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NRW-Grüne Zeybek über Wohnungsbau„Es muss einfach leichter werden, mehr zu bauen“

Auch in NRW fehlen Wohnungen. Der Landesparteitag der Grünen will über Lösungen sprechen. Ein Ende des Heizungsgesetzes gehört nicht dazu.

Yazgülü Zeybek Foto: David Klammer
Interview von Andreas Wyputta

taz: Frau Zeybek, nicht nur in den Großstädten explodieren die Mieten. Nun soll bezahlbares Wohnen auf dem Landesparteitag der NRW-Grünen am Wochenende in Köln zum Schwerpunktthema werden – auch mit Blick auf den anstehenden Kommunalwahlkampf?

Yazgülü Zeybek: Wohnen darf kein Luxusgut werden. Das wollen wir bei den Kommunalwahlen im September klarmachen. Steigende Mieten sind die größte soziale Frage unserer Zeit – und wir sehen leider, dass der Markt keine Antwort hat. Deshalb müssen wir politisch und staatlich eingreifen.

taz: Wie?

Zeybek: Zunächst einmal: Die schwarz-grüne Landesregierung in NRW hat schon viel für bezahlbare Mieten getan. Wir haben die Mietpreisbremse erweitert: Statt in bisher 18 dürfen Mieten jetzt in 57 besonders teuren Städten innerhalb von drei Jahren nur noch um 15 statt regulär 20 Prozent steigen. Bei Umwandlung in Eigentumswohnungen sind Mie­te­r:in­nen jetzt 8 statt 3 Jahre vor Eigenbedarfskündigungen geschützt. Außerdem stecken wir 10,5 Milliarden Euro bis 2027 in die öffentliche Wohnraumförderung. Allein 2024 sind dadurch NRW-weit bereits 12.000 bezahlbare Wohnungen neu entstanden.

Im Interview: Yazgülü Zeybek

39, ist seit Juni 2022 gemeinsam mit Tim Achtermeyer Landeschefin der Grünen in NRW. Die Politikwissenschaftlerin lebt in Wuppertal.

taz: Das reicht aber offensichtlich nicht.

Zeybek: Deshalb wollen wir gezielt kommunale Wohnungsbaugesellschaften fördern, damit sie wieder mehr bauen. Dafür soll die NRW-Bank ihnen günstige Kredite geben können. Außerdem sollen kommunale Gesellschaften einfacher auf Grundstücke des Landes zugreifen können. Wir wollen unsere Städte und Gemeinden mit sogenannten Vorkaufsrechten ausstatten. Der Bau bezahlbarer Wohnungen muss ab jetzt immer Vorrang haben. Doch um bauen zu können, brauchen Kommunen natürlich Geld – deshalb muss der Bund die Kommunen endlich von ihren Altschulden befreien.

taz: Aber wirken dürfte das alles doch erst in Jahren?

Zeybek: Darum wollen wir in angespannten Wohnungsmärkten wie in Köln, Düsseldorf oder Münster die Vermietung an Tou­ris­t:in­nen durch Portale wie Airbnb einschränken. Zusätzlich fordern wir, dass die neue Bundesregierung, die mit dem 500 Milliarden schweren Investitionspaket viel Geld zur Verfügung hat, vor Ort den Umbau von leerstehenden Büro- und Gewerbeflächen in Wohnungen unterstützt. Und wir wollen Bauen einfacher machen durch Bürokratieabbau und die Senkung unnötiger Baustandards.

taz: Was heißt das konkret?

Zeybek: Gerade beim Umbauen müssen nicht immer Neubaustandards gelten. Und im Neubau kann etwa die Dicke von Stahlbetondecken um 4 Zentimeter verringert werden, ohne Lärm- und Brandschutzregelungen zu verletzen, sagen uns Fachleute.

taz: Aber haben die Grünen mit ihren Forderungen nach energetischer Modernisierung, besserer Dämmung und dem Umstieg auf klimafreundliche Wärmepumpen nicht selbst zum massiven Anstieg der Mietpreise beigetragen?

