Ergebnisse der UN-Klimakonferenz: Wenig Geld, wenig Schlaf
Die UN-Klimakonferenz ist knapp am Scheitern vorbeigeschrammt. Die Delegierten konnten sich auf höhere Hilfen einigen, zufrieden ist kaum jemand.
Das Geld soll den Entwicklungsstaaten dabei helfen, die steigenden Kosten für mehr Klimaschutz zu tragen und sich besser an die Folgen der Erderhitzung, an häufigere Überschwemmungen, Dürren oder intensivere Stürme anzupassen. Die Industriestaaten haben durch ihre Treibhausgasemissionen weitaus mehr zur Erderhitzung beigetragen als die meisten Entwicklungsländer, sind aber häufig weniger stark von den Folgen des Klimawandels betroffen – auch, weil sie mehr Geld haben, sich anzupassen.
Die 1,3 Billionen stellen nur eine Absichtserklärung dar, die niemanden zu konkreten Zahlungen verpflichtet. Sie sollen aus verschiedenen Quellen kommen und auch die multilateralen Entwicklungsbanken wie die Weltbank einbeziehen.
Anders verhält es sich mit dem neuen Ziel von 300 Milliarden US-Dollar, die die Industrieländer jährlich aus öffentlichen und privaten Quellen für die Entwicklungsländer bereitstellen sollen. Dies entspricht einer Verdreifachung des bisherigen Klimafinanzierungsziels von 100 Milliarden US-Dollar, das noch bis Ende 2025 gilt.
Die Industriestaaten haben sich verpflichtet, den Entwicklungsländern spätestens 2035 jährlich mindestens 300 Milliarden US-Dollar an Krediten und Zuschüssen zu geben. Damit sollen sie sich an die Erderhitzung anpassen und Klimaschutz betreiben können. Wie der Betrag auf die eigentlich nötigen 1,3 Billionen US-Dollar ansteigen kann, wird auf der nächsten Klimakonferenz verhandelt.
Nach jahrelangen Verhandlungen einigten sich die Delegierten zudem auf Regeln für einen UN-Kohlenstoffmarkt. Länder und Unternehmen können dort Zertifikate verkaufen, wenn sie Emissionen vermeiden, zum Beispiel durch Moorschutz.
Der große Teil dieser Mittel werde aber weiterhin in Form von Krediten kommen, fürchtet Klimafinanzierungsexperte Jan Kowalzig von der Hilfsorganisation Oxfam: „Diese Kredite müssen dann mit Zinsen zurückgezahlt werden und können die oft erdrückende Schuldenlast der einkommensschwachen Länder weiter verschärfen.“ Ohnehin lägen die Bedarfe der einkommensschwachen Länder vielfach über dem heute beschlossenen Ziel, machte Kowalzig deutlich.
Klimahilfen sind „keine Wohltätigkeit“
So verwundert es kaum, dass die finale Plenumssitzung vom Widerstand einiger der meistbetroffenen Staaten überschattet wurde. „Klimafinanzierung ist keine Wohltätigkeit“, erinnerte Diego Pacheco, der Chefverhandler Boliviens, „sondern eine rechtliche Verpflichtung.“ Die Entwicklungsländer würden mit ihrem Leid in der Klimakrise allein gelassen, beklagte Pacheco in der hitzigen Debatte gegen zwei Uhr morgens. Dabei trügen die Industriestaaten eine historische Verantwortung für die Erderwärmung. Es breche eine Ära an, in der jeder nur seine eigene Haut retten wolle.
Ähnlich äußerten sich die Delegierte Indiens sowie Verhandler*innen aus Kuba und Nigeria. Ihre Stimmen wurden zu Protokoll genommen, änderten aber nichts mehr am Abschluss des Gipfels. Zwischenzeitlich hatte sogar der Abbruch der Gespräche im Raum gestanden, als die Gruppen der kleinen Inselstaaten und der ärmsten afrikanischen Staaten am frühen Samstagabend die Finanzverhandlungen verließen.
Ein Zugeständnis ist nun, dass ein „Fahrplan“ erstellt werden soll, der den Anstieg auf die 1,3 Billionen bis 2035 beschreibt. Im Jahr 2030 soll das Ziel überprüft werden.
Zudem wird die Geberbasis für Klimafinanzierung über die Industrieländer hinaus verbreitert: Schwellenländer wie China oder die Golfstaaten können ihre Anteile an den Klimageldern der Entwicklungsbanken künftig freiwillig als Klimahilfen definieren. Ebenso können sie Kredite und Zuschüsse an die Entwicklungsländer, die sogenannten „Süd-Süd-Hilfen“, auf das gemeinsame Klimaziel von mindestens 1,3 Billionen anrechnen lassen.
Deutschland und EU begrüßen Abschluss
EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra verteidigte den Beschluss als Beginn einer „neuen Ära in der Klimafinanzierung“. Die neuen Ziele seien ehrgeizig, aber realistisch.
Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sieht im Anteil der Industriestaaten von 300 Milliarden US-Dollar dagegen nur einen Ausgangspunkt. „Wir wissen, dass unsere heutigen Entscheidungen allein nicht ausreichen, um alle Bedürfnisse zu erfüllen“, sagte sie im Plenum. „Aus diesem Grund haben wir uns für die Vision eingesetzt, die Finanzierung für Entwicklungsländer auf 1,3 Billionen US-Dollar aufzustocken.“
Baerbock versprach, Deutschland werde „liefern“ und betonte, dass Klimaschutzfinanzierung nur mit konkreten Maßnahmen zur Minderung von Treibhausgasen erfolgreich sein könne. „Und weil wir aus unseren Fehlern in der Vergangenheit gelernt haben – wir können keinen Scheck unterschreiben, der platzt – geht es hier auch um Vertrauen.“ Sie erklärte zudem, dass Blockierer-Staaten in Baku gescheitert seien, während die Verfechter einer besseren Welt gewonnen hätten.
UN-Generalsekretär António Guterres begrüßte die Einigung, betonte aber, er habe „auf ein ehrgeizigeres Ergebnis gehofft – sowohl bei der Finanzierung als auch bei der Eindämmung –, um die große Herausforderung zu bewältigen, vor der wir stehen.“
Tina Stege, die Klimagesandte der akut vom Meeresspiegelanstieg bedrohten Marshallinseln, sagte, sie seien mit der Sicherheit ihrer Gemeinschaften und dem Wohlergehen der Welt im Herzen angereist. „Doch wir haben den schrecklichsten politischen Opportunismus miterleben müssen, der mit dem Leben der gefährdetsten Menschen spielt. Interessen der fossilen Industrien waren entschlossen, Fortschritt zu verhindern und die Ziele zu unterwandern, die wir hart erarbeitet haben. Das darf nie passieren“, forderte sie.
Die aserbaidschanische Konferenzpräsidentschaft steht unter Kritik, weil sie anscheinend Delegierten Saudi-Arabiens erlaubte, direkt einen Entwurf des Abschlusstextes zu bearbeiten. Üblich ist, dass Vertreter*innen aller Staaten über Textpassagen verhandeln und ein Kompromiss dann in den Text aufgenommen wird. In seinen Änderungen hat der Ölstaat Berichten des Guardian und des Spiegel zufolge entscheidende Sätze entfernt, die auf die Minderung der Treibhausgasemissionen und den Übergang weg von fossilen Energieträgern verwiesen.
Klimaschützer*innen enttäuscht vom Ergebnis
Beobachtende NGOs zeigen sich ernüchtert vom Abschlussdokument. „Die in Aussicht gestellten Gelder sind nicht mehr als ein Schluck Wasser vorm Verdursten“, sagte Viviane Raddatz, Klimachefin vom WWF. „Jetzt nicht die nötigen Mittel in die Hand zu nehmen, wird auch die Wirtschaftsleistung der reichen Nationen maßgeblich einschränken. Jeder nicht investierte Euro heute wird uns morgen das Vielfache kosten“, warnte Raddatz.
Das Hilfswerk Brot für die Welt sieht im Ergebnis einen Minimalkonsens. „Gerade die ärmsten und verletzlichsten Staaten haben alle ihre Forderungen fallen lassen, nur um ein Scheitern der Konferenz zu verhindern“, kommentierte die Klimaexpertin der NGO Sabine Minninger. Sie hätten ein Ergebnis mitgetragen, das ihren Bedürfnissen überhaupt nicht gerecht werde, damit der mulitlaterale Verhandlungsprozess weitergehe.
„Diese Weltklimakonferenz liefert nicht das, was eigentlich notwendig gewesen wäre“, findet auch Christoph Bals, politischer Geschäftsführer der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch. „Aber sie bewegt sich im oberen Bereich dessen, was bei der derzeitigen politischen Großwetterlage möglich ist.“ Beim Klimaschutz hätten die Fortschritte der vergangenen Konferenz, wo erstmals ein globaler Ausstieg von fossilen Brennstoffen festgehalten wurde, nur mühsam verteidigt werden können. Das jetzt versprochene zusätzliche Geld könne aber eine neue nationale Dynamik für Klimaschutz befördern, gab sich Bals zuversichtlich.
Konferenz-Präsident Mukhtar Babayev lobt das Finanzziel von Baku als „die bestmögliche Vereinbarung“, die denkbar gewesen sei. In einem Jahr der geopolitischen Zersplitterung hätten die Menschen daran gezweifelt, dass Aserbaidschan etwas erreichen kann und alle zustimmen könnten. „Sie haben sich in beiden Punkten geirrt“, resümierte Babavey.
Regeln für globale Kohlenstoffmärkte beschlossen
Einen Durchbruch gab es mit der Einigung auf Standards für internationale Kohlenstoffmärkte. Neun Jahre nach Paris haben die Delegierten Regeln beschlossen, wie sich Staaten Klimaschutzprojekte in anderen Ländern auf ihre eigenen Klimaziele anrechnen lassen können. Der nun erzielte Kompromiss war nur möglich, weil die EU ihren jahrelangen Widerstand gegen intransparente Kohlenstoffmärkte aufgegeben hat. Umweltverbände sehen die Tür für Greenwashing weit offen.
Kaum Fortschritte gibt es dagegen bei der Klimaanpassung und dem Umgang mit Schäden durch den Klimawandel. „Die Klimakonferenz lässt die besonders verwundbaren Menschen hier mit leeren Händen zurück“, kritisiert Laura Schäfer, Co-Leiterin der Abteilung Internationale Klimapolitik bei Germanwatch. Sie fordert, die Finanzierungslücken in beiden Bereichen bis zur nächsten Weltklimakonferenz zu schließen. Der 30. UN-Gipfel ist für November 2025 im brasilianischen Belém geplant.
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