlig zu Recht Konjunktur. Wischen Sie sich die Tränen von der Wange und gewöhnen Sie sich an den Gedanken, eine neue, geschmackvollere, gerechtere Grundlagensystematik bottom-up und so friedlich wie möglich durchzusetzen. Das heißt dann Revolution.

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29 Kommentare

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  • "Die Selbstverleugnung der Intelligenz zeigt sich nicht minder beim sogenannten Klimawandel."

     

    würde ich dann noch dadurch konkretisieren, auf die ganzen Organisation hinzuweisen, die meinen, MIT Verschmutzern und unter Einsatz von Profitinteressen was ändern zu können (wie der WWF), statt die Konfrontation zu suchen!

  • Die nächste Revolution heißt m. M. n. Linksliberalismus.

    - BGE

    - stabiles öffentliches Finanzsystem

    - versicherungsfreie Kranken-und Pflegeversorgung für Alle über Steuern.

    - Neues einfaches Steuersystem.

    - Weg mit der SozVers.

    - Tschüss dem sinnlosen Kampf der konservativ linken Arbeitsüberregulierung.

    - Ja zur freien Wirtschaft.

    - Ja zur öffentlichen Wirtschaft.

     

    Linksliberal heißt nicht:

    - Umverteilung nur durch hohe Löhne

    - Finanzsystem -> Schulterzuck ist halt so

    - Sozialversicherung anhimmeln

    - In der freien Wirtschaft irgendwelche Problemquellen suchen

    - Problemquellen außerhalb der freien Wirtschaft übersehen

  • Es folgt der der Hinweis auf DAS KAPITALISMUSTRIBUNAL / http://www.kapitalismustribunal.org, das das Haus Bartleby (darunter auch der Autor dieses Artikels in der taz) zusammen mit dem Club of Rome und vielen Anderen derzeit durchführt.

     

    Das Haus Bartleby gibt ab 26. August 2015 das Buch "SAG ALLES AB! - Plädoyers für den lebenslangen Generalstreik" heraus: 160 Seiten, Edition Nautilus, Hamburg.

     

    Der entsprechende Nachspann der Printausgabe ist in der online-taz leider zufällig weggefallen, deshalb sei er hier erwähnt.

  • Wieso eigentlich Sozialstaat abgebaut?

    Der soziale Sektor wächst mehr als jeder andere in Deutschland.

    Außerdem gibt der Staat für nix anderes mehr aus als für soziales.

    Dies einfach mal um die Relativitäten richtig einzuordnen.

  • Revolution heißt dann, zu fragen, wer profitiert, und diese Strukturen und Personen aktiv zu benennen. Das würde aber Ärger geben.

     

    Irgendwas fehlt mir im Artikel. Handlungsideen. Harte Fragen. Wie wir Macht aufbauen können. Wie wir die Macht nutzen können, die wir haben - und uns gleichzeitig davor schützen selbst zum Teil der Unterdrückung zu werden. Und nochwas. Er ist selbst irgendwie Stillstand. Irgendwas fehlt. Etwas wichtiges.

  • Hier nun der Hinweis auf http://www.kapitalismustribunal.org, das das Haus Bartleby (darunter auch der Autor dieses Artikels in der taz )zusammen mit dem Club of Rome und vielen Anderen derzeit durchführt.

     

    Das Haus Bartleby gibt ab 26. August das Buch "Sag alles ab! - Plädoyers für den lebenslangen Generalstreik" heraus.

     

    Der entsprechende Nachspann ist in der online-taz leider weggefallen.

  • "...gewöhnen Sie sich an den Gedanken, eine neue, geschmackvollere, gerechtere Grundlagensystematik bottom-up und so friedlich wie möglich durchzusetzen. Das heißt dann Revolution."

    Klasse Essay ! Feuilleton vom Feinsten ! Nur Wahrheit ... blowing in the wind .

     

    Nein , Revolution wird's nicht geben , nirgendwo . Es gibt keine "Linke" , die den Kapitalismus , die kapitalistische "Grundlagensystematik" frontal und radikal angreift , nirgends . Und es wird keine geben , die die Chance bekäme , eine relevante politische Kraft zu werden . Unsere Partei 'Die Linke' etwa wäre gleich weg vom Fenster , wenn sie programmatisch klar als antikapitalistisch aufträte, mit dem Ziel , das kapitalistische Gesellschaftssystem zu überwinden .

