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Neue EU-KommissionEs ist ein Skandal

Eric Bonse
Kommentar von Eric Bonse

Mit Raffaele Fitto zieht ein Postfaschist in die EU-Kommission ein. Es ist ein schmutziger Deal, an dem auch Sozis und Grüne beteiligt waren.

Selfie mit rechts: Mit Raffaele Fitto darf ein Postfaschist in die EU-Kommission einziehen. Giorgia Meloni freut sich Foto: Saverio De Giglio/ipa/picture alliance

D ie Mitte hält. Mit diesem Stoßseufzer hatte Brüssel im Juni das Ergebnis der Europawahl aufgenommen. Obwohl rechtspopulistische und nationalistische Parteien zulegten, behielten Konservative, Sozialdemokraten und Liberale eine – wenn auch knappe – Mehrheit.

Doch nun hat ausgerechnet diese große Koalition das Tor nach rechts aufgestoßen. Angeführt von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und dem Chef der Konservativen, Manfred Weber, wurde die viel beschworene „Brandmauer gegen rechts“ eingerissen.

Mit Raffaele Fitto darf zum ersten Mal ein Politiker einer postfaschistischen Partei in die EU-Kommission einziehen. Nicht nur das: Fitto wird zum geschäftsführenden Vizepräsidenten der Brüsseler Behörde ernannt und darf milliardenschwere EU-Fonds verwalten.

Das hat von der Leyen zu verantworten, die sich nach der Wahl auf undurchsichtige Deals mit Italiens rechter Regierungschefin Giorgia Meloni eingelassen hatte.

Ihr Parteifreund Weber hat es zu verantworten, dass die Konservativen neuerdings hier und da zusammen mit der AfD abstimmen.

Schuld trifft aber auch die anderen Parteien, die Grünen eingeschlossen. Die zeigen jetzt zwar mit dem Finger auf die Sozialdemokraten – weil die Genossen nach langem Hin und Her grünes Licht für Fitto gegeben haben, um ihre eigene Kandidatin Teresa Ribera zu retten. Doch auch die Grünen bekennen sich zur „Von-der-Leyen-Koalition“.

Der große Verlierer ist das Parlament. Seine Aufgabe ist es, die Kommission zu kontrollieren. Dieser Aufgabe werden ausgerechnet die proeuropäischen Parteien nicht mehr gerecht. Schon die Anhörungen der Kommissare waren eine Farce, ihre Bestätigung „en bloc“ ist ein Skandal. Aber noch ist das letzte Wort nicht gesprochen.

Das geschieht erst in der kommenden Woche – bei der abschließenden Abstimmung im Plenum in Straßburg. Wer sich dem Rechtsruck und dem parlamentarischen Kontrollverlust ent­gegenstemmen will, muss mit Nein stimmen.

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Eric Bonse
EU-Korrespondent
Europäer aus dem Rheinland, EU-Experte wider Willen (es ist kompliziert...). Hat in Hamburg Politikwissenschaft studiert, ging danach als freier Journalist nach Paris und Brüssel. Eric Bonse betreibt den Blog „Lost in EUrope“ (lostineu.eu). Die besten Beiträge erscheinen auch auf seinem taz-Blog
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12 Kommentare

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  • Der spanischen Kommissarin wird eine wesentliche Mitschuld an der Flutkatastrophe in Valencia vorgeworfen. Wenn es nicht stimmt, bitte sachlich widerlegen. Ansonsten halte ich es für Dämlichkeits-Extremismus, wenn die Hinterbänkler einem Versager Nibelungentreue erweisen, statt die Partei von Inkompetenz zu säubern. Kein Wunder, dass dann immer radikalere Parteien gewählt werden.

  • Es gab nie eine Brandmauer nach rechts! Bestenfalls ein löchriger Vorhang. Und Frau Van der Leyen hätte niemals in dieses Amt gewählt werden dürfen.

  • "undurchsichtige Deals" das scheint mir bei Frau von der Leyen mittlerweile ganz oben auf der Liste ihrer Qualifikationen zu stehen.



    Und das nun gerade eine Dame von der CDU die Brandmauer in der EU nach Rechts durchbricht, sollte angesichts der Rhetorik von CDU/CSU hier in Deutschland auch nicht verwundern. Bei manchen ist da tw. kein großer Unterschied zur AfD zu erkennen, wobei ja selbst FDP, SPD und die Grünen sich da in Teilen nicht gerade mit Ruhm bekleckert haben v.a. in den letzten Monaten.

  • Angesichts des Trends nach rechts in den USA, Argentinien, Frankreich, Italien, Niederlande, Österreich, Finnland, Schweden, dem Balkan und anderswo ist das ein übler Verrat der Parteien an der nicht-faschistischen Bevölkerung. Das ist entmutigend und macht bestenfalls wütend. Für das Linsengeriocht kleiner, momentaner taktischer Vorteile werfen insbesondere die EVP Parteien alle Versprechen ins Feuer. Aber was will man von vdL oder Weber anders erwarten? Die handeln in ihrem politischen Leben bisher stets nach der Maxime: alles was Recht(s) ist....

  • Tja. Nun ist dieses Parlament aber so gewählt worden (wie leider auch die Regierungen in manchen Ländern). Den Rechtsruck hat in erster Linie der Souverän zu verantworten. Sollte man sich in Europa, frei nach Brecht, eine neue Bevölkerung wählen?

  • Dies Ganze fühlt sich wie eine Autoimmunerkrankung an, der eine gestörte Selbsttoleranz zugrunde liegt, bei der sich die EU von innen heraus selbst schädigt. Um diese Schädigung durch die Deals von Weber und von der Leyen zu verhindern, benötigt es ein noch viel klareres Eintreten der demokratischen und proeuropäischen Kräfte. Es muss ein Abwehrsystem geschaffen werden, dass immun ist gegenüber rechtspopulistischen Viren und Antikörper. Da hilft manchmal ein Blick in die Schulmedizin.

  • Folge ich Medienberichten, wäre Fitto austrainierter Politiker und hat relevante Erfahrungen. Dass Italien nicht übergangen kann, da ist das Bestimmungsverfahren bekannt.



    Die EU-Bürokratie hätte ihn so oder so eingefangen: gehörig braten, aber durch kommt er. Die EU hat Oetinger überlebt.

    (Das schreibt jemand, den Melonis Hundepfeifen Richtung Altfaschisten anwidert)

  • "Schmutziger Deal" ist auch nur ein anderes Wort für Kompromiss.

    Es gibt Systeme, die kommen ohne Kompromisse nicht aus.



    Eines davon nennt sich Demokratie.

  • Gibt es eigentlich auch einen Paketfaschisten?

    • @LukasL:

      Nur Fetischisten...

  • Ich wiederhole mich:



    vdL und der Herr Weber von der CSU sind der Untergang der Europäischen Union.

    • @LeKikerikrit:

      Untergang der demokratischen EU. Sie bauen sie zu einer "christlich-nationalistischen" (Orban und LePen) und mehrheitlich weißen EU um.