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Ermittlungen gegen Bayer-TochterMonsanto listet Gute und Böse auf

Frankreich ist empört: Der Glyphosat-Konzern Monsanto legt Listen mit Freunden und Feinden an. Bayer entschuldigt sich.

Wären in Frankreich wahrscheinlich auf der Liste „Anti-Monsanto“ gelandet: Demonstranten legen sich in Bonn gegen Bayer auf die Straße Foto: reuters

Paris taz | Die französische Justiz ermittelt gegen das Agrochemieunternehmen Monsanto wegen der mutmaßlichen Erfassung von Glyphosat-Gegnern und -Befürwortern in einer heimlichen Liste. Mit dem Papier wollte die heutige Tochter des deutschen Bayer-Konzerns 2016 offenbar das Verfahren zur Bewilligung seiner auf dem Wirkstoff Glyphosat beruhenden Unkrautvernichter durch die EU für sich entscheiden.

Ein weiterer Image-GAU für Bayer, das ohnehin wegen der Übernahme von Monsanto im vergangenen Jahr vor gravierenden Problemen steht: In den USA klagen mehr als 13.000 Menschen gegen Monsanto, weil sie Glyphosat für Krebserkrankungen verantwortlich machen, vor zwei Wochen verweigerten die Aktionäre in einem historisch einmaligen Schritt dem Vorstand die Entlastung. Laut der Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation ist Glyphosat „wahrscheinlich krebserregend“, dennoch ist es der weltweit meistverkaufte Pestizidwirkstoff.

Mit der Liste wollte Monsanto in Frankreich kritische Politiker, Wissenschaftler und Journalisten offenbar „erziehen“, besonders hartnäckige Gegner sogar „überwachen“, berichtet der öffentliche Sender France 2. Laut mehreren Medien sollen PR-Agenturen die Liste im Auftrag des US-Konzerns geführt haben. Darin waren zuletzt rund 200 Namen aufgeführt – mit Noten von 0 bis 5, je nach Einfluss und Grad der Unterstützung für Monsanto. Die Politiker, Wissenschaftler oder Journalisten wurden mit Privatadresse, Telefonnummer und sogar ihren Hobbys gelistet. Links in Tabellen die „Guten“, rechts die „Bösen“.

Während Verantwortliche des wichtigsten Bauernverbands FNSEA auf der Seite der Befürworter auftauchen, erhielt die französische Krebsliga den Hinweis „Anti-Monsanto“. Die einstige französische Umweltministerin Ségolène Royal taucht auf der Liste wegen ihrer ablehnenden Haltung zu Glyphosat sogar als „null beeinflussbar“ auf. Es sei „pervers“, Menschen derartig einzustufen, sagte Royal empört. Das „System“ müsse „von schädlichem Lobbying gesäubert“ werden.

Vier Mitarbeiter von AFP betroffen

Auch vier Mitarbeiter der Nachrichtenagentur AFP sind auf der Liste verzeichnet, die zur Hälfte Journalisten umfasst. Die Zeitung Le Monde und Radio France kündigten juristische Schritte wegen Datenmissbrauchs an, andere Medien wollen die Datenschutzbehörde CNIL anrufen.

Die Organisationen Foodwatch und Générations Futures, die gegen Pestizide in Lebensmitteln vorgehen, bereiten nach eigenen Angaben Klagen vor. Monsanto habe gegen das Strafgesetz verstoßen, das es verbietet, ohne Zustimmung der Betroffenen persönliche Angaben zu politischen oder weltanschaulichen Meinungen zu erfassen.

Für Monsanto stand bei der Glyphosat-Zulassung in Europa womöglich zu viel auf dem Spiel, um sich an die Regeln zu halten, zudem im Agrarland Frankreich. Das Ansehen des US-Konzerns ist hier bereits angekratzt. Medien enthüllten bereits vor Jahren die Versuche Monsantos, Einfluss auf politische Entscheidungen und Gutachten von Fachkreisen bei der Zulassung von Glyphosat zu nehmen.

Dies erwies sich zuletzt als kontraproduktiv: Präsident Emmanuel Macron will wegen des öffentlichen Drucks die für den privaten Gebrauch bereits verbotenen Glyphosate ab 2021 völlig aus der Landwirtschaft verbannen – sofern es bis dann alternative Produkte gibt. Im EU-Wahlprogramm verspricht seine Bewegung La République en Marche sogar bis 2025 eine Halbierung des Pestizideinsatzes im Land. Die EU hat dagegen 2017 einer auf fünf Jahre befristeten Weiterverwendung zugestimmt.

