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Eskalation des Kriegs in KongoEine Neuordnung ist notwendig

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

Seit fast 20 Jahren kämpft die Demokratische Republik Kongo mit Gewalt und Diktatur. In dem an Rohstoffen reichen Land braucht es funktionierende Institutionen.

Proteste in Kishasa in der Demokratischen Republik Kongo am 28. Januar Foto: Justin Makangara/reuters

D ie Demokratische Republik Kongo sollte niemandem egal sein. Das riesige Land im Herzen Afrikas beherbergt einen der drei großen Regenwälder der Erde, seine Mineralien sind unersetzliche Grundbausteine der Schlüsseltechnologien des 21. Jahrhunderts. Dass dieses Land gut regiert wird, daran hat die Welt ein vitales Interesse. Aber Kongo wird nicht gut regiert. Seit den ersten freien Wahlen 2006 ist das von Diktatur und Krieg gebeutelte Land zwar formal eine verfassungsmäßige Demokratie.

Aber in erster Linie mutierten damals Warlords zu Politikern, und die obersten 5 Prozent der 110 Millionen Einwohner monopolisieren Macht und Reichtum. Es gab noch keine Wahl ohne massive Unregelmäßigkeiten, kein einziges von allen Parteien anerkanntes Wahlergebnis. Solange die Legitimität der Institutionen infrage steht, so lange sammelt sich Opposition primär außerhalb der Institutionen. Und die Institutionen werden ihrerseits dazu missbraucht, Unrecht zu legitimieren.

Die jüngsten spektakulären Erfolge der von Ruanda unterstützten Rebellenbewegung M23 (Bewegung des 23. März) im Osten Kongos sind ein Symptom dieses Zustands, nicht seine Ursache. Rebellenführer Corneille Nangaa machte das bei seinem ersten Auftritt in der frisch eroberten Millionenstadt Goma klar: Als ehemaliger Chef von Kongos Wahlkommission verantwortet er den dreisten Wahlbetrug, der Präsident ­Felix Tshisekedi 2019 erstmals an die Macht brachte – jetzt sieht er sich in der Pflicht, das von ihm kreierte „Monster“ wieder zu beseitigen.

Auch die Tutsi-Offiziere der M23, Objekt staatlich geschürten ethnischen Hasses, verlassen sich auf keine Verhandlungen mehr, nachdem Kongos Regierung vorherige Vereinbarungen nie einhielt. International richtet sich jetzt massive Kritik gegen Ruanda wegen dessen Unterstützung dieser Rebellen. Aber das ist der falsche Ansatz. ­Ruanda – vom Völkermord an den Tutsi 1994 gezeichnet, dessen Täter dann in die DR Kongo flüchteten – wird seine Einmischung erst dann beenden können, wenn aus der DR Kongo keine existenzielle Bedrohung mehr hervorgeht.

Der Sieg der M23 könnte für Goma Vorteile bringen

Es muss dafür in der DR Kongo grundlegende Veränderungen geben: eine Staatsordnung nicht nur für die obersten 5 Prozent, sondern für alle. In Goma war das Staatsversagen zuletzt besonders krass: Seit 2021, schon vor dem neuen M23-Krieg, herrschte Kriegsrecht, eine Vielzahl von Milizen hielt permanentes Chaos am Leben. Der Sieg der M23 könnte nun Vorteile bringen: Die Millionenstadt ist nicht mehr belagert, der Austausch mit dem ländlichen Umland kann wieder in Gang kommen, Vertriebene können in ihre Dörfer zurück. Das wäre ein Fortschritt.

Die Rebellen müssen jetzt beweisen, dass sie das wollen und können. Und der Rest der Welt müsste dann aber auch anerkennen, dass die sture Forderung nach einem Rückzug Ruandas und der M23 nur wieder ins Chaos führt. Die DR Kongo braucht einen Weg nach vorn. Wie ihre Neuordnung aussieht – das können allein die Kongolesen selbst definieren.

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Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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6 Kommentare

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  • Im Wettruesten um AI wird nicht nur die Zivilbevölkerung geopfert, es wird auch die grüne Lunge des Planeten im Kongo zerstört, was den Klimawandel beschleunigen wird.

    Was ist das Ziel der milliardenschweren Investitionen im silicon Valley in AI Technologie? Laut guardian geht es nicht wirklich um Chatbots, sondern um AI- gestützte Waffensysteme, die den vollautomatisierten Krieg ermoeglichen. Dafür setzen wir den Planeten in Brand.