    Aber keine Panik , liebe Zeitgenossinnen ! "Griechenland" wird auf dem Weg über Portugal , Spanien , Italien , Frankreich dereinst auch beim Exportmeister ankommen . Sozusagen oder schlicht : wegen "grundlagensystematischen" Sachzwängen ...

  • Wenn die Analyse unpräzise ist, kann man die Schlussfolgerungen getrost vergessen.

     

    Der globale Wettbewerb existiert tatsächlich - ist übrigens ein Erfolg linker Politik, die immer dafür plädierte die verarmten Staaten in Asien, Afrika und Lateinamerika zu entwickeln. Wer geglaubt hat, dass dies für uns "kostenneutral" ausgehen würde, hat sich wohl geirrt.

     

    Harz4 war richtig und wichtig - Schröder hat dafür mit seiner Abwahl bezahlt.

     

    Was allerdings seit 10 Jahren fehlt ist, dass die CDU bei Ihrer Klientel auch mal die Gürtel enger schnallt - Stichwort Erbschaftssteuer, Finanzmarktsteuer, Vermögenssteuer etc.

     

    Es waren schon immer die Konservativen die einer zukunftsorientierten Entwicklung in Deutschland im Weg standen.

     

    Deswegen gleich eine Revolution zu fordern scheint mir aber auch nicht wirklich progressiv zu sein.

     

    Wenn die Medien nicht helfen wollen müssen wir das eben anders organisieren - die sozialen Netzwerke bieten dazu alle Möglichkeiten, man muss diese nur geschickt nutzen...

    • 1G
      10236 (Profil gelöscht)
      @Grisch:

      Den "globalen" Wettbewerb gibt es so nicht. Er beschränkt sich seit Jahrzehnten auf die üblichen verdächtigen und das einzig relevante in der Zeit war das Aufkommen von China. Damit ist es beendet. Andere Staaten haben keine Chance mehr den chinesischen Weg der Industrialisierung zu wiederholen.

       

      Die Krise Ende der 90er/Anfang der 00er Jahre mit ihrer Arbeitslosigkeit war ein Ausdruck der Weltwirtschaftskrise der 90er bisher überdeckt durch den Wiedervereingungsboom.

      HArtz IV mag kurz- bis mittelfristig wirken, langfristig wird es sich negativ auswirken. Stagnation des Konsums seit über 2 Jahrzehnten, keine Investitionen (wer investiert in einen stagnierenden Markt), zu hohe Exportorientierung und Handelsüberschüsse usw.

      Das Schlimmste: bei der nächsten Krise wird höchstwahrscheinlich die gleiche Pille verabreicht - nur durch Wohlstandsverzicht (->Exporte) wird es uns besser gehen.

    • @Grisch:

      Globalisierung als Folge der von links propagierten Entwicklungspolitik? Das ist ja rührend.

      Setzen, 6!!

  • Jene "Linksliberalen" fanden sich wohl hauptsächlich in akademischen Dunstkreisen, wo seit jeher das Fähnchen nach dem jeweiligen Winde flattert - denn man ist ja die Speerspitze aller Entwicklung und will sich unter keinen Umständen eine Rückwärtsgewandtheit nachsagen lassen.

     

    Von der Uni wird niemals eine brauchbare Revolution ausgehen: Das wird einem schon klar, wenn man "linke" Studis fragt, ob sie bereit wären, in einem Sozialismus am Fabrik-Fließband zu arbeiten, wenn das Soll an Juristen, Architekten oder Soziologen erfüllt ist.

  • Einmal "neoliberal", einmal "Austerität" und dann noch als Sahnehäubchen Griechenland als Demokratie-Trendsetter - fertig ist der Wohlfühl-Artikel...für den Kiez meinetwegen.

    Die Mehrheit lebt aber - noch - nicht im Kiez sondern in sehr gut funktionierenden Strukturen außerhalb der Ballungsgebiete und hat keinen Bock auf Revolution, noch nicht mal auf eine friedliche.

     

    Gruß vom Waldrand.

