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Erdoğan gegen Israel„Stehen für den Nahen Osten bereit“

Unter Erdoğan verschlechterte sich das Verhältnis zwischen Israel und der Türkei. Er heizt die Stimmung an, droht dem Westen, nennt Israel „Kindermörder“.

Erdoğan spricht auf einer Massenkundgebung zur Unterstützung der Palästinenser Foto: Emrah Gurel/ap

Istanbul taz | Die große Tür ist aus massivem Stahl. Eine Kamera zeigt dem Sicherheitspersonal im Innern, wer draußen vor der Tür steht. Geöffnet wird sie nur für jene, die sich zuvor angemeldet haben und über eine Sprechanlage ihren Namen nennen. Danach geht es durch eine Sicherheitsschleuse, und erst dann kann man das Jüdische Museum in Istanbul betreten.

Die Sicherheitsmaßnahmen kommen nicht von ungefähr. Zweimal wurde die Hauptsynagoge der Istanbuler Juden, Neve Shalom, an die das Museum unmittelbar angrenzt, in den vergangenen Jahrzehnten Ziel von Terroranschlägen. Einmal 1986, als arabische Terroristen beten­de Menschen angriffen und 21 von ihnen töteten, das zweite Mal 2003, als türkische Al-Qaida-Anhänger zwei Synagogen in Istanbul angriffen und mehrere Menschen töteten.

Nach dem 7. Oktober, dem Tag des Massakers der Hamas in Südisrael, kamen auch unter den Juden in Istanbul Sorgen und Ängste auf. Zunächst schienen die Juden in der Türkei zwar weitgehend verschont zu bleiben. Präsident Recep Tayyip Erdoğan verhielt sich abwartend bis neutral und bot mehrmals an, die Türkei könne bei einem möglichen Austausch der Geiseln, die die Hamas im Gaza­streifen gefangen hielt, mit palästinensischen Gefangenen in Israel vermitteln.

Doch als die israelischen Angriffe auf den Gazastreifen heftiger wurden und immer mehr Zivilisten starben, legte der türkische Präsident seine Zurückhaltung ab. In einer Rede vor der AKP-Fraktion am Dienstag im Parlament bezog er eindeutig Partei für die Hamas, die er eine Befreiungsbewegung der Palästinenser nannte.

Ob der Westen einen Krieg wolle, fragt Erdoğan

Am Samstag legte Erdoğan nach. Während einer von seiner Partei organisierten Massenkundgebung zur Unterstützung der Palästinenser, bei der sich mehrere hunderttausend Menschen am ehemaligen Atatürk-Flughafen versammelten, peitschte er die Massen mit einer antiisraelischen Rede auf, in der er auch den Westen massiv angriff: „Israel, vor der ganzen Welt erklären wir euch wegen der Massaker im Gazastreifen zum Kriegsverbrecher“, rief er der Menge zu. Und an den Westen gewandt fragte er: „Ihr habt um die getöteten Kinder in der Ukraine getrauert, warum schweigt ihr angesichts der getöteten Kinder im Gazastreifen?“

Erdoğan unterstellte dem Westen, Israel als westliche Vorhut im Nahen Osten zu benutzen. Rhetorisch fragte er, ob „der Westen einen Krieg zwischen Kreuz und Halbmond“ führen wolle. „Wisse, diese Nation ist bereit. Wie in Libyen, wie in Karabach stehen wir auch für den Nahen Osten bereit.“

Das ist ein Warnruf. Ganz anders als zu Zeiten seiner Vorväter, wo Sultan Beyazit II. im ausgehenden 15. Jahrhundert die von der Inquisition bedrängten spanischen Juden einlud, ins Osmanische Reich zu kommen. Und zehntausende kamen. Die bis zum Holocaust größte jüdische Gemeinde Südeuropas in Saloniki und auch die vom Holocaust verschont gebliebenen jüdischen Gemeinden in Istanbul, Izmir, Ankara und Antalya zeugen davon.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts lebten noch weit über 100.000 Juden im Osmanischen Reich, selbst zu Beginn der türkischen Republik vor 100 Jahren waren es noch rund 80.000 Gemeindemitglieder. In der Türkei waren sie vor der Verfolgung durch die Nazis geschützt; das Land, das im Zweiten Weltkrieg neutral war, wollte aber auch keine größeren Gruppen jüdischer Flüchtlinge aus Europa aufnehmen.

Ein Teil der Hamas-Führung longiert in der Türkei

1948 gehörte die Türkei dann zu den ersten Ländern, die Israel diplomatisch anerkannten. Bis in die 90er Jahre des 20. Jahrhunderts blieb das Verhältnis zwischen der Türkei und Israel eng. Die beiden Länder arbeiteten militärisch zusammen, israelische Touristen kamen in Scharen in die Türkei. Das änderte sich erst, als 2002/03 die islamische AKP an die Macht kam und Erdoğan Ministerpräsident wurde.

In den Nullerjahren versuchte sich Erdoğan schon einmal als Moderator zwischen Israelis und Palästinensern. Als der Erfolg ausblieb, wurde er international zum Anwalt der Palästinenser. Wegmarken waren seine Auseinandersetzung mit dem damaligen israelischen Präsidenten Schimon Peres 2009 in Davos, wo Erdoğan Israel als „Kindermörder“ angriff, sowie ein Jahr später der von Israel militärisch vereitelte Versuch, mit einer Schiffsflottille die Gaza-Blockade zu durchbrechen und Hilfsgüter in den abgesperrten Streifen am Mittelmeer zu bringen. Zehn Türken wurden damals von israelischen Soldaten getötet.

Jahrelang lagen die diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Ländern danach auf Eis, während ein Teil der Hamas-Führung auf Einladung Erdoğans in Istanbul logierte. Erst Ende 2016 beendeten die beiden Länder die Eiszeit wieder, 2018 kam es wegen Gaza allerdings erneut zu einem Konflikt mit dem wechselseitigen Abzug von Botschaftern. Erst 2022 näherten sich die beiden Länder wieder so weit an, dass der israelische Präsident Jitzhak Herzog zu einem Staatsbesuch nach Ankara kam.

Eigentlich sollte Erdoğan just in diesen Tagen nach Israel reisen, doch davon ist jetzt natürlich keine Rede mehr. Im Gegenteil, nach Erdoğans Brandrede am Samstag hat Israel angekündigt, sein gesamtes diplomatisches Personal aus der Türkei abzuziehen. Israelische Staatsbürger waren schon Tage davor dringend aufgefordert worden, die Türkei schnellstmöglich zu verlassen. Für die insgesamt noch knapp 20.000 Juden im Land brechen wieder schwere Zeiten an.

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3 Kommentare

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  • Erdogan sprach auch von griechischen und mazedonischen Städten die man der Türkei weggenommen hätte. Der türkische Imperialismus wird in Zukunft noch ganz massiv Probleme verursachen.

    • @Machiavelli:

      Die Frage ist ab wann man etwas betrachtet. Mazedonien war auch ein großreich.

  • Tja, er träumt halt weiter vom Osmanischen Reich. Bin gespannt, wann die USA das erste Mal gegen die Türkei kämpfen. Putin freut sich schon.