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Erhöhung des Wohngelds30 Euro mehr für die Miete

Das Bundeskabinett beschließt höheres Wohngeld zum 1. Januar 2025. Das Pestel-Institut befürchtet, Vermieter könnten das ausnützen.

Das Wohngeld bedürftiger MieterInnen soll erhöht werden Foto: Jens Kalaene/dpa

Berlin taz | Das Wohngeld war zu Beginn 2023 umfassend reformiert und verbessert worden. Jetzt kündigte Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) eine erneute Erhöhung für 2025 an. „Die Menschen geben heute deutlich mehr Geld für Miete, Energie und Waren des täglichen Bedarfs aus. Um die Entlastungswirkung auch langfristig zu erhalten, erhöhen wir das monatliche Wohngeld zum 1. Januar 2025 um durchschnittlich 15 Prozent beziehungsweise 30 Euro im Monat“, sagte Geywitz nach einem Kabinettsbeschluss vom Dienstag.

Die Höhe des monatlichen Mietzuschusses für Bür­ge­r:in­nen mit geringem Einkommen wird laut Gesetz alle zwei Jahre auf eine nötige Anpassung an die Preis- und Mietpreisentwicklung überprüft. Das Wohngeld wird individuell berechnet, wobei Einkommen, Haushaltsgröße, Miethöhe und auch die Wohnkosten­situation in der Region eine Rolle spielen.

Durch die Reform „Wohngeld-Plus“ von 2023 wurden der Kreis der Anspruchsberechtigten deutlich ausgeweitet und auch die Heizkosten mehr berücksichtigt. Das Ministerium rechnete bei Beginn der Reform damit, dass die Zahl der Wohn­geld­emp­fän­ge­r:in­nen sich durch die Reform verdreifachen und in den kommenden Jahren auf rund 1,9 Millionen Menschen steigen könnte.

Nach Berechnungsbeispielen aus dem Bundesbauministerium von 2023 bekommt beispielsweise eine alleinstehende Rentnerin im brandenburgischen Jüterbog mit einer Bruttorente von 860 Euro im Monat und einer Bruttokaltmiete von 335 Euro ein Wohngeld von 250 Euro im Monat. Ein Ehepaar mit zwei Kindern in München mit einem anrechenbaren Gesamteinkommen von 1.940 Euro und einer Miete von 770 Euro erhält ein Wohngeld von 518 Euro.

Wohngeld ist vorrangig vorm Bürgergeld

Bei Ge­ring­ver­die­ne­r:in­nen wird das Wohngeld vorrangig gewährt vor Leistungen der Grundsicherung und soll verhindern, dass Einkommensschwache nur wegen der Wohnkosten Bürgergeld beantragen müssen. Wer Bürgergeld bezieht, erhält kein Wohngeld, sondern bekommt die sogenannten Kosten der Unterkunft vom Jobcenter erstattet. Jobcenter prüfen daher bei Neu­an­tragsstel­le­r:in­nen, ob nicht ein vorrangiger Anspruch auf Wohngeld besteht.

Das Pestel-Institut warnte am Mittwoch aber davor, die Erhöhung des Wohngeldes könnte einen „ungewollten Effekt der Mietpreistreiberei“ mit sich bringen, so Pestel-Chef Matthias Günther. Vermieter nutzten den Wohnungsmangel aus, um mit den Mieten „weiter nach oben zu gehen“. Schon bei den Kosten der Unterkunft für Bürgergeld-Empfänger:innen müsse der Staat heute „Mieten akzeptieren, die regional teils deutlich über den Durchschnittsmieten liegen“.

In vielen Fällen allerdings zahlen Bürgergeld-Empfänger:innen einen Teil der Miete selbst, weil diese die „Angemessenheitsgrenzen“ der Jobcenter übersteigt.

Aktuell fehlten in Deutschland über 500.000 Wohnungen, so Günther.

Wohngeld mit Bürgergeld vereinen?

Die Zahl der Emp­fän­ge­r:in­nen von Bürgergeld ist trotz der Erweiterung des Wohngeldes von 2023 nicht nennenswert gesunken. In Hamburg etwa verdoppelte sich im vergangenen Jahr die Zahl der Wohngeldempfänger:innen, der durchschnittliche Anspruch kletterte zwischen 2022 und 2023 laut Statistikamt Nord auf 318 Euro monatlich. Die Zahl der Emp­fän­ge­r:in­nen von Bürgergeld stieg im Laufe des Jahres 2023 in Hamburg wie auch im Bundesgebiet aber ebenso an, was auch dem Zuzug von Ukrai­ne­r:in­nen geschuldet ist.

Das Münchener Ifo-Institut schlug unlängst vor, Wohngeld und Bürgergeld in eine Leistung zu integrieren. Allerdings sind die Vorbedingungen der beiden Leistungen unterschiedlich, eine Zusammenlegung wäre kompliziert.

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8 Kommentare

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  • Was eine Flickschusterei dieser Regierung.



    Es muss einfach mehr gebaut werden.



    Festhalten muss man hier leider, dass je länger Frau Geywitz im Amt ist, desto schlechter läuft es in der Bauwirtschaft.