  • ein sehr kluger Text! Respekt! Mir kommt bei der Lesung i den Sinn:

    Jürgen Habermas hat in den 80érn in seinem Werk: "Die Neue Unübersichtlichkeit" bereits vor dem Neoliberalismus und implizit vor der Globalisierung gewarnt..

    Weiter kommt mir in den Sinn die religiøsen Axiome Max Webers: Der Staat, der Arbeitgeber, als art gøttlich/ religiøse Gesetzautorität über die Konsum und Lohnarbeitskultur der Menschen.. Geld und Banken so als art gøttliche Wahrheitsaxiome des Sozialen Lebens und der Wissenschaften/Kunst/Forschung...

    ----------

    Die allgemeine neoliberale Ideologisierung, die Herr Anselm Lenz so treffend im Text beschreibt, hat m.E. historische religiøse Wurzeln in diversen, sog. `Gottgegebenen´ Rollen des Menschen..

    Der Konflikt ist uralt: Sokrates zog es vor, den Gifttod zu sterben, im Namen philosophisch sækulærer, rationaler Wahrheit.. anstatt dem Willen religiøser Gottheiten sich zu beugen.

    Und nun? Unserer sækulære Aufklärung, mit wissenschaftlich humaner Ethik, Kunst und Dialektik...

    ..ist arg bedrängt durch die religiosität des Neoliberalismus und dessen Wahnsinnsideologie `unbegrenzten industriellen/økonomischen Konsumwachstums´...

    --------------

    Es war in den 70´ern der "Club of Rome" mit Holger Strohm, die die `Grenzen des Wachstums´ global aufzeigten. Inzwischen werden die økologischen Reserven ausgebeutet..

    -------------

    Im Grunde ist die `religiøs´ fundierte Neoliberale Ideologie gewissenloser Naturausbeutung am Ende..

    Der historische, an viele sækulær und aufklärerisch gestimmte Menschen, gereichte (sokratische) Giftbecher, ist lächerlich! Die antiken, gøttlichen Autoritäten hinter der Zivilisation , haben ihre Macht verloren!

    Es erfüllt mich persønlich mit Freude und Zuversicht, das die TAZ sich weigert, den sokratischen Giftbecher zu trinken und ihrer säkulären aufklärerischen Linie treu bleibt ...!

  • Gut gebrüllt Löwe!

    Die Analyse passt gut in die Augsburger Puppenkiste. Wir alle sitzen schlaflos und aufrecht im Bett und warten darauf, dass die Revolution in Lummerland endlich ausbricht.

    Da tut einer so, als ob der Zusammenbruch des realen Sozialismus, die kapitalistische Restauration in China, die Umverteilung von Massenkaufkraft aus Europa in die BRICS-Länder, und die Ablösung des Fordismus durch eine virtuelle Weltökonomie, uns in unserem Schrebergarten nichts angehen. Die gute alte Zeit der Bismarckschen Zollunion muss wieder her. Vielleicht klappt es ja diesmal mit der Revolution in Schland.

    Statt essayistisch-autistischer Dünnbrettbohrerei, die Deutschland weiterhin für den Nabel der Welt hält, brauchen wir einen internationalen Dialog und Diskurs, um Antworten zu finden, die den globalen Dimensionen der heutigen Problemlage(n) gerecht werden.

    • @Global Villager:

      Antworten gibt es auf die meisten Fragen schon lange - die Antworten sind nicht das Problem - der Mut die richtigen Fragen auch wirklich zu stellen und aus den gefundenen Antworten Konsequenzen zu ziehen fehlt.

      Und das eben hier und heute und nicht am St.Nimmerleinstag ganz global.

      Schätze das hat der Autor auch so gemeint.

    • @Global Villager:

      "....brauchen wir einen internationalen Dialog und Diskurs, ..."

      .

      Und wenn ich nicht mehr weiter weis dann gründe ich einen Arbeitskreis! Möglichst international damit auch alle Interessen und Kräfte dort gebündelt werden. In usererm Dorf bleibt so lange allse beom ALTEN!

      .

      Problem erkannt, Problem international verlagert, Problem für die Ur- Urenkel.... wenn es die dann noch gibt.

      .

      Und ich habe meine Ruhe

      .

