Erzwingungshaft wegen stickiger Luft: Gericht prüft Haft für Markus Söder
Richter wollen klären lassen, wie die Einhaltung von EU-Grenzwerten durchgesetzt werden kann. Vielleicht muss Söder bald in Erzwingungshaft.
Seit 2012 ist die bayerische Staatsregierung gerichtlich verpflichtet, den Luftreinhaltungsplan für die Landeshauptstadt München zu verschärfen. Dabei halten die bayerischen Richter auch Diesel-Fahrverbote für notwendig. Seit einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts im Februar ist klar, dass solche Fahrverbote rechtlich zulässig sind.
Bayern aber mauert hartnäckig. Im Januar hat es ein erstes Zwangsgeld von 4.000 Euro bezahlt. Die Deutsche Umwelthilfe hält solche Zwangsmittel, bei denen das Geld von einer Staatskasse in die andere Staatskasse fließt, für wenig erfolgversprechend. Die Umwelthilfe hat deshalb beantragt, dass beim nächsten Mal Erzwingungshaft oder Zwangsgeld gegen Söder und seinen Umweltminister Marcel Huber (CSU) persönlich verhängt wird.
Eigentlich ist so etwas in der Verwaltungsgerichtsordnung nicht vorgesehen. Der Gesetzgeber ging davon aus, dass Behörden Urteile umsetzen und zumindest auf Zwangsgelder reagieren, auch wenn diese eher symbolisch sind. Die Umwelthilfe kann aber darauf verweisen, dass es das Bundesverfassungsgericht in einer Entscheidung von 1999 für möglich hielt, gegen „renitente“ Behörden auch Maßnahmen aus dem Zivilprozessrecht anzuwenden.
Zwangshaft nicht ausdrücklich erwähnt
Der Münchener Verwaltungsgerichtshof ist allerdings skeptisch, ob nach deutschem Recht gleich Zwangshaft gegen widerspenstige Minister verhängt werden kann. Karlsruhe habe die Zwangshaft 1999 nicht ausdrücklich erwähnt. Außerdem sei für Freiheitsentziehungen stets eine klare gesetzliche Grundlage erforderlich.
Anders allerdings könnte es nach Europarecht aussehen, so das Münchener Gericht. Deshalb wollen die Richter jetzt den Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg um Rat fragen, ob Erzwingungshaft gegen Minister und Ministerialbeamte verhängt werden kann (oder sogar muss), wenn diese sich festgelegt haben, gerichtliche Vorgaben zur Luftreinhaltung nicht umzusetzen.
Die Richter teilten den Prozessbeteiligten nun ihre Absicht mit, den Fall dem EuGH vorzulegen. Bis zum 28. September können die Umwelthilfe, die bayrische Staatsregierung und die Stadt München jetzt Stellung nehmen. Aber die Richter wirken schon recht entschlossen.
Ein Imageverlust droht
Eine solche Richtervorlage wäre für die CSU-Regierung kurz vor der Landtagswahl am 14. Oktober vor allem ein Imageverlust. Zugleich wäre es auch ein Zeitgewinn. Bis der EuGH entscheidet, dauert es im Schnitt eineinhalb Jahre. Die Umwelthilfe will zwar ein Eilverfahren beantragen, das nur rund drei Monate dauert. Aber ob sich der EuGH darauf einlassen wird, ist völlig offen.
Für den Umwelthilfe-Vorsitzenden Jürgen Resch ist die Ankündigung des Verfassungsgerichtshof dennoch ein „Paukenschlag für die Verteidigung von Recht und Gesetz“. Angesichts von „jährlich 12.860 vorzeitigen Todesfällen und 800.000 Erkrankungen durch das Dieselabgasgift Stickstoffdioxid“ werde der EuGH „mit absoluter Sicherheit“ die Rechtmäßigkeit von Zwangshaft bestätigen, prognostiziert Resch.
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