Erneuerbare Energien statt Subventionen: Steinkohlekonzern muss grün werden
Speicherkraftwerke in alten Kohleschächten und Windräder auf Abraumhalden: Die Energiewende scheint die letzte Chance zur Rettung des Steinkohlekonzerns RAG.
BOCHUM taz | Sechs Jahre vor Schließung seines letzten Bergwerks setzt Deutschlands einziger Steinkohlekonzern RAG verstärkt auf regenerative Energieträger. Auf dem Steinkohletag in Essen warb der Chef des Ruhrkohle-Nachfolgers, Bernd Tönjes, massiv für eine Nutzung seiner Zechengelände zur Energiewende: Auf Abraumhalden sollen Windparks entstehen, Brachgelände könnten zur Anpflanzung schnell wachsender Wälder zur Biomassegewinnung genutzt werden.
Besondere Hoffnung setzt Tönjes aber auf neu zu entwickelnde Pumpspeicherkraftwerke unter Tage: Aus Speicherseen soll Wasser nicht mehr benutzte Kohleschächte hinabstürzen und dabei Turbinen antreiben. Das Wasser würde wieder hochgepumpt, wenn etwa nachts genügend Windstrom im Energienetz ist. Das ist die Idee, an der Geologen der Universität Duisburg-Essen und der Ruhr-Universität Bochum schon seit über einem Jahr arbeiten.
In bis zu 1.000 Meter Tiefe würde das Wasser mit hoher Energie auf die Turbinenblätter treffen - und so auch dann Strom erzeugen, wenn kein Wind weht oder die Sonne nicht scheint. Theoretisch wären Leistungen von rund 600 Megawatt denkbar - das entspräche dem Potenzial eines mittleren Kohlekraftwerks. Doch die Forscher stehen erst am Anfang ihrer Untersuchungen.
"Noch sind viele Fragen offen", räumt Eugen Perau, Geotechniker der Uni Duisburg-Essen, ein. "Trotzdem wollen wir so schnell wie möglich einen Prototypen entwickeln." Möglicher Standort könnte die noch fördernde Zeche Prosper in Bottrop sein, bestätigt der RAG-Fachmann für erneuerbare Energien, Walter Eilert - schließlich sind die Schächte und Sicherheitseinrichtungen eines laufenden Bergwerks noch intakt. Schon 2014 könnte ein erster Prototyp laufen, hofft er.
Subventionen von Bund und Land laufen aus
Denn für Eilerts Chef Tönjes wird die Energiewende zur letzten Chance, sein Traditionsunternehmen über das Jahr 2018 hinaus retten zu können: Dann laufen die milliardenschweren Steinkohlesubventionen aus, mit denen der Bund und das Land Nordrhein-Westfalen die defizitäre deutsche Steinkohleförderung seit Jahrzehnten vor der sofortigen Pleite bewahren. Allein in diesem Jahr waren Zahlungen von 1,9 Milliarden Euro vorgesehen. Wegen der hohen Weltmarktpreise werde die RAG in diesem Jahr aber 500 Millionen Euro weniger benötigen, sagte Tönjes in Essen.
Für das Pumpprojekt ist aber noch Grundlagenforschung nötig. Noch ist unklar, ob die Pumpspeicher-Turbinen in den alten Schächten überhaupt installiert werden können - oder ob bei Betrieb die hohen Kräfte zu immer neuen Bergschäden und Kratern im Ruhrgebiet führen können. Denn nach Jahrhunderten des Bergbaus ist der Untergrund des Reviers durchlöchert wie ein Schweizer Käse.
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