Zeybek: Wir haben als Teil der letzten Bundesregierung mit dafür gesorgt, dass die Kosten für eine energetische Sanierung nicht komplett auf die Mie­te­r:in­nen umgelegt werden dürfen. CO2-Kosten sollen künftig zwischen Mieter und Vermieter geteilt werden und nur noch ein kleiner Teil der Kosten darf bei einem Heizungstausch umgelegt werden. Außerdem fordern wir als Grüne eine Entlastung durch ein Klimageld – wer wenig klimaschädliches Kohlendioxid produziert, soll vom Staat entlastet werden. Außerdem wird der Umstieg auf Wärmepumpen massiv gefördert. Jeder Euro, den Hauseigentümer nicht selbst investieren müssen, brauchen sie nicht auf die Mie­te­r:in­nen umlegen. Klar ist aber auch: Der Gebäudesektor ist für 30 Prozent des gesamten deutschen CO2-Ausstoßes verantwortlich. Da müssen wir ran.

taz: Die neue Wirtschaftsministerin Katherina Reiche von der CDU will das von Robert Habeck forcierte Gebäudeenergiegesetz abschaffen und wieder auf Gasheizungen setzen.

Zeybek: Eine Rückabwicklung des Gebäudeenergiegesetzes wäre ein dramatischer Fehler. Und ein Schlag ins Gesicht für alle, die schon in Wärmepumpen investiert haben. Jetzt zu sagen, Gasheizungen sind wieder total in, führt ins Chaos – und schreckt Ei­gen­tü­me­r:in­nen ab, zu investieren. Stattdessen brauchen wir Planungssicherheit. Das Gebäudeenergiegesetz muss bleiben, sonst wird Deutschland seine gesetzlich und vertraglich festgeschriebenen Klimaziele nicht erreichen. An die muss sich aber auch Katherina Reiche halten – und dafür sorgen, dass Deutschland klimaneutral wird. Aktuell sehe ich das noch nicht.

taz: Besonders Menschen mit geringem Einkommen leiden unter der Wohnungsnot. In Köln fehlen 17.000 Sozialwohnungen. Warum taucht der Begriff in Ihrem Parteitagsantrag nur einmal auf?

Zeybek: Weil unser Plan für soziales Bauen und Wohnen mehr umfasst. Wir wollen nicht nur die Zahl von Sozialwohnungen erhalten und ausbauen, sondern auch barrierefreie Wohnungen für Pflegebedürftige und Menschen mit Handicap schaffen. Und die NRW-Landesregierung bekämpft Wohnungslosigkeit jährlich mit fast 16 Millionen Euro. Es ist doch ein Skandal, dass Menschen in einem reichen Land unter Brücken schlafen müssen. Deshalb wollen wir mit „Housing First“-Projekten Wohnungs- und Obdachlosigkeit beenden.

taz: Trotzdem bekommt in Städten wie Köln nicht einmal jeder fünfte Mensch mit Wohnberechtigungsschein eine Sozialwohnung. Wie wollen die Grünen das ändern?

Zeybek: Noch gibt es in NRW rund 430.000 Sozialwohnungen – das ist etwa das Doppelte wie im Bundesdurchschnitt. Bis 2030 könnten davon aber 130.000 aus der Mietpreisbindung herausfallen. Auch deshalb stecken wir mit 10,5 Milliarden Euro Rekordsummen in die Wohnungsbauförderung – und dabei sind Sozialwohnungs-Anteile von bis zu 30 Prozent vorgeschrieben. Generell aber gilt: Es muss einfach wieder leichter werden, mehr zu bauen.

taz: Die Grünen haben NRW bis 2017 zusammen mit der SPD regiert – und stellen seit 2022 zusammen mit der CDU die Landesregierung. Trägt Ihre Partei nicht eine Mitschuld an der Wohnungsmarktkrise?

Zeybek: Das Thema ist jahrelang politisch nicht richtig angegangen worden. Wir Grüne haben uns aber schon immer für bezahlbaren Wohnraum starkgemacht. In jeder Kommune sind wir diejenigen, die mehr Wohnungen mit Sozialpreisbindung fordern. Und wir haben in jeder Landesregierung für Bürokratieabbau und mehr öffentliche Wohnbauförderung gekämpft.

taz: Auch im Bund regierten die Grünen in der Ampel mit. Ihr Ziel, jährlich 400.000 neue Wohnungen zu schaffen, wurde deutlich verfehlt: 2024 wurden nur 215.900 genehmigt. Zeigt das nicht, dass Ihre Partei auch im Bund zu wenig für bezahlbares Wohnen getan hat?