      Gruss

      Sikasuu

  • 1G
    10236 (Profil gelöscht)

    "Das ist eine ausgesprochene Karriere-Ideologie."

     

    Nur weil ein Schurke auf dem Gaul reitet, muss der Gaul nicht schlecht sein.

    • @10236 (Profil gelöscht):

      Zitat Ghostbusters: "Ich bin ein bisschen konfus bei diesen Gut-oder-Schlecht-Fragen."

      Wollte sagen: der Links-Liberalismus ist für die politische Öffentlichkeit wie gemacht. Passt wie A***h auf Eimer. Genau das deutet der Essay gleich zu Beginn an: "Ja, genau. Sie!". Es ist eine Zeitungs-, eine Internet-Politik. Da fehlt der Bumms!

  • Nice try. Bin froh, dass ich kein Links-Liberaler bin, sonst käm ich mir nach dem Artikel ziemlich "angemacht" vor. Dass die Intelligenzija keine Schutzfunktion mehr ausübt, stimmt. Ist unangenehm, so ein coming-to-political-age in late modern Europe. Ich hab dem Links-Liberalismus nie getraut, muss ich sagen. Das ist eine ausgesprochene Karriere-Ideologie. Medien, Werbung, Kulturmanagment, etc. Flötentöne, small sice politics.

  • Was bevorsteht?? - Wahrscheinlich der repressive Feudalismus Mk. II. Der war in den weitaus meisten Ländern zu den weitaus längsten Zeiten das stabilste "Gesellschafts"-System. Inzwischen hat er einen Verblödungs- und Überwachungsapparat zu Gebote, dessen permanenter Einsatz den Feudalismus noch stärker stabilisiert.

  • Kapitalismus, hurra!

     

    Der Mammon tanzt,

    doch wer hört die Musik?

    Die da oben sind mächtig,

    sind prächtig,

    sind stark,

    und der Gier

    Elixir

    ist der Rausch

    uns’rer Zeit:

    Kapitalismus, hurra!

     

    Wer zählt schon die Looser,

    die Versager und Toten?

    Keine Zeit, müssen schaffen,

    wir leisten,

    wir raffen,

    wir blechen,

    wir zechen,

    wir kaufen,

    und kaufen:

    Kapitalismus, hurra!

     

    Wer hat eine bess’re Idee?

     

    © Pirandîl

  • 1G
    10236 (Profil gelöscht)

    Fantastischer Artikel. Hochachtung, dass jemand so engagiert und so..."fundamental" schreiben kann. Es stimmt alles, bis aufs Schlusswort/Fazit. Eher erleben wir eine längere Phase der modernen Feudalwirtschaft als eine (wie auch nicht friedliche) Revolution.

     

    Gründe?

     

    1.Medien

     

    Muss man nicht weiter erklären. Stetig abnehmende Hinterfragung der sozioökonomischen Sachverhalte wurde substituiert durch Einsatz für gesellschaftlichen und individuellen "Progress" (Minderheiten, Familie, Sexualität, Freizeit, Job ;).

     

    2."Gesunder" Menschenverstand

     

    *fürs Alter muss man doch privat vorsorgen (Demographie)

    *Erbschaftsteuer? schlecht, weil vom versteuerten Einkommen

    *Vermögenssteuer? schlecht, weil von der Substanz

    *Exporte? gut, weil immer gut, wenn man mehr verkauft

    *Lohnzurückhaltung? gut, weil mehr ->Exporte

    etc, etc.

    • @10236 (Profil gelöscht):

      Moinmoin -

       

      Soo (u.o.;) - kann der Tag beginnen!¡;)

      Danke

      &jetzt etwas - muzik

  • 2G
    24636 (Profil gelöscht)

    Eine aufrüttelnde Generalabrechnung. Keine Zeile, die nicht schwer wiegt. All das, was du hier als Skizze zu einer fundamentalen Kritik entwirfst, ist tief eingelassen: in soziale Struktur, in unser Denken, in unsere Konsumkultur. Gleichzeitig schmieden heute die Gruppen alle ihr eigenes Bündnis, hoffen auf ihren eigenen, thematisch spezialisierten Aufstand. Die Konzentration der Bilder und die Abbildung von Widerständigkeit auf Berlin, auch der Mangel einer netzbasierten Plattform für Widerständigkeit wären weitere Probleme. Dabei hat auch der Protest seine kritische Masse. Wir brauchen eine gemeinsame Plattform, den Blick auf die Ähnlichkeit im Widerstand gegen systemische Strukturen und Prozesse, weg von der Fixierung auf die Unterschiede.

