Eskalation in der Habersaathstraße: 200 Mieter sitzen im Kalten
Vermieter wollte Vertrag nicht verlängern, so wurde die Fernwärme nun abgestellt. Mieter und Mieterverein fordern Bezirk zum sofortigen Handeln auf.
taz | Die Situation für die Mieter des Häuserkomplexes Habersaathstraße 40–48 hat sich dramatisch zugespitzt: Nachdem vorige Woche zeitweise das kalte Wasser abgestellt war, sitzen sie seit Dienstagmorgen ohne Heizung da. Gegen 7 Uhr in der Früh kamen Leute vom Fernwärme-Versorger Berliner Energie und Wärme (BEW) und klemmten unter Polizeischutz die Versorgungsleitung ab, berichten Mieter der taz. Ein BEW-Sprecher bestätigt: „Die Eigentümerin hat sich entschieden, keine Fernwärme mehr zu beziehen. Ohne neuen Vertrag mussten wir die Versorgung daher einstellen.“
Damit hat Eigentümer Andreas Pichotta, Geschäftsführer der Immobiliengesellschaft Arcadia Estates, die Lage weiter eskaliert. Schon lange will er alle Mieter loswerden, die Häuser abreißen und Luxuswohnungen errichten. Gegen die verbliebenen Bewohner geht er mit immer rabiateren Methoden vor: kürzlich brachen Sicherheitsleute illegal bei Bewohnern ein. Vorige Woche war das kalte Wasser weg, erst nach Androhung einer einstweiligen Verfügung durch einen Mieter wurde es wieder angestellt, sagte Sebastian Bartels, Geschäftsführer des Mietervereins, der taz.
Die Abschaltung der Fernwärme macht die Wohnungen zu dieser Jahreszeit praktisch unbewohnbar. „Wie kann das sein, es gibt doch Gesetze in Deutschland?“, fragt Michael Lubelsky, der in Nr. 40a und Nr. 42 das Hotel „Arena Rooms“ betreibt. Er zahle Miete und Heizkostenabschlag, nun müsse er seinen Gästen, die nicht mal warm duschen könnten, Ersatzzimmer besorgen – „oder sie gehen ins Kempinski auf meine Kosten!“
Das Hotel des Ukrainers mit 20 Zimmern und 30 Appartements ist voll besetzt, hier leben rund 120 Menschen, teils Touristen, aber vor allem ukrainische Bauarbeiter mit ihren Frauen und Kindern. „Der Bezirk muss dafür sorgen, dass die Fernwärme sofort wieder angeht“, fordert Lubelsky. Außerdem will er für seine entgangenen Einnahmen und Zusatzkosten entschädigt werden.
„Grober Vertragsbruch“
Auch Mieter Daniel Diekmann aus Nr. 48 ist wütend: „Über 200 Menschen im Kalten sitzen zu lassen, ist grober Vertragsbruch!“ Die von Picotta versprochenen Radiatoren seien nie angekommen, außerdem zahle er für Zentralheizung. Sauer ist Diekmann, der seit Jahren als Mieterbeirat und Aktivist gegen Picotta kämpft, auch auf das Bezirksamt: Das behaupte, nur tätig werden zu können, wenn jeder Mieter eine E-Mail mit seinen Beschwerden schickt. „Wie kann das sein? Wir leben doch in einem Rechtsstaat.“
Auch Bartels vom Mieterverein sagt, der Bezirk müsse sofort tätig werden. „Der Eigentümer muss in die Schranken gewiesen werden – am besten im Zuge einer Treuhänderschaft.“ Das fordert auch die Linkspartei. Dies bedeute, erklärt Bartels, dass der Bezirk jemanden sucht, „der die ordnungsgemäße Bewirtschaftung der Häuser in die Hand nimmt“.
Doch der Bezirk scheint abgetaucht, eine taz-Anfrage blieb bis Redaktionsschluss unbeantwortet. Als es ums kalte Wasser ging, hatte das Bezirksamt Picotta noch eine „Ersatzvornahme“ angedroht, wenn er nicht ordnungsgemäße Zustände herstellt. Davon kann nun wirklich keine Rede mehr sein.
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