    Es ist extrem scheinheilig, von Demokratie und runden Tischen zu predigen, wenn der Westen diese Verhältnisse jahrelang aus wirtschaftlichen Eigeninteressen gefördert hat.

    In den USA wie im Kongo zeichnet sich die völlige Sinnentleerung von Institutionen und Begriffen ab, wie etwa "Friedenstruppen" "Freiheit" "Demokratie" "Friedensverhandlungen" "Kommunikation" "runde Tische" die nichts als reine Farce und moralisches Theater sind.

  • Ein sehr weltfremder Artikel.



    Der Genozid und die daraus folgende endlose Spirale der Gewalt und Militarisierung in Ruanda ist eine direkte Konsequenz der deutschen Kolonialherrschaft, die die Tutsi als "Herrenrasse" über die Hutu eingesetzt hat. Die UN hat seit Jahren Kataloge von Massakern und kennt die Anführer der Milizen, die diese Verbrechen seit Jahrzehnten ungestraft verüben. Getan wurde nichts, es gab keine Verfahren oder eine Verurteilung vor dem internationalen Gerichtshof, die Berichte wurden nur auf internen Druck veröffentlicht. Mittlerweile sind die Kriegsverbrecher als Politiker legitimiert. Der Westen profitiert davon, denn mit gewissenlosen Verbrechern lässt sich einfacher Geschäfte machen als mit echten Volksvertretern, die einem billigen Ausverkauf von Ressourcen nicht zustimmen wurden. Es gibt auch Berichte, dass die sogenannten UN "Friedenstruppen" nicht nur tatenlos dem Brandschatzen der Milizen zuschauen, sondern sich in diesem Klima der totalen Rechtlosigkeit selbst an der Zivilbevölkerung vergreifen und vergewaltigen. Diese Situation wird sich nicht bessern, denn der Westen braucht billiges Coltan (Computerchips) im Wettrüsten um AI.

  • Da ist Herrn Johnson wieder einiges durchgerutscht; z.B. dass Ruanda im Kongo nicht interveniert, um die eigen Sicherheit zu schützen, sondern damit sich ruandische Offiziere und Geschäftsleute an den Ressourcen des Kongo bereichern. Es ist lange bekannt, dass die ruandische Armee Geschäfte mit den ehemaligen Genozidären macht, die in Zwangsarbeit geschürfte Rohstoffe gegen Geld und Waffen verkaufen. Nutznießer sind auch deutsche Unternehmen und Verbraucher.

    Der Kongo könnte davon profitieren, wenn es keine ausländische Einmischung mehr geben würde und die KongolesInnen unter sich ausmachen, ob und wie sie in Zukunft zusammenleben wollen. Alternativ könnte die int’l Gemeinschaft massiver intervenieren und helfen statt einer auf Streit beruhende Scheindemokratie und auf Wettbewerb beruhende Wirtschaftsordnung durchzusetzen, eine Ordnung des beratenden Miteinanders und Solidarität. Dafür würden sich in kongolesischen Traditionen sogar Anknüpfungspunkte, aber das sind Utopien und 'Le Congo est foutu depuis Léopold II'.

  • Nette, neokoloniale Sicht auf die Dinge. Eines der größten Probleme Afrikas ins Grenzen, die Menschen entsprechend den Interessen der europäischen Kolonialmächte getrennt bzw. zusammengezwungen haben. Das schürt immer wieder Konflikte. Und weil das nicht reicht, mischen sich die Europäer und die USA weiter nach Herzenslust in die Politik der, von ihnen konstruierten, afrikanischen Länder ein.

    Also vielleicht einfach mal Finger weg!

  • Der Rohstoffreichtum ist der Grund weshalb der Kongo in diesem Zustand ist.

    Kein multinationaler Konzern hat ein Interesse an einem funktionierenden Staatswesen in der Region.

    Mit Warlords, die die Rohstoffe des Landes verschachern und seine Menschen versklaven, lässt sich profitabler verhandeln.

    Wenn der Westen etwas für die Menschen im Kongo tun wollte dann wären das knüppelharte Lieferkettengesetze und strafrechtliche Verfolgung von Konzernen, die in Sklaverei, Kinderarbeit, Korruption, gewaltsame Landnahme etc. involviert sind.

    Wir haben aber hier noch nicht mal ein Wirtschaftsstrafrecht, das den Namen verdient.

    Firmen haben als juristische Personen die Rechte von Personen aber können nicht strafverfolgt werden wie Personen.

  • Kongo kämpft mit den Folgen unserer Einmischung. Wer hat nochmal den demokratisch gewählten Premierminister gestürzt? Ach ja, die CIA. Seitdem Chaos.