Erster Toter seit Gaza-Krieg: Israelis erschießen Palästinenser
Israel will seinen jüdischen Charakter stärken. Ein Vorfall an der Grenze zum Gaza-Streifen sorgt zusätzlich für Spannungen. Ägypten will Friedenstruppen senden.
JERUSALEM/GAZA/ROM dpa | Erstmals seit Ende des Gaza-Kriegs vor drei Monaten ist ein Palästinenser an der Grenze zu Israel erschossen worden. Zwei Verdächtige an der Grenze zum Gazastreifen hätten mehrere Warnrufe ignoriert, sagte eine israelische Armeesprecherin in Tel Aviv am Sonntag. Die Soldaten hätten daraufhin auf ihre Beine gezielt und einen von ihnen getroffen.
Die israelische Regierung billigte am Sonntag ein umstrittenes Gesetz, das den jüdischen Charakter Israels stärken soll. Nach heftigen Debatten im Kabinett stimmten 15 Minister für und 7 Minister gegen den Entwurf. Er muss nun noch vom Parlament abgesegnet werden. Kritiker bemängeln, der Vorstoß schränke die Rechte der arabischen Minderheit in Israel ein.
„Israel ist der Nationalstaat des jüdischen Volkes“, sagte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu am Sonntag während einer Regierungssitzung in Jerusalem. Gleichwertig sei allerdings der demokratische Charakter des Landes, betonte er. Das Parlament in Jerusalem soll am Mittwoch in einer ersten Abstimmung über den Gesetzesentwurf von Mitgliedern der rechtorientierten Likud-Partei entscheiden. Gleichzeitig gibt es weitere, gemäßigtere Vorschläge für ein solches Gesetz.
Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) forderte Israel am Samstag auf, die Zerstörung von Häusern palästinensischer Attentäter sofort auszusetzen. Diese Praxis bestrafe ganze Familien und damit auch „vorsätzlich und widerrechtlich Menschen, die keines Fehlverhaltens beschuldigt werden“, hieß es in einer Mitteilung.
Am Dienstag hatten zwei Palästinenser bei einem Anschlag in einer Synagoge in Jerusalem fünf Menschen getötet, bevor sie erschossen wurden. Die israelische Armee kündigte den Familien der beiden Attentäter kurz darauf die Zerstörung ihrer Häuser binnen 48 Stunden an. Zuvor war bereits die Wohnung eines Palästinensers zerstört worden, der im Oktober Wartende an einer Straßenbahnhaltestelle überfahren hatte.
Ägypten will Friedenstruppen senden
Ägypten wäre nach Angaben von Präsident Abdel Fattah al-Sisi bereit, Friedenstruppen in einem möglichen Palästinenserstaat zu stationieren. Sollte die Internationale Gemeinschaft Palästina als Staat anerkennen, könnte die ägyptische Armee dabei helfen, Angriffe von militanten Palästinensern auf Israel zu verhindern, sagte Al-Sisi in einem am Sonntag veröffentlichten Interview der italienischen Tageszeitung Corriere della Sera.
“"Wir müssen die Sicherheit Israels garantieren“, sagte Al-Sisi der Zeitung. Allerdings müsse auch die Hoffnung der Palästinenser auf Schaffung eines eigenen Staates weiter genährt werden. Durch die Entsendung ägyptischer Truppen wolle Al-Sisi einen Beitrag leisten: „Sie würden der lokalen (palästinensischen) Polizei helfen und die Israelis beruhigen.“ Die Idee habe er sowohl dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu als auch Palästinenserpräsident Mahmud Abbas vorgestellt.
Al-Sisi engagiert sich seit seinem Amtsantritt im Juni stark im Nahost-Konflikt. Kairo hatte im jüngsten Gaza-Krieg erfolgreich einen Waffenstillstand zwischen Israel und den Palästinensern vermittelt und im Anschluss eine Geberkonferenz zum Wiederaufbau des Gazastreifens abgehalten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Sensationsfund Säbelzahntiger-Baby
Tiefkühlkatze aufgetaut