Ermittlungen gegen Online-Portal: Papst-Kritik mit Folgen
Die Berliner Polizei ermittelt gegen queer.de wegen eines kritischen Textes über Joseph Ratzinger. Die Anzeige stammt wohl von einem Verwandten.

Grund für die Anzeige ist laut dem Herausgeber des LGBTQI-Onlineportals, Micha Schulze, ein Artikel, in dem das ehemalige Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche als „queerfeindlicher Hetzer“ bezeichnet wird. „Wir erleben schon seit einiger Zeit, dass queerfeindliche Gruppierungen und Personen unsere Redaktion mit Strafanzeigen – oder der Drohung, Anzeige zu erstatten – einschüchtern wollen“, sagt Schulze zur taz.
Micha Schulze. Herausgeber queer.de
Bisher habe das allerdings nie zu Ermittlungen geführt. „Ich bin sehr überrascht und auch entsetzt, dass in diesem Fall tatsächlich Vorermittlungen laufen.“ Dass es auch zu einer Anklage kommt, glaubt Schulze nicht. „Es ist leicht zu belegen, dass Joseph Ratzinger einer der größten queerfeindlichen Hetzer war“, so der Journalist.
Die „Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener“ ist ein Antragsdelikt und kann mit einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren geahndet werden. Antragsberechtigt sind nur die Angehörigen. Die Anzeige müsste also von einem Verwandten Ratzingers gestellt worden sein. Grundlage ist eine besonders schwere Beleidigung.
Gewerkschaft fordert Einstellung der Ermittlungen
Die ist laut dem Landesgeschäftsführer der Journalist*innengewerkschaft Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (DJU), Jörg Reichel, nicht gegeben. „Ich kann in dem Artikel keine Beleidigung erkennen. Er verstößt auch nicht gegen den Pressekodex“, so Reichel am Sonntag zur taz. Er fordert daher, dass die Polizei die Ermittlungen umgehend einstellt, um die Pressefreiheit nicht zu behindern.
Dass es überhaupt zu einer Anzeige gekommen ist, ist laut dem DJU-Vorsitzenden „sehr ungewöhnlich“ und werfe die Frage auf, ob die Angehörigen künftig jegliche kritische Berichterstattung über den wegen seiner frauen-, trans- und homosexuellenfeindlichen Äußerungen umstrittenen Ex-Papst behindern wollen. „Joseph Ratzinger hat politisch gewirkt. Seine Angehörigen müssen daher hinnehmen, dass er politisch bewertet wird“, so Reichel.
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