Erdwärme-Bohrungen in Hamburg: So tief wie nie zuvor
Erstmals in Norddeutschland soll Tiefengeothermie zum Heizen von Wohnungen genutzt werden. Das Projekt ist Teil der Hamburger Energiewende.
Der Versuch, Erdwärme aus so großer Tiefe zu fördern, ist bisher einmalig in Norddeutschland, obwohl die norddeutsche Tiefebene zu den aussichtsreichen Gebieten für Tiefengeothermie gehört. Das Projekt ist vor mehr als zehn Jahren im Rahmen der Internationalen Bauausstellung (IBA) in Wilhelmsburg unter dem Oberthema „Stadt im Klimawandel“ angeschoben worden. Die aus der IBA hervorgegangene gleichnamige Stadtentwicklungsgesellschaft setzt es jetzt um. „Ziel ist es, Geothermie salonfähig zu machen“, sagte Prinz von Hamburg Energie.
Noch während der Laufzeit der Bauausstellung wurde unter Einbeziehung der Abwärme ansässiger Industrie ein Nahwärmenetz geschaffen, in dessen Zentrum ein riesiger alter Flakbunker steht. Er wurde mit Solaranlagen bestückt, entkernt und mit einem riesigen Wassertank als Energiespeicher versehen. In dieses Netz soll nun künftig auch Erdwärme eingespeist werden. Dafür sollen an der Alten Schleuse zwei Bohrungen abgeteuft werden: eine, um das Thermalwasser zu fördern, die andere, um das Wasser zurückzuleiten, nachdem es in einem Wärmetauscher seine Energie abgegeben hat. Die Wärme sei CO2-frei, praktisch unbegrenzt verfügbar und die Förderung brauche wenig Platz, sagte Kerstan.
Zu den Risiken des Projekts gehört, dass das vermutete Thermalwasservorkommen sich als unergiebig erweisen könnte. „Wir haben viele Untersuchungen durchgeführt, sodass wir von einer sehr hohen Fündigkeit ausgehen“, sagte Prinz.
In bis zu 3,5 Kilometer Tiefe will Hamburg Energie 130 Grad warmes Wasser fördern. Damit sollen zehn bis 14 Megawatt Wärmeleistung bereitgestellt werden.
Ein Leitungsnetz von zwölf Kilometern soll die Wärme zu den Quartieren am Energiebunker und der Umweltbehörde sowie zu den neuen Vierteln auf der Trasse der verlegten Reichsstraße verteilen.
Angeschlossen werden sollen ab 2023/2024 bis zu 5.000 Wohnungen mit 20.000 Bewohnern.
Dazu kommt wie bei jeder Bohrung das Risiko, dass Flüssigkeit austritt und die Umwelt verunreinigt. Das Erdbebenrisiko sei minimal, weil es keine tektonischen Spannungen im Untergrund gebe, sagte Prinz. Hier seien die Bedingungen besser als in München, wo bereits im großen Stil Wärme aus der Tiefe gefördert wird.
Mit 23 Millionen Euro fördert der Bund das insgesamt 76 Millionen Euro schwere Vorhaben als „Reallabor für die Energiewende“. Innovativ ist es wegen seiner Einbindung. „Es ist viel mehr als eine Tiefengeothermie-Bohrung“, sagte Senator Kerstan, „sondern ein Konzept, wie man eine Kleinstadt versorgt.“
Der Clou dabei ist die Verknüpfung unterschiedlicher Wärmequellen und -speicher – physisch und über einen digitalen Marktplatz. „Die Wohnungswirtschaftsunternehmen können frei entscheiden, welche Energie sie einkaufen zu welchem Preis“, sagte Prinz.
Weil während des Sommers weniger Wärme gebraucht wird, sollen weitere Speicher gebaut werden. Statt des bereits angekündigten Aquiferspeichers unter der Dradenau soll zuerst ein solcher Speicher am Kraftwerk Tiefstack eingerichtet werden. Dabei wird die Wärme in eine salzhaltige Grundwasserschicht geleitet und dann bei Bedarf wieder abgezapft.
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