  • Stell dir vor, es wäre Revolution und keiner ging mehr hin!

    .

    Die Basis, viel zu beschäftigt, Zweit- und Drittjob durch zu ziehen, um den Ersten zu behalten. Die "daily-soap" ist nicht zu verpassen, den neuen XYZ müssen wir auch kaufen, dann nur noch müde...

    .

    Die "Intellektuellen" die hast du recht eindeutig beschrieben.

    .

    Die "verdienten Aktivisten" des Proletariats, die Vorkämpfer, Vordenker... sind voll beschäftigt mit Politikberatung, Postenerhalt und der Umschichtung ihrer "Brosamen" genannt, überproportional hohe Altersversorung, die ihnen der Neokapitalusmuss so vom vollen Tisch hin wirft.

    .

    Und wenn dir dann Jemand von Goldmann&Sachs, Ernst&Young, KPMG, usw. fehlerfrei ganze Seiten aus dem Kapital, Diamat, Histomat vorsingen kann, mit allen dazugehörenden Schlüssen und Ideen, noch sagt: "....dass das wichtige Grundlagen sind, die man mitbedenken und auch teilweise verwirklichen sollte....!"

    .

    suchts du dir einen einsamen Berg, mit dem Kg Rauchkraut in den Rucksack, hoffst dort Überwintern zu können (a la Magrathea) bis sich diese verrückte Welt wieder einigermassen gerade geschoben hat, deine Mitmenschen merken, dass es wohl gut für sie, IHRE gemeinsam Sache wäre, wenn sie das Wort "Solidarität" nicht nur NICHT vergessen sondern sogar noch schreiben, verstehen,.... vielleicht sogar im Ansatz des Wortsinnes daach handeln könnten.

    .

    Weck mich, wenns los geht

    .

    auf den Platz in der 1. Reihe bei der angemeldeten Bahnhofsbesetzung mit Bahnsteigkarte, 5 Durchschlägen, incl. Finanzierungsplanung, Uḿweltverträglichkeitsprüfung, angenommene Teilnehmerzahl, Genehmigung des Stadtrates, der eingebundenen Behörden wg Umleitung, Flucht- und Rettungswege usw.

    .

    lege ich sehr grossen Wert:-)) wenn der gendergerecht, ohne Diskriminierung, demokratisch, in freier geheimer Wahl, unter Berücksichtigung aller Minderheitsinteressen , vergeben worden ist.

    .

    Gruss

    Sikasuu

    .

    Ps. Das Bild zeigt "aufgehobene Rechte" ;-)) Absicht?

    • 6G
      688 (Profil gelöscht)
      @Sikasuu:

      "Das Bild zeigt "aufgehobene Rechte" ;-)) Absicht?"

       

      Das paßt doch, denn das Problem der vergangenen Revolutionen: Sie waren, entsprechend des Kreislaufes des geistigen Stillstandes bis zum nun "freiheitlichen" Wettbewerb um ..., zeitgeistliche Reformen, was uns nur noch mehr unterdrückerische und ausbeuterische Fürsten und Könige des Kapitals brachte.

    • @Sikasuu:

      duck duck - aber

       

      ps - das - heb mal für nach -

      La Revolutjioon - auf - ja -

      für die Intele lellies ->

      "Flut der Bilder" - oder so;))

      (bis - denne - im Krug)

  • erster artikel den ich von der taz lese und dann so eine enttäuschung : (

     

    informationsgehalt geht gegen null und sprachlich ist auch etwas eigenartig gehalten; fremdwörter zum selbstzweck trifft wirklich nicht meinen geschmack

    • @potamos:

      kurz - langer Atem - &

       

      Auch was schlecht beginnt -

      Kann immer noch gut - öh weitergehen;)

      (klar - daß Rabbi Katz hier fragt -

      Woher willst du das wissen? - naja -

      Keine Ahnung!