Zeybek: Im Bund hat die SPD acht der letzten zehn Bau­mi­nis­te­r:in­nen gestellt. Die SPD zieht eine Spur des Versagens hinter sich her. In der Ampel waren wir Grüne es, die dafür gesorgt haben, dass die Kosten für energetische Sanierungen abgefedert und eben nicht nur von den Mie­te­r:in­nen getragen, sondern sozial gerecht verteilt werden. Wir haben immer versucht, die Menschen vor zu starken Belastungen zu schützen.

taz: Ist das miese Ergebnis der Grünen von 11,6 Prozent bei der Bundestagswahl nicht trotzdem die Folge davon, dass soziale Fragen schlicht zu wenig vorkamen?

Zeybek: Wir reden als Gesellschaft insgesamt zu wenig über soziale Fragen. Der Bundestagswahlkampf – insbesondere der von Union und SPD – drehte sich fast nur um das Thema Migration. Da sind wir mit sozialen Themen nicht durchgedrungen. Aber es stimmt natürlich: Wir müssen die Themen anpacken, die die Menschen bewegen. Wir müssen uns um ihre Alltagssorgen kümmern. Das ist unser Ziel besonders auch hier in NRW. Deshalb setzen wir das Thema bezahlbares Wohnen ganz oben auf die politische Agenda.

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4 Kommentare

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  • 15% Steigerung der Mietpreise ist immer noch astronomisch hoch.



    Ohne die Immobilienspekulation anzugehen, wird auch Bauen nicht helfen.

  • Der Hauptkostentreiber im Immobilienmarkt sind die gestiegenen Zinsen. Da steht Deutschland nicht alleine. Diskussionen über Wohnkosten und Mangel an Wohnraum gibt es zur Zeit in vielen Staaten. Durch die Niedrigzinsen ab 2014 sind die Immobilienpreise extrem gestiegen, z. B. in Berlin teilweise auf das Dreifache. Bei Neubau wirkt sich das vor allem auf die Grundstückspreise aus. Z. B. in Berlin Kreuzberg hat sich der Bodenrichtwert seit 2014 stellenweise verzehnfacht! Bei hohen Grundstückspreisen und hohen Baufinanzierungszinsen ist es ganz klar, dass man hohe Mieten verlangen muss, um Neubau zu finanzieren. Andrerseits hört man aber Stimmen von Vermietern, die sagen, dass durch Homeoffice Menschen vermehrt wieder aus den Schwarmstädten in günstigere Gegenden umziehen und daher Mittelstädte durchaus wieder attraktiver werden.

    • @Aurego:

      naja, jetzt sind es (immer noch moderat) hohe Zinsen, die zu einem heißgelaufenen Immobilienmarkt treffen. Über 4 % hätte man sich die meiste Zeit der Bundesrepublik gefreut. 1% wie in letzter Zeit ist nicht auf ewig. Die Folge war aber auch der Anstieg der Immopreise.



      Letztlich ein Nullsummenspiel für die Käufer, das was früher für Zinsen drauf ging, ging nun an die Verkäufer.



      Jetzt ist es natürlich schwierig, hoch gebliebene Preise und wieder gestiegene Zinsen...

  • Teilweise redet Frau Zeybek wie die SPD und CDU. Ein klares Profil in Sachen nachhaltige Sidelungs- bzw. Stadtgestaltung sieht aber anders aus.

    Es muss über Dichte gesprochen, es muss eine Bestandsanalyse durchgführt werden. Wie wird derzeit gewohnt? Was könnte man im Bestand ändern?

    In Deutschland gibt es 19 Mio. Wohnbauten, davon sind 16 Mio. Einfamilienhäuser, in denen wohnen im Schnitt 1,8 Personen. Würde man nur 0,5 % des Bestands im Inneren pro Jahr neu unterteilen, könnte man 80 000 kleine Wohnungen schaffen.

    In Deutschland ist die Pro-Kopf-Wohnfläche seit den 1950er Jahren von 15 qm auf über 45 qm gestiegen. Es gibt so manche ältere Person, die bereit wäre aus der zu großen Wohnung auszuziehen, wenn es denn eine geeignete und günstigere kleinere Wohnung gäbe.

    Usw.