Entwaldung im Amazonas: Brasilien rechnet Kahlschlag schön
Umweltschützer fordern ein Ende der Abholzung. Eine Studie hat über 200 wissenschaftliche Arbeiten analysiert. Die Regierung findet sich erfolgreich.
RIO DE JANEIRO taz | Endlich wieder eine gute Nachricht in Sachen Klimaschutz aus Brasilien: Innerhalb von sieben Jahren hat das größte Land Lateinamerikas seinen Treibhausgasausstoß um 41 Prozent gesenkt. Von zwei Milliarden Tonnen im Jahr 2005 sank der CO2-Ausstoß auf 1,2 Milliarden Tonnen im Jahr 2012, schreibt das Wissenschaftsministerium in einem Bericht.
Am deutlichsten sanken die Emissionen, weil Brasilien seit 2004 weniger Regenwald abholzt, heißt es da stolz. Die Nutzung von Wald und Boden trug noch 2005 zu 58 Prozent zu den CO2-Emissionen bei, 2012 waren es noch 15 Prozent. „Der kontinuierlich sinkende Ausstoß von Treibhausgasen legt nahe, dass Brasilien seine Ziele zur Reduktion von klimaschädlichen Emissionen bis 2020 einhalten wird“, sagte Staatsekretär Carlos Nobre bei der Vorstellung des Berichts.
Auf der UN-Klimakonferenz 2009 in Kopenhagen hatte sich Brasilien freiwillig verpflichtet, seinen CO2-Ausstoß um bis zu 40 Prozent zu senken. Auf dem UN-Klimagipfel im Dezember in der peruanischen Hauptstadt Lima wird sich die Regionalmacht mit diesen Zahlen brüsten. Und mit dem jüngsten Bericht der UNO, der Brasilien als Vorbild beim Erhalt der Urwälder und der Einrichtung von Schutzgebieten gegen Abholzung lobt.
Doch andere Zahlen aus Brasilien zeigen, dass die Entwaldung im Amazonasgebiet längst wieder wächst. Im August und September dieses Jahres wurde doppelt so viel abgeholzt wie im vergangenen Jahr. Allein im August wurden fast 900 Quadratkilometer abgeholzt, hat die Umweltbehörde Ibama bekannt gegeben.
„Es muss wiederaufgeforstet werden“
Bereits im September hatte das Nationale Raumforschungsinstitut INPE vermeldet, dass die Abholzung in Brasilien auch mittelfristig zugenommen hat: Von August 2012 bis Juli 2013 habe die Entwaldung im Vergleich zum Vorjahr um 29 Prozent erstmals wieder zugenommen.
Der Ökologe Antonio Donato Nobre geht davon aus, dass die Abholzung im Amazonasgebiet schon eine kritische Grenze überschritten hat. Auch ein sofortiger Stopp der Abholzung werde negative Auswirkungen auf das Klima nicht verhindern können. „Es muss wiederaufgeforstet werden“, sagt Donato Nobre. Wenn nicht sofort drastische Maßnahmen ergriffen würden, sei der Klimawandel in Südamerika nicht mehr rückgängig zu machen.
Donato Nobre hat die Studie „Die Klimazukunft des Amazonas“ verfasst, die er auf der UN-Klimakonferenz in Lima vorstellt. Im Auftrag des Regionalen Amazonas-Netzwerks ARA (Articulación Regional Amazónica) hat er mehr als 200 wissenschaftliche Arbeiten analysiert. Die Studie verdeutlicht, wie die Abholzung schon jetzt das Klima beeinträchtigt.
Grund dafür ist die Fähigkeit der Bäume, große Mengen Wasser vom Erdboden in die Atmosphäre zu leiten. „Die Bäume funktionieren wie Geysire aus Holz. Sie pumpen jeden Tag Billionen Liter Wasser in die Luft“, erläutert der Wissenschaftler. Dadurch entstünden Wolken und ein spezifischer Druck in der Atmosphäre, der in der Umgebung, aber auch noch Tausende Kilometer entfernt regelmäßig als lebensnotwendiger Regen niedergeht.
In dem Maß, in dem der Raubbau im Amazonas das Gleichgewicht der Natur stört, werde sich Trockenheit ausbreiten, sagt Nobre. Schon vor der Veröffentlichung der Studie haben Wissenschaftler den monatelangen Ausfall von Regenfällen in Südbrasilien mit solchen Klimaveränderungen in Zusammenhang gebracht. Insbesondere in der Metropole São Paulo gibt es seit Mitte des Jahres ernste Probleme bei der Wasserversorgung – noch nie war der Wasserstand in den Stauseen der Umgebung so niedrig wie heute.
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