Entwicklungsgelder der G7: Historische Kürzungen
Kurz vor dem G7-Gipfel in Kanada warnt Oxfam: Die wirtschaftsstärksten Staaten planten die größten Streichungen von Entwicklungsetats seit 50 Jahren.

Die Entwicklungsorganisation Oxfam setzt im Vorfeld einen anderen Schwerpunkt. Sie appelliert an die G7-Länder, ihre geplanten Kürzungen in der Entwicklungszusammenarbeit zu überdenken. Nach Analyse von Oxfam wollen die Staaten zusammengerechnet ihre Etats bis 2026 um voraussichtlich 28 Prozent gegenüber 2024 schrumpfen. „Das wäre die größte Kürzung in dem Bereich seit Gründung der Staatengruppe im Jahr 1975“, schreibt Oxfam am Mittwoch.
Laut der Entwicklungsorganisation stünden damit nächstes Jahr 44 Milliarden US-Dollar weniger zur Verfügung. Der Löwenanteil stammt von den massiven Einsparungen unter US-Präsident Trump, die rund 33 Milliarden US-Dollar ausmachen. Aber auch Großbritannien wolle 5, Frankreich 3 und Deutschland 3,5 Milliarden US-Dollar streichen. Die Daten basieren auf der Onlineplattform Donor Tracker, die Budgets von öffentlicher Entwicklungszusammenarbeit sowie Ankündigungen dazu sammelt.
Für Deutschland fußt die Prognose auf den Plänen der Ampelregierung für den 2025er-Haushalt. Während der Koalitionsverhandlungen der neuen Regierung zeichneten sich weitere Einsparungen im Etat ab. Die Union forderte starke Kürzungen und sogar die Abschaffung des Entwicklungsministeriums. Das blieb zwar letztendlich erhalten, aber zum ersten Mal steht im Koalitionsvertrag kein Bekenntnis zu dem UN-Ziel, mindestens 0,7 Prozent der Wirtschaftsleistung für Entwicklungsfinanzierung auszugeben.
„skandalös und kurzsichtig“
Das ist „skandalös und kurzsichtig“, findet Tobias Hauschild, Leiter des Bereichs Soziale Gerechtigkeit bei Oxfam Deutschland. „Kürzungen haben langfristige Folgen für Frieden und Sicherheit“. Bundeskanzler Merz solle weiteren Einsparungen in Kanada „eine klare Absage erteilen“, fordert Hauschild.
Entwicklungshilfeministerin Reem Alabali-Radovan (SPD) hat das bereits getan. „Ich kämpfe für eine gute Finanzierung der Entwicklungspolitik, sowohl in Deutschland als auch in der EU“, sagte sie Ende Mai beim Treffen ihrer EU-Kolleg*innen in Brüssel.
Und auch Parteikollege und Finanzminister Lars Klingbeil erklärte Anfang Juni im Hinblick auf die öffentlichen Entwicklungsausgaben: „Gerade jetzt, wo andere große Geberländer ihre Unterstützung zurückfahren, wird Deutschland ein verlässlicher Partner bleiben.“ Zwei Wochen vorher hatte er alle Ministerien zum Sparen aufgerufen. Der erste Haushaltsentwurf soll noch vor der Sommerpause kommen.
Hilfs- und Entwicklungsorganisationen prangern schon jetzt die lebensbedrohlichen Folgen der massiven Kürzungen an. Zahlreichen Programme zur Versorgung mit überlebenswichtigen Medikamenten oder Lebensmitteln wurden bereits eingestellt und auch langfristige Entwicklungsprojekte liegen auf Eis. Die Kinderhilfsorganisation Save the Children warnte vergangenen Monat, dass sie allein in Somalia diesen Monat 121 Ernährungszentren schließen müsse, die bislang mindestens 55.000 Kinder unterstützt hätten.
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