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Erster AfD-BürgermeisterRaguhn-Jeßnitz wählt braun

Eine Woche nach dem ersten AfD-Landrat folgt in Sachsen-Anhalt der erste hauptamtliche Bürgermeister. Der AfD-Kandidat Loth holt 51,5 Prozent.

51,5 Prozent für die rechtsextreme AfD: Raguhn-Jeßnitz wählt Hannes Loth zum Bürgermeister Foto: Sebastian Willnow/dpa

Berlin taz | Mit 107 Stimmen Vorsprung hat die AfD eine Stichwahl in der Gemeinde Raguhn-Jeßnitz gewonnen. Mit Hannes Loth stellt die in Sachsen-Anhalt als besonders radikal geltende AfD erstmals einen hauptamtlichen Bürgermeister. Laut vorläufigem Endergebnis hat sich ihr Kandidat mit 51,1 Prozent gegen den parteilosen Nils Naumann durchgesetzt, der auf 48,9 Prozent kam. Rund 7.800 Menschen waren wahlberechtigt, die Wahlbeteiligung lag bei 61,5 Prozent.

Der 42-jährige Loth hat vor Ort ­verschwörungsideologische Coronaproteste organisiert, gleichzeitig aber an einem Testzentrum verdient. Ähnlich wie bei der Landratswahl im thüringischen Sonneberg eine Woche zuvor kommt die AfD auf dieses Ergebnis, nachdem rechte Narrative von Parteien wie der CDU normalisiert wurden. So forderte ein Unionsabgeordneter aus der Region schon 2019 wörtlich, „das Nationale mit dem Sozialen zu versöhnen“. Koalitionen mit der AfD solle man nicht generell ausschließen, forderten gleich mehrere CDU-Funktionäre damals.

Die Einheitsgemeinde Ra­guhn-Jeßnitz ist für die AfD schon länger eine Hochburg, bei der Landtagswahl 2016 kam sie hier auf 34 Prozent. Bei der Landratswahl 2021 in Anhalt-Bitterfeld unterlag sie der CDU deutlich, hier waren 130.000 Menschen wahlberechtigt. In Raguhn gibt es seit acht Jahren rechte Demos – erst gegen Merkels Flüchtlingspolitik, dann wegen Corona und schließlich gegen die Unterstützung der Ukraine.

Hitlergruß bei AfD-Demo

Loth war fester Teil der Proteste und wurde für die AfD bereits 2016 und 2021 in den anhaltischen Landtag gewählt. Als Landwirt war er agrarpolitischer Sprecher. Im Landesvorstand ist er Beisitzer. Loth inszeniert sich als regionaler Kümmerer: So stellte er im Wahlkampf kommunale Themen in den Vordergrund. Ebenso hetzte er ausdauernd gegen Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine. Überregional wurde er von der AfD erst kurz vor der Stichwahl unterstützt.

Wie in Thüringen gilt der AfD-Landesverband in Sachsen-Anhalt als besonders radikal. Mitte Februar rief etwa der Vize-Landesvorsitzende Hans-Thomas Tillschneider auf einer „Friedensdemo“ in Magdeburg zum „Krieg gegen die Bundesregierung“ auf. Letztes Wochenende besuchte der AfD-Co-Vorsitzende Tino Chrupalla Raguhn-Jeßnitz und redete bei einer Demo in Magdeburg, bei der es auch zu einem Hitlergruß kam.

Die Linken-Landesvorsitzende Janina Böttger nannte die Wahl der rechtsradikalen AfD „beunruhigend“, der Grünen-Landeschef „massiv enttäuschend“. Die lokale CDU machte indes mal wieder das Protestwahl-Narrativ stark und suchte die Verantwortung bei der Bundesregierung.

Schon vor einer Woche sorgte die erste Wahl eines AfD-Landrats im thüringischen Sonneberg für internationale Schlagzeilen. Der dort gewählte Robert Sesselmann hat mittlerweile die Wahl angenommen und sein Amt angetreten. Dort läuft allerdings noch ein Verfahren der Rechtsaufsicht, die dessen Demokratietauglichkeit auf Basis des Kommunalwahlgesetzes überprüft.

Die AfD hofft schon lange auf einen Erfolg bei einer kommunalen Stichwahl und setzt dafür auch bei kleineren Wahlen große Mittel und Parteiprominenz ein. Sie will sich mit Blick auf die Landtagswahlen 2024 in Sachsen, Thüringen und Brandenburg über exekutive Ämter strategisch normalisieren und die Brandmauer einreißen.

Keine Protestwahl

Der Leiter der Bundeszentrale für politische Bildung, Thomas Krüger, warnte davor, die Wahl der AfD als Protestwahl zu verharmlosen. Die AfD sei ein erfolgreiches Radikalisierungskollektiv, das für menschenfeindliche Positionen stünde. In Teilen der Gesellschaft seien diese Positionen etabliert. Er forderte mehr demokratisches Engagement und politische Bildung in Schulen. In der letzten Woche hatte bereits eine Studie zu autoritären Einstellungen in Ostdeutschland nahegelegt, dass eine AfD-Wahl vor allem mit lange verbreiteten rassistischen und autoritären Einstellungen einhergeht.

Wohl auch deshalb plädierte der Politikwissenschaftler Pascal Begrich, Geschäftsführer des Vereins „Miteinander – Netzwerk für Demokratie und Weltoffenheit in Sachsen-Anhalt“, für die Stärkung und Förderung derjenigen, die sich der AfD entgegenstellen und nicht rechtsextrem wählen – und nicht erneut eine Debatte, welche die AfD-Wählenden in den Fokus stellt. Er schrieb nach der Wahl: „Knapp 50 Prozent haben nicht AfD gewählt, 75 Prozent würden bei Landtagswahlen in Ostdeutschland nicht AfD wählen. Mit ihnen ist demokratischer Staat zu machen und mit dem zivilgesellschaftlichen Engagement für eine offene Gesellschaft vor Ort.“

Als hauptamtlicher Bürgermeister ist Loth Verwaltungsbeamter auf Zeit und kann auch wieder abgewählt werden. Er ist Che­f der Verwaltung und Vorsitzender des Stadtrats und repräsentiert die Gemeinde nach außen. Er hat Spielräume bei der Personalführung, muss aber Ratsbeschlüsse umsetzen. Im Stadtrat von Raguhn-Jeßnitz stellt die AfD vier von 19 Abgeordneten. In Sachsen-Anhalt werden Bürgermeister für sieben Jahre gewählt.

Für das Bürgermeisteramt muss Loth sein Landtagsmandat niederlegen. Erster Nachrücker für den Landtag ist Christian Mertens, Landeschef der als gesichert rechtsextrem eingestuften AfD-Jugendorganisation Jungen Alternative.

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2 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Könnte es vielleicht an dem Wahlkampf liegen?



    Herr Loth hat klar bestimme Probleme der Staat benannt, und z.B. im Wahlkampf für die benötigte Unterstützung der örtlichen Feuerwehr geworben.

    Sein Gegenkandidat hat das unterlassen.

    Man könnte also auf den Gedanken kommen, dass man den Kandidaten mit den besten Ideen für den Ort gewählt hat.

  • Der schleichende Rechtsruck als Zündfunke:



    Vor sechs Wochen thematisiert für Brandenburg in der taz, aber seit vielen Monaten virulent, kein Strohfeuer.



    Es ist jetzt schon mehr als eine Mini-Serie und der Eindruck verfestigt sich, dass "der Karren schon tief im Dreck steckt".



    Bedrohung und Angriffe, Hitlergruß und völkische Parolen. Das ist ja kein kleiner Flickenteppich, sondern lokoregionär eher ein haftender Verbund. Mit den schon bereit stehenden Brandbeschleunigern kann es sogar zum Flächenbrand kommen.



    Was braucht's noch an Eskalationen, bis die Unentschlossenen endlich aufstehen und beim Löschen helfen? Schließlich haben viele Berechtigte bei den jüngsten Wahlen nicht braun, sondern gar nicht gewählt.



    //



    "Dass Brandenburgs Nazi-Problem nun überregionale Aufmerksamkeit bekommt, ist begrüßenswert. Denn nichts motiviert Lo­kal­po­li­ti­ke­r:in­nen mehr, sich gegen Rechts zu engagieren, als den Imageschaden abzuwenden, der entsteht, wenn über ihre idyllische Urlaubsregion nur berichtet wird, weil Nazis sie unbesuchbar machen. Nun gilt es, Probleme klar zu benennen, statt sie herunterzureden, Straftäter konsequent zu bestrafen und vor allem der Zivilgesellschaft und den Antifa-Strukturen vor Ort den Rücken zu stärken."



    Quelle:



    taz.de/Rechtsextre...ndenburg/!5933855/