    Eigentlich sollte sie ja den Wohnungsbau ankurbeln.



    Der Wohnungsbau in Deutschland bleibt in der Dauerkrise. Im 1. Halbjahr wurde laut dem Statistischen Bundesamt (Destatis) der Bau von 106.700 Wohnungen genehmigt. Das waren 21,1 Prozent weniger als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Allein im Juni gab es einen Rückgang um 19 Prozent auf 17.900 Wohneinheiten. Betrachtet man einen längeren Zeitraum, fällt der Rückgang weitaus drastischer aus. Laut Destatis schrumpften die Genehmigungen gegenüber Juni 2022 sogar um mehr als 42 Prozent.



    Auch bei diesem Thema muss man damit leider zum gleichen Fazit kommen. Je länger diese Regierung im Amt ist, desto schlimmer werden die Probleme.



    Daher: Neuwahlen Jetzt!

  • Warum soll gerade den Ärmsten vorgeschrieben werden, dass dies Geld an den Vermieter gehen soll?



    Außer, wenn man das Geld ohnehin dem Vermieter zukommen lassen wollte.

  • Würde die Regierung die 30 Euro / Monat den Mietern für den Kauf einer Balkon-PV-Anlage schenken, und gleichfalls den rückwärtslaufenden Zähler akzeptieren, wäre den Mietern mehr geholfen, den dadurch würde der Strompreis nicht erhöht werden. Ebenso würde die fossile Stromproduktion um einen großen Teil reduziert, ohne Belastung der Netze, denn der Strom wird dezentral auch gleich wieder über das Netz verbraucht.

  • Eine gute Nachricht!



    Hier werden Nägel mit Köpfen gemacht:



    zuerst wird es viel mehr Menschen der Zugang zu Wohngeld ermöglicht, dann wird es , den Gegebenheiten entsprechend, erhöht.



    Diejenigen, die jetzt meinen das habe negative Effekte auf dem Wohnungsmarkt, sollten sich dann auch bei "drohender" Lohn- , Renten- und Bürgergelderhöhung an diese Argumentation halten.

  • Natürlich werden diese 30€ pro Monat in den Taschen der Vermieter landen! Wir freuen uns auf die nächste Mieterhöhung, die jedoch diese 30€ deutlich übersteigen wird. Wir hätten die Mieten aber auch ohne diese 30€ um die erlaubten 15% in drei Jahren erhöht. Ob das Wohngeld erhöht wird oder nicht, ist uns Vermietern ziemlich egal.

    Wer die Zeilen hier oben besonders zynisch findet, liegt richtig, aber die Gesetzeslage erlaubt den Vermietern nun einmal regelmäßige Mieterhöhungen unabhängig von der finanziellen Situation der MieterInnen. Die Vermieter sorgen z. Zt. durch kräftige Mieterhöhungen auch dafür, dass die Inflation nicht so schnell sinkt, wie sie sollte, denn die Wohnkosten machen ca. 30% des Warenkorbs aus, der der Inflationsberechnung dient. Und natürlich führen regelmäßige kräftige Mieterhöhungen zu stark steigenden Mietspiegeln, was wiederum auch die nächsten Mieterhöhungen relativ hoch ausfallen lassen wird.

    Wer das alles nicht will, muss Parteien weit links von der Mitte wählen, die jedoch keinen Plan haben, wie man des Wohnungsmangels Herr wird.



    Wer andrerseits viel baut, baut viel Leerstand und verwässert damit die Mieten, was vielen Vermietern



    nicht gefallen wird.

  • Ist dich sonnenklar, dass sich die Vermieter die 30€ in Form von Mieterhöhung abholen, dafür ist es ja gedacht. Er/sie wäre ja blöd wenn er/sie es nicht tun würde. Es wird ja wahrscheinlich auch niemand geben, der auf die 30€ Erhöhung verzichtet, nur weil er/sie ein Sparfuchs ist.

  • die maßnahme ist für sich genommen tatsächlich nicht nur kontraproduktiv, sondern ausdruck entweder einer nach wie vor atemberaubenden borniertheit der spd in wohnungspolitischen fragen oder - ich vermute, letzteres trifft zu - eines anhaltenden willens im politischen machtzentrum der "sozen" zur reibungslosen durchsetzung von kapitalinteressen.

    solange die erhöhung des wohngeldes nicht von der einführung einer wirksamen kappungsgrenze für mieten ohne zahlreiche gesetzliche schlupflöcher flankiert wird, ist sie ein steuergeschenk an die vermögendsten gruppen der gesellschaft und eine umverteilung gesellschaftlichen reichtums von unten nach oben.

    das ist skandalös, weil es erstens die bereits existierende vermögensungleichheit in der brd vertieft, und zweitens weitere investive mittel bindet, die für die sozial-ökologische transformation des bundesdeutschen arbeitsmarktes dringend benötigt werden.

    • @Pflasterstrand:

      Die Kapitalinteressen werden von uns Vermietern auch ohne diese 30€ reibungslos durchgesetzt. Wie sollten sich die MieterInnen auch dagegen wehren können?

      Man merke sich folgendes:



      Alle Gesetze, in denen es um Geld geht, wurden von Leuten gemacht, die genug davon haben.