Bayer bittet um Entschuldigung

„Nach einer ersten Analyse verstehen wir, dass ein solches Projekt Bedenken und Kritik ausgelöst hat“, erklärte Bayer am Sonntag in Leverkusen. „Dies ist nicht die Art, wie Bayer den Dialog mit unterschiedlichen Interessengruppen und der Gesellschaft suchen würde. Wir bitten daher um Entschuldigung.“

Derzeit gebe es zwar keine Hinweise, dass die Erstellung der Liste gegen gesetzliche Vorschriften verstoßen habe, erklärte der Konzern. Dennoch werde Bayer eine externe Anwaltskanzlei damit beauftragen, das von Monsanto verantwortete Vorgehen zu untersuchen. Die auf der Liste verzeichneten Personen würden über die von ihnen gespeicherten Daten informiert. Der verantwortliche Monsanto-Manager habe das Unternehmen bereits nach der Übernahme durch Bayer verlassen.

Intern solle Matthias Berninger, Leiter des neu geschaffenen Bereichs Public Affairs und Nachhaltigkeit, die Aufarbeitung vorantreiben und das Verhalten der unterschiedlichen Beteiligten überprüfen, teilte der Pharma- und Agrarchemiekonzern mit. Berninger war einst Staatssekretär im von der Grünen Renate Künast geführten Verbraucherschutz- und Agrarministerium.

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15 Kommentare

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  • Na, glücklicherweise war das in der BRD nicht notwendig.

    Bayer konnte sich darauf verlassen, dass diese Regierung trotz einer Mehrheit in der Bevölkerung, im Parlament, ja sogar bei einzelnen Regierungsmitglieder gegen die weitere Zulassung von Glyphosat trotzdem, wie geschehen, gegen alle demokratischen Regeln und Geschäftsordnungen für die weitere Zulassung stimmen wird.

    Wie denn auch, wenn die ehemalige Mitarbeiterin von dem heutigen Bayer-PR-Mann Berninger die Fraktionsvorsitzende der heutigen Grünen ist. Göring-Eckardt hat ihre politische Karriere bei dem begonnen. Hier müssen nicht mal mehr die Grünen überzeugt werden, wie toll Glyphosat ist.So läuft Lobbyismus, man kennt sich eben.

  • Was steht eigentlich in dem Glyphosat-Gutachten, dass die Bundesregierung uns nicht zeigen möchte?



    fragdenstaat.de/ak...cht-2019/#anfragen

  • Es gab etliche Bücher, Dokus, Interviews, Klagen, Menschen die sich zur Aufgabe gemacht haben Monsanto ans Bein zu pinkeln...und Bayer hat sich die Frage nie gestellt warum eine Organisation, die ein beinahes Monopol auf bestimmtem Verkaufsfeld besitzt es auf einmal verkaufen will. Idioten!



    Monsanto hat den Namen, Chemie und die Immobilie an Bayer verkauft, aber die "unsichtbare Hand", die jede lauter werdende Stimme zum verstummen brachte wurde nicht mitverkauft.



    Monsanto hatte dekadenlange Erfahrung mit Schmiergeldern, hatte Beziehungen mit Regierungen "geknüpft" und nu ist Bayer da und muss von vorne anfangen.



    Weiterverkaufen können sie nicht und werden auf dem Haufen sitzenbleiben.

    Aber keine Sorge wenn alles schief geht und einem deutschen Traditionsunternehmen die finanzielle Puste ausgeht, dann kommt ja die Rettung...

    IST ES EIN VOGEL?!...IST ES EIN FLUGZEUG?!...NEIN, ES IST DER GEMEINE STEUERZAHLER!!!

    • @Kubatsch:

      Sach ich doch schon seit August 18 😉:



      www.taz.de/Kursstu...S-Urteil/!5524782/



      Aber wahrscheinlich "dürfen" wir Steuerzahler dann die Verluste bezahlen.



      Die Politiker behaupten in Kürze wahrscheinlich, dass Bayer systemrelevant ist.



      Warten wir's mal ab…

  • Good night Bayer bzw. bye bye.

  • Wer tatsächlich glaubt, dass Monsanto in diesem Fall ein Einzelfall ist, der geht ganz schön Blauäugig durchs Leben!

    Einem meiner ehemaligen Chefs hat sogar eine solche Liste über die Presse und die Kommunalpolitiker geführt, um seine Bauanliegen sicher durch die Genehmigungsphase zu bekommen!



    Hier mal eine kleine Aufmerksamkeit zum Geburtstag der Ehefrau, des Kindes oder den Eigenen, kann bei solchen Verfahren wunder bewirken und sollte sich jemand mal Querstellen wollen, sollte man auch wissen, wo seine Leichen im Keller liegen, um ein "Klein wenig" Einfluss zu nehmen!

    Es gibt mit 100% Sicherheit keine Firma, die nicht solche Listen führt, die Frage ist nur, in wie Weit wendet sie diese auch an, um ihre Belange abzusichern oder durchzusetzen!

    Sieht man sich die Politik der letzten Jahre genauer an, gehe ich davon aus, dass genug Unternehmen, vor allem aber Konzerne die Daten aus ihren Listen einsetzen, um großen Einfluss zu nehmen!

    Wie sonst kann es sein, dass es in Berlin inzwischen mehr Lobbyisten, als gewählte Abgeordnete und deren Helfer gibt!

    Jede Firma hat mit einer solchen Liste die Möglichkeit, Einfluss auf die für sie wichtigen Personen zu nehmen, denn es gibt keine Person, die nicht irgendwann einmal etwas getan hat, auf das die Person nicht stolz ist und mit dem Bekannt werden dieser Tatsache leicht erpressbar werden würde!

    So etwas wurde aber höchstwahrscheinlich schon zu Steinzeiten gehandhabt!



    Das ist keine Erfindung der Neuzeit, aber es ist schlimm, dass sich eben jene dazu genötigt sehen, die in der Bevölkerung eigentlich ein gewisses Vertrauen genießen!



    Mit solchen Aktionen befeuern die Unternehmen und Konzerne weiterhin ihren als unangemessen gesehenen Machtmissbrauch, welchen sie nutzen, in dem sie unter anderem immer wieder mit der Arbeitsplatzkeule drohen, um ihre anliegen durchzusetzen!

    Der Staat müsste dem Lobbyismus einen Riegel vorschieben, dann wäre auch wieder ein Klein wenig mehr vertrauen durch den Wähler zu erwarten!!!

    • @urbuerger:

      Nun, Sie haben ja gerade selbst gesagt, dass der Lobbyismus (fast) alles schon kontrolliert – eben auch und gerade "DEN" Staat, sprich: die Abgeordneten, die Gesetzgebung, die Verteilung, u. a..



      Grundsätzlich müss(t)en die Lobbyisten den Bundestag mit einer "Bannmeile" von mindestens 2000 km stante pede verlassen. "Eigentlich".



      Aber die Mehrheit der Menschen kapiert das eben nicht und wiegen sich in Sicherheit.



      Und genau das ist ja der Plan der 🤥 Herrschenden, unfortunately.

      • @Frau Kirschgrün:

        Mannmannmann 🙄:



        Die Mehrheit WIEGT sich in Sicherheit.

  • Hoffen wir, dass dieser Konzern ein "Dinosaurier" ist, der zugrunde geht - noch vor der Menschheit insgesamt.

    • @Hanne:

      Da hoffe ich mit.

  • 9G
    91672 (Profil gelöscht)

    Baumann hatte warscheinlich in seiner Allmachtsfantasie gedacht, wenn wir diese amerikanische Giftküche erst in Europa haben, dann haben wir über die Gentechnik und das entsprechende Saatgut und seine Bearbeitung mit Gift alles in der Hand. Da können die Europäer dann strampeln, wie sie wollen. Wenn erstmal Gentechnik und genug Gift in den Pflanzen und Böden ist, dann bestimmt Bayer das zukünftige Leben.



    Das scheint gottseidank (trotz des windelweichen Wegschauens von Frau Merkel und ihrer CDU) nicht ganz aufzugehen.

    • @91672 (Profil gelöscht):

      Offengestanden habe ich auch nur wenig Hoffnung in die derzeitige Umweltministerin. Und die restliche derzeitige Ministerriege, die uns nach innen und aussen vertritt - einfach schauerlich.

  • Soso, eine Entschuldigung von BAYER, dass sie Mafia-Methoden anwenden. Hihihi.

  • 0G
    05654 (Profil gelöscht)