Ermittlungen wegen rechter Posts: Hitlergruß auf Social Media
Zwei Angehörige der Polizei Niedersachsen stehen im Verdacht, rechtslastige Postings abgesetzt zu haben. Beide sind derzeit des Dienstes enthoben.
Mancher private Post von Staatsdienern bewirkt das Gegenteil: Rechtslastigkeit ist hier kein Einzelfall. Dann rücken Kollegen zur Durchsuchung an, stellen Mobiltelefone und Laptops sicher.
Letzten Mittwoch fuhren Beamte der Zentralen Kriminalinspektion Osnabrück im Auftrag der Staatsanwaltschaft Osnabrück bei zwei Angehörigen der Polizei Niedersachsen vor. Strafrechtliche Ermittlungen begannen. Anonyme Hinweise hatten die Aktion möglich gemacht.
Fotos von hilflosen Menschen verbreitet
Ein 21-jähriger Polizei-Anwärter der Polizeiakademie Niedersachsen aus Hannoversch Münden im Landkreis Göttingen soll „einen Hitlergruß gezeigt“ und sich in dieser Pose gepostet haben, sagt Oberstaatsanwalt Alexander Retemeyer von der Staatsanwaltschaft Osnabrück der taz. Ein 27-jähriger Beamter der Polizeiinspektion Emsland/Grafschaft Bentheim stehe im Verdacht, so die Staatsanwaltschaft, sich wegen „Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs und von Persönlichkeitsrechten“ strafbar gemacht zu haben. In seiner Dienstzeit soll er Fotos von Personen „in hilfloser Lage, vor allem von ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern“ gemacht haben, auch in Zellen, „und diese via Messenger verbreitet haben“.
Man nehme die Vorwürfe „sehr ernst“, schreiben Andrea Menke, Polizeivizepräsidentin der Polizeidirektion Osnabrück, und Carsten Rose, Direktor der Polizeiakademie Niedersachsen, in einer gemeinsamen Erklärung. „Sollten diese sich bewahrheiten, werden wir unmissverständlich und mit entschlossener Haltung reagieren. Klar ist: Rechtsextremes Gedankengut hat in der Polizei keinen Platz!“ Die Polizei stehe für die Wahrung und den Schutz demokratischer Grundsätze. „Daran darf es keinen Zweifel geben.“ Disziplinar- beziehungsweise Entlassungsverfahren laufen. Beide Beschuldigte sind derzeit des Dienstes enthoben.
Auffällig ist: Wer von Staatsanwaltschaft und Polizei Auskunft will, landet schnell im Niemandsland: Zu Details, sagt Retemeyer der taz, möge man sich an Marco Ellermann wenden, den Sprecher der Polizeidirektion. Ellermann wehrt ab, sehr knapp, fast barsch: „Dazu sagen wir gar nichts!“ Die „Pressehoheit“ habe die Staatsanwaltschaft.
Nicht der erste Fall
Die Polizeidirektion Osnabrück hat schon mehrfach erlebt, dass Kollegen wegen Rechtslastigkeit ins Visier gerieten. Ein Beispiel: Ende April hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg über zwei Beamte entschieden, die sich in Chats über Jahre Rassistisches zugeschickt hatten. Sie können zwar nicht entlassen werden, wie es die Polizeidirektion wollte, die eigens dafür in Berufung gegangen war, aber ihre Disziplinarmaßnahmen wurden verschärft: Zurückstufung im Dienstgrad.
Beide Beamte, so das OVG, hätten „schuldhaft gegen ihre Pflicht verstoßen, durch ihr gesamtes Verhalten für die Erhaltung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung einzutreten“. Damit unvereinbar sei „jedes Verhalten, mit dem die Menschenwürde von Personen oder Personengruppen infrage gestellt werde oder das darauf gerichtet sei, die Ziele des nationalsozialistischen Regimes zu verharmlosen oder Bestandteile der NS-Ideologie wieder gesellschaftsfähig zu machen“. Es bestehe aber „noch ein Restvertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit“.
„Rechtsextreme müssen raus aus der Polizei“, schreibt Volker Bajus der taz, Landtagsabgeordneter der Grünen aus Osnabrück und in Hannover parlamentarischer Geschäftsführer. „Demokratiefeinde können keinen Rechtsstaat verteidigen.“ Es sei wichtig, dass Fälle wie dieser öffentlich werden: „Rechtsextreme müssen wissen, sie können sich in Niedersachsen nicht auf einen falsch verstandenen Korpsgeist verlassen. Es muss daher auch aufgeklärt werden, wer das Täterumfeld ist, wer die Empfänger*innen der versandten Hass-Fotos waren und die Täter gedeckt hat.“
Die Polizei müsse „widerstandsfähiger werden, gegen völkische, rassistische und rechtsextreme Einflüsse“, auch durch Bildungs- und Sensibilisierungsprogramme. „Die Polizeidirektion Osnabrück ist hier engagiert dabei“, schreibt Bajus.
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