Ernst Elitz hat zu allem eine Meinung: Diekmanns Götterbote

Ernst Elitz leitete einst den Süddeutschen Rundfunk, er war Intendant beim Deutschlandradio. Jetzt feuert er Blitze in der „Bild“ ab. Warum?

Ernst Elitz. Bild: imago / stefan zeitz

Ernst Elitz sieht anständig aus. Ordentlich. Er hat weißes, kurzes Haar, trägt einen fleckenfreien, beigefarbenen Trenchcoat und einen Schal über dem Jackett. Er ist der Typ „älterer Herr mit Hut“.

Ernst Elitz ist 72 Jahre alt. Er war mal Redakteur beim Spiegel, stellvertretender Leiter und Moderator beim „heute-journal“, Chefredakteur beim Süddeutschen Rundfunk und Intendant des Deutschlandradios. Er ist der Typ Journalist, der nie aufhört, Journalist zu sein. Weil dieser Beruf für die, die ihn begriffen haben, mehr ist als Broterwerb. Er ist die Möglichkeit, einen Beitrag zur Gestaltung der Welt zu leisten und zur Selbstvergewisserung.

Deshalb schreibt Ernst Elitz in einem Alter weiter, in dem andere von Sylt aus ihre Aktien verfolgen. Er schreibt unter anderem für die Zeitung des Deutschen Bundestags Das Parlament und den „Deutschen Koordinierungsrat“, einem Verein zur christlich-jüdischen Zusammenarbeit. Außerdem unterrichtet er als Honorarprofessor den journalistischen Nachwuchs.

Ernst Elitz schreibt Sätze wie diese in der Bild: „Wenn Sarrazin rausfliegt, fliegt die Wahrheit aus der Partei!“ Oder: „Ein Patriot steht für eine Sache ein.“ Er ist Kommentator bei der Zeitung. „Abwechslung ist mein Lebensprinzip“, sagt er. Und: „Boulevard habe ich noch nicht gemacht.“ Jetzt ist er auf der Straße angekommen. Er fühlt sich wohl.

Sätze wie Donnerblitze

Ernst Elitz ist einer der Journalisten, die als Elder Statesman gefragt, gehört und geladen werden. Sie genießen eine Art Narrenfreiheit: Weil sie erfahren und klug sind, ist ihre Meinung geschätzt; weil sie nicht mehr im Tagesgeschäft sind, können sie Dinge sagen, die sich die jetzt Aktiven nicht trauen. Manchmal allerdings kommt die Frage nach dem Verfallsdatum auf: Ist der noch ganz frisch?, fragt man sich bei mancher Äußerung von Herren, die an ihrer guten alten Zeit kleben wie das Brausepulver an der Handfläche und das Internet als ein Fegefeuer betrachten, das bald verglühen wird.

Aber Ernst Elitz ist nicht gestrig. Ernst Elitz ist bestens informiert. Er ist einer jener, die, wenn sie in den Tag aufbrechen, alle wichtigen Zeitungen gelesen, im Deutschlandradio die Analysen verfolgt und online geschaut haben, was die neuen Meldungen sind. Er kennt sich aus im Zeitgeschehen und im Aktuellen. Und er weiß, was davon zu halten ist. Deswegen will er sich mitteilen.

Für Bild-Chefredakteur Kai Diekmann ist dieser Mann ein Geschenk. Unter Diekmann hat sich die Bild zu einem bunten, unterhaltsamen Medium entwickelt, dessen Menschenverachtung und Perfidie in der allgemeinen Anerkennung von Zynismus ein bequemes Dasein gefunden haben. Diekmann hat das Wir-Gefühl verstärkt und eine spaßorientierte Leserschaft aufgebaut, die sich an nichts stört, solange es nicht impotent macht. Für die Älteren, für jene, die in ihrem Bedürfnis, auf den Tisch zu hauen, abgeholt werden müssen, gibt es Ernst Elitz.

Thematisch hat Elitz freie Hand. Und nichts ist vor seinem Zugriff sicher. Snowden, Pofalla, Steuern, Obama, Heizkosten – Elitz bildet sich zu allem eine Meinung, und die teilt er mit. Er gibt den Götterboten des wahren Gedankens. Wie Donnerblitze schickt er seine Sätze ins Blatt. Gut und Böse fahren in den Leser, wie Nachrichten des Jüngsten Gerichts, auf dass die Ordnung wieder hergestellt werde. Elitz’ Blitze gibt es nur in Schwarz oder Weiß, Laut oder Leise.

Jeder Shitstorm sei schlimmer als die NSA

Was herauskommt, sind verknappte Zusammenhänge; beschnittene Geflechte, die die Vermutung nahelegen, es müsse ein sehr schlichtes Gemüt sein, das hier wütet. Ein Beispiel: „Dabei richtet jeder Shitstorm gegen unbescholtene Bürger in Deutschland mehr Unheil an als die Sammelwut der NSA.“ Bitte?! Jeder Shitstorm gegen irgendeinen Normalbürger richtet mehr Schaden an als die Möglichkeit, Privatpersonen, Politiker und die Wirtschaft auszuleuchten und zu erpressen?

In der Abgrenzung von Journalismus zur PR „rieselt“ für ihn „der Kalk“: „PR-Mitarbeiter können Weltmeister in der Erklärung komplizierter Sachverhalte sein“, schreibt er im Medium Magazin. Ein Satz – jahrelange Bemühungen an den Journalistenschulen zerschossen.

Der Versuch, Ernst Elitz zu verstehen, zu begreifen, was diesen Mann antreibt, scheitert. Denn es ist alles nicht so, wie es scheint. Die Arbeit als Kommentator für die Bild ist „wie ein Rückgriff auf das, was ich als Chefredakteur beim Süddeutschen Rundfunk gemacht habe“. Schließlich seien seine Kommentare für die „Tagesthemen“ nichts anderes gewesen: „Das war auch damals schon klare Kante. Ein guter ’Tagesthemen‘-Kommentar ist wie ein guter Kommentar der Bild: kurze Sätze, klare Meinung, nicht rumeiern.“ Ein Kommentar von Ernst Elitz besteht selten aus mehr als 15 Sätzen. Viele davon sind kurz, gern benutzt er Wörter, die die Menschen schnell erreichen. „Krieg“ ist so eines, „Herz“, „Hoffnung“, „Schuld“ drei andere. Oft fordert er „Schluss!“ Seine größte Stütze ist das Ausrufezeichen. In einem Text mit 13 Sätzen streut er es neun Mal. Die Erklärung? „Die Sätze sind alle gleich wichtig.“

Es ist nicht, als würde er sich winden, als müsse er im Gespräch mühevoll Wege suchen, um Kritik auszuweichen. Es ist einfach immer nur ganz anders, als man denkt. So ist der Boulevard nicht fragwürdiger als andere journalistische Gattungen. Ein Deutschlandfunk-Intendant und ein Bild-Chefredakteur arbeiten „für dieselbe Zielgruppe“. Diese Einschätzung, die Ernst Elitz durch wissenschaftliche Untersuchungen belegen kann, erlangt er dadurch, dass er Leser seiner Kolumne als Journalisten und Politiker ausmacht, die – die Wissenschaft belegt es – Bild lesen. Bei ihm sind die anderen die Dummen. Die FAZ etwa, die „von vornherein 60 Millionen Menschen ausspart“.

Schlicht und reaktionär

Was Ernst Elitz schreibt, ist erschreckend schlicht. Erschreckend reaktionär. Der Kollege Stefan Niggemeier hat sich in seinem Blog ausführlich mit Elitz’ sonderbaren Ausführungen zur Integration beschäftigt, mit seiner Parteinahme für Thilo Sarrazin, über den Elitz schrieb: „Aber er sagt unverblümt viele Wahrheiten über das Land. Zu viele Kopftücher, zu viel Hartz IV, zu wenig Leistung.“

Ernst Elitz ist ein Herr der alten Schule. Charmant, aber bestimmt. Einer, der im Gespräch geschickt pendelt zwischen Nähe und Distanz, Zu- und Widerspruch. „Niggemeier“ ist das Stichwort, das seine Contenance wanken lässt. „Oh, Gott! Ist das einseitig!“, ruft er. Schließlich wisse man immer, was von Niggemeier kommen würde. Ein interessanter Vorwurf von jemandem, der unter dem Willen zur Provokation jedes Thema durch Schwarz-Weiß-Malerei auf den Empörungseffekt herunterbricht. Doch auch diese Kritik will nicht greifen. Das sei keine Schwarz-Weiß-Malerei, sondern „Komplexitätsreduktion“. Sie sei die große Gabe des Boulevards und führe dazu, dass man den Lesern „in klaren Worten eine Sache erklärt“.

Boulevard ist gut, Bild auch. Das ist die Losung, der Ernst Elitz sich verschrieben hat, sie wird verteidigt bis zum letzten Ausrufezeichen. Egal wie die Einwände aussehen – Rügen des Presserates gegen die Bild, die zynische, menschenverachtende Haltung –, immer sind andere auch schlecht, immer sind es Vorwürfe, die „im Einzelfall bewiesen werden müssten“. Immer ist die Wissenschaft Beleg für die Güte des Blattes. Gilt die Kritik einer seiner Kolumnen, ist es Franz Josef Wagner, der sie gelobt hat. Des Teufels Advokat bemüht des Teufels Adjutanten als Zeugen.

Ernst Elitz tut so, als gäbe es nichts zu begreifen. Er versucht, das Bild des ewig neugierigen Tausendsassas zu implementieren, der toll findet, was er schreibt. Das ist glaubhaft. Ernst Elitz findet toll, was